Wagendrischelhorn (2251 m) - Winter auf der Reiteralm


Publiziert von 83_Stefan , 14. Januar 2014 um 18:46.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:31 Dezember 2013
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT4 - Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über die B305 zur Schwarzbachwacht; dort großer Parkplatz (im Sommer gebührenpflichtig).
Unterkunftmöglichkeiten:Neue Traunsteiner Hütte (DAV-Sektion Traunstein, 1570 m); Winterraum (offen) sehr gut ausgestattet (Toilette im Innenraum, elektrisches Licht, Ofen), aber etwas lieblos hergerichtet (keine Kissen, kaum Besteck und Geschirr, kein Toilettenpapier etc.).
Kartennummer:Bayerisches Landesamt für Vermessung und Geoinformation - UK50-55 Berchtesgadener Alpen.

"Im äußersten Westen der Berchtesgadener Alpen erhebt sich isoliert ein Tafelgebirge, wetteifernd mit dem Steinernen Meere, wenn nicht an Ausdehnung, so doch an Öde und Zerrissenheit. Als Wahrzeichen des Ramsauer Tales tritt es dem Wanderer entgegen, das breite, wellengipfelige Bergmassiv, dessen Häupter im Hintersee sich abspiegeln. In einem felsenkahlen Rundklumpen zusammengedrängt, erscheinen seine Zinnen; nur eine, das Wagendrischlhorn, in seltsam regelmäßiger Glockengestalt, erhebt sich vereinsamt auf seinem Sockel von Stein" (Hermann von Barth, Aus den Nördlichen Kalkalpen, 1874). Während sich heute im Sommer auf der Reiteralm die Wanderer vergnügen, ist es hier im Winter meist recht ruhig. Es gibt zwar schon den einen oder anderen Skitourengeher, aber meist beginnt deren Saison erst so richtig im Frühjahr, wenn die Nordflanken der nach Süden hin begrenzenden Berge richtig gut eingeschneit sind und stabile Verhältnisse herrschen. Bis dahin findet der ambitionierte Schneeschuhgeher ein ideales, einsames Betätigungsfeld und mit dem Winterraum der Neuen Traunsteiner Hütte steht im ein ausgezeichneter Stützpunkt zur Verfügung.

Dieser nicht ganz alltägliche Tourenvorschlag startet an der Schwarzbachwacht, direkt zu erreichen über die B305. Von hier geht's auf einem Fahrweg und dann auf breit ausgetretenem Steig ("Wachterlsteig") in westlicher Richtung dahin. Ein Windwurf wird überquert und der Steig leitet in dichten Wald hinein; steil zieht er bergauf, teilweise sogar mithilfe von künstlichen Leitern, bis eine schmale Gasse erreicht ist. Nach dem Durchschreiten wird deutlich flacheres Gelände erreicht und wie im richtigen Leben wechseln sich Auf und Ab miteinander ab. Senken werden durchquert, Rücken überschritten, Knicks vollzogen - die Orientierung ist alles andere als einfach, wenn im Winter der Wegverlauf durch den Schnee nicht ersichtlich ist und die Markierungen teilweise unter der "weißen Pracht" liegen. Schließlich wendet sich der Steig mehr und mehr in südwestliche Richtung und erreicht durch das unübersichtliche, latschenübersäte Hochplateau die große Neue Traunsteiner Hütte, die sich dem Bergfreund erst im letzten Augenblick zu erkennen gibt.

Von der Hütte lohnt ein abendlicher Abstecher zum Großen Weitschartenkopf ungemein. Aufgrund der Nähe zur Hütte und wegen des relativ harmlosen Anstiegs kann man dort oben ohne größere Sorge den Sonnenuntergang abwarten und dann mit dem letzten Tageslicht zur Hütte zurückkehren - ein tiefgreifendes Erlebnis! Dazu geht's von der Hütte in westlicher Richtung durch den zahmen, vollständig zu überblickenden Latschenhang nach oben, der günstigste Anstieg ergibt sich eigentlich von selbst. Das Holzkreuz (mit Gipfelbuch) am höchsten Punkt steht vor wahrhaft prachtvoller Kulisse.

Am nächsten Morgen lockt das Wagendrischelhorn, sichere Bedingungen vorausgesetzt. Dazu geht's zunächst in südwestlicher Richtung über die Hochfläche und an der Alten Traunsteiner Hütte vorbei, ehe man nach Süden in die Roßgasse einschwenkt. Anfangs steil durch Wald und Latschen, später vor zunehmend felsiger Kulisse aufwärts. Lange folgt man dieser markanten Rinne bergauf, bis die Markierungen diese nach rechts verlassen und hinauf zu einer Verzweigung leiten. Hier rechts weiter und unter dem steilen Gipfelaufbau des Wagendrischelhorns zur Scharte zwischen Wagendrischel- und Großem Häuselhorn queren. Von dort auf dem Westgrat oder etwas unterhalb in der Nordflanke in wenigen Minuten zum ungemein aussichtsreichen Gipfel (Kreuz und Buch), der im Hochwinter mit einer gewissen Exklusivität glänzt. Eindrucksvoll zeigen sich die Berge um Hochkalter, Watzmann und den Hohen Göll, etwas weiter entfernt empfehlen sich die Loferