Via Alta Riviera-Calanca Teil 2: Brogoldone - Alp de Stabi - Sass de la Scritüra - Valbella


Publiziert von lucama , 29. August 2014 um 21:55. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Misox
Tour Datum:22 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Pizzo di Claro   CH-TI   Gruppo Cima Rossa   CH-GR   Gruppo Torrone Alto   Gruppo Arbeola-Molera   Gruppo Zapporthorn 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 2957 m
Abstieg: 3579 m
Strecke:S. Beschreibung der Tour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:LSB Monti Savorú
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Postauto Rossa
Kartennummer:1254, 1274, 1294

Für die Fortsetzung der Via Alta (Via Alta Riviera-Calanca Teil 1: Monti di Biasca bis Brogoldone) wechseln wir von der Riviera-Seite ins Calancatal: über den Schluchten des Talgrunds liegen weite, liebliche Alpen unter den Felsgipfeln, die sich vom Zapporthorn über Torrent Alto, P di Campedell, Mottone und Torrone Rosso zum Pizzo di Claro erstrecken. Von diesen ziehen in regelmässigen Abständen Felsriegel ins Tal und geben dem gemütlichen Wandern Würze, wenn es darum geht, einen Durchschlupf in der Höhe zu finden. Die Wege sind hier oft weniger ersichtlich als auf der Tessiner Seite, und die Markierungen folgen eigenen Regeln; ist der Weg offensichtlich, sind sie häufig und unübersehbar, wird es unübersichtlich (v. a. in üppiger Vegetation oder im Wald), hält man sich oft besser an die reichlich vorhandenen Ameisenhaufen (ziehen Ameisen auch Wegspuren vor...?) - oder eben an Karte und Höhenmesser. Wegweiser sucht man übrigens in der Höhe meist vergeblich, selbst auf gut markierten Abschnitten. Im obersten Talabschnitt ist der Höhenweg über weite Strecken recht konsequent verblasst rot-weiss markiert, wohl aus Zeiten, als eine Fortsetzung des Sentiero Alpino Calanca nach Norden geplant war. Diese Vorbemerkungen sind als Hinweis für die Vorbereitung gedacht und sollen die Freude an einer noch über weite Strecken wilden und einsamen Gegend steigern. Die seltenen Unterkünfte tragen das ihre dazu bei. Vor meinem Eintrag dieser Tour war das oberste Calancatal bezüglich Hikr-Wegpunkte terra incognita und ich zögerte zuerst, dies zu ändern...

Am Freitag, 22.8.14 steigen wir nach dem reinigenden nächtlichen Gewitter von der Cap Brogoldone hinauf zum Pass P 2191 durch Nebelfetzen und wechseln hinüber in den Pian del Baitel, unter uns die von feinen Nebeln umschwebte Alp de Mem. Über P 2270 m , dann hinunter zur Alp di Rossiglion. Der Kamin der Alphütte liegt abgebrochen auf dem Dach als Folge des Schneedrucks vom letzten Winter - offenbar besteht kein dringendes Bedürfnis zur Reparatur... Über Pordont auf zugewachsenen Wegspuren nach Baraccon, einer zerfallenen Hütte in einer kleinen Mulde hoch über dem Talgrund. Hier queren wir ein bisschen zu hoch, erreichen aber bald den guten Weg zu den Lawinenverbauungen im Motton, durch die wir steil hochsteigen. Eine Dreierequipe, die an den Verbauungen Unterhaltsarbeiten durchführte, kommt uns entgegen - sie gehen ins verdiente Wochenende talwärts. Bei der (geschlossenen) Unterkunft auf 2215 m führt der Pfad nach N in eine steile Schuttrinne bis etwa 2120 m hinunter, dann links hinaus horizontal einige Meter über etwas heikle Platten auf den leicht ansteigenden Weg nach Mot di Piöv. Auch wo die Karte keinen Weg aufweist, ist ein solcher durchaus vorhanden, z. T. sogar fast mit Alpstrassencharakter... Die Alp Piöv di Fuori wird bewirtschaftet und wir erstehen uns ein bisschen Kuh-Geiss-Käse für den Abend. Ein kleiner Aufstieg auf gutem Pfad führt nach Piöv die Dent mit seiner Alphütten-Ruine. Hier bereiten wir das Zeltlager für die Nacht und studieren den morgigen Weiterweg in die Pianon de Piöv. Die Nacht bringt wieder ein bisschen Regen.

Am Samstagmorgen, 23.8.14, ist es wieder trocken (ausser dem Zelt und dem Gras...) und Nebelfetzten verhüllen immer wieder die Aussicht. Nach dem obligaten Porridge mit einem dram of Whisky (ein Mortlach single cask 76.86, refill sherry butt, der scotch malt whisky society, "gross und prickelnd") fassen wir Mut, den ungewissen Weg in den Camin de Biancalan in Angriff zu nehmen. Die Wegspuren sin recht gut erkennbar und führen bis etwa 2150 m. Auf dem Sporn 2100 m sind Ruinen einer kleinen Alp zu erkennen (nicht in der LK verzeichnet). Der Pfad hinunter Richtung Biancalan, d.h. der Baracke 2025 m ist unverkennbar (T5-Gelände). Es lohnt sich, ziemlich nah zur Baracke abzusteigen, um den horizontalen Weg zu den Lawinenverbauungen zu erreichen. Wir steigen auf der rechten Seite derselben hoch, wechseln kurz rechts hinaus auf die Kante, dann wieder zurück, um nach links horizontal in die Verbauungen zu queren und am Fuss der Felsen auf ca. 2150 m wieder nach rechts zu wenden und um eine Ecke gehend unvermittelt vor dem Felstor durch den Camin de Biancalan hindurch zu stehen. Offenbar gibt es eine neuere Wegführung, die auf der linken Seite der Verbauungen hochsteigt und hoch oben fast horizontal auf gutem Pfad nach rechts durch die Verbauungen hinüberführt. Der alte Weg ist vereinzelt mit rosaroten Tupfern verziert, die jedoch zur Wegfindung nichts beitragen. Wir genissen die Aussicht von dieser aussergewöhnlichen Kanzel aus. Jenseits führt ein klarer, unmarkierter Weg auf etwa 2120 m (nicht auf LK) bis Gagnon de Naucal und schräg hinunter (nach NE) durch Pianon zum Pian de Sespet. Hier stossen wir auf die Strasse, der wir bis Alp de Cascinarsa folgen. Wir verabschieden jimmy vorübergehend und gehen zu zweit auf dem sumpfigen Weg (rot-weiss) zur Alp de Remia. Die Haupthütte ist verludert dreckig; ein grosses Feuer im Kamin zaubert trotzdem Gemütlichkeit herbei. In eigenartigem Kontrast zur Haupthütte stehen die Regale mit blitzblankem Geschirr und Besteck im offenen Stallgebäude nebenan und das reichlich gescheitete Holz im andern Stall. Nachts geht wieder ein Gewitter nieder.

Der Sonntag, 24.8.14 empfängt uns mit strahlender Sonne, die uns über dem Porridge blinzeln lässt. Bis Belvedere ist der breite Alpweg gut markiert, einige Bäume sind vom Schnee gefällt worden und liegen quer. Danach verlieren wir irgendwie den feudlen Weg und schlagen uns durch den dichten Bergwald mit trügerischen Löchern zwischen Felsblöcken, die von Wachholder und Alpenrosen gut getarnt sind. Wir peilen den Durchschlupf durch die Felsbarriere auf etwa 1800 m an - und "fallen" unverhofft auf die gute Wegspur zur Alp de Remolasch. Die Hütte sieht gepflegt aus und ist geschlossen. Durch nun lichten Wald zuerst auf gut rot-weiss markiertem Weg hinunter Richtung Pian de l'Isolan. Auch hier stehen wir irgendwann im unberührten Gras und nehmen wieder das GPS zu Hilfe, um die Querung des Riá de Remolasch bei etwa 1500 m zu finden und bald findet sich wieder der bequeme Weg hinunter zur Talsohle. Hier treffen wir wie verabredet auf jimmy und verabschieden nun Markus, der talaus wandert. Zu zweit auf rot-weiss markiertem Weg zur Alp de Revi, wo uns der "Ghiufme" des Älplers mit Kafi Luz verwöhnt (Eigenbrand!). Die Alp ist äusserst ordentlich, der Umgang offen und freundlich - und wenn es sein müsste, könnte man hier auch übernachten... Wir ziehen jedoch weiter, um noch möglichst weit ins Tal hinein zu gelangen, steigen zur Presa d'Acqua hinauf und auf den verblasst rot-weiss markierten Weg durch I Pian die Revi bis Purtulina Alta, wo ein grosser flacher Boden zum Zelten einlädt. Die Mutterkuh-Herden haben natürlich ihre Spuren hinterlassen, aber man findet trotzdem flache Grasplätze für's Zelt. Das Abendlicht ist ungewöhnlich brillant und klar. 

Am Montagmorgen, 25.8.14 kämpfen regenschwere dunkelgraue Wolkenmauern aus dem Süden mit blauen Fenstern des Nordföhn. Wer die Oberhand gewinnen wird, ist ungewiss. Wir entscheiden uns für den Ausstieg via Talweg anstelle der höheren Variante am See 2330 m vorbei zu La Guardia und Pass di Omenit oder Lagh de Stabi. Also steigen wir von P 2318.5 m Richtung NE über die Alp de Stabi hinab zu P 1970 m an der Calancasca. Dieser Talabschluss ist umwerfend schön! So weit und einsam! Wir wechseln auf die linke Talseite und finden in der üppigen Vegetation den Pfad, der auf etwa 2000 m unter den Felsen quert. Inzwischen hat uns der Nebel eingehüllt. Am Sass de la Scritüra sinnieren wir über den alten eingemeisselten Inschriften in dieser menschenleeren Ecke des Calancatals. Unverhofft taucht hier übrigens eine neuere blau-weisse Markierung auf - woher und wohin ist unklar, sie verschwindet denn auch bei der Alp Rodond ebenso unerklärlich. Der Weg steigt jedenfalls bis etwa 2124 m SSE-wärts hinauf und beginnt sich dann allmählich nach S zu senken (mit kurzen steilen Einlagen), bis er zur Alp Rodond nach W wendet, nun übrigens rot markiert. Richtung WNW, später W steil zwischen Felsbändern hinunter bis ca. 1750 m und nach Spitzkehre SE-wärts mit steilen Einlagen zum Pascul del Mina, wo man bald auf den rot-weiss markierten Weg vom Pass di Passit stösst, der talaus führt bis Valbella. Ein Bauarbeiter fährt uns nach Rossa, wo wir uns im "Alpino" einquartieren. Zum Abschluss der achttägigen Wanderug hat uns das Naturell des Sommers 2014 eingeholt, sonst hatten wir nicht unter Nässe zu leiden. 

Datum Zeit (h) km Aufstieg (m) Abstieg (m) Route
2014-08-22 9.00 12.5 994 1'040 Cap Brogoldone-A de Mem-Pian del Baitel-P 2270-Conca di Stabveder-A di Rossiglion-Baraccon-Mottone-Mot di Piöv-Piöv di Fuori-Piöv di Dent
2014-08-23 6.30 8.1 377 562 Piöv di Dent-Camin de Biancalan-A de Naucal-A de Cascinarsa-A de Remia
2014-08-24 8.45 9.9 1'286 807 A de Remia-Belvedere-A de Remolasch*-Pian de l'Isolan-A de Revi-Presa d'Acqua-Purtulina Alta
2014-08-25 8.00 12.1 300 1'170 Purtulina Alta-A de Stabi-Sass de la Scritüra-A Rodond-Valbella

Tourengänger: jimmy, lucama
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (2)


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Seeger hat gesagt: Erstaunlich
Gesendet am 2. September 2014 um 09:59
Hallo lucama, markus und Jimmy
Eure Tour ist von einer schier unfassbaren Qualität! Da werden Gegenden verbunden, welche einzeln schon x-fach begangen wurden.
Ich habe auf der Karte im Detail die Tour nachvollzogen und die vielen Knackpunkte bestaunt.
Erstaunlich, dass (im Moment) wenige HIKR dieses "Werk" besuchen.
Oder vielleicht doch? Es sind ganz wenige Freaks, welche sich durch die Vegetation des Tessins hindurch kämpfen und die Strapazen auf sich nehmen. Liegt es bei Euch wegen dem Whisky-Porridge am Morgen ??? ;-))
Ich gratuliere Euch zu dieser einmaligen Leistung.
Andreas Seeger

lucama hat gesagt: RE:Erstaunlich
Gesendet am 2. September 2014 um 10:13
Ciao Andreas
es freut mich, unsere Begeisterung für dieses Gelände und den "Ticino selvaggio" zu teilen. Die Suche nach verbindenden vie alte macht eben Freude, und wenn dann die Begehung noch so gut gelingt (dank Spürnasen für verborgene Wegspuren und Wettergott...), bleiben keine Wünsche offen. Wie schon bemerkt, gab es ja im oberen Calancatal bisher keine Hikr-Wegpunkte, aber ich befürchte nicht, dass dieser wunderschöne Talkessel plötzlich überlaufen wird. Übrigens: das richtige Frühstück beflügelt schon ein bisschen!
Salve, Lukas


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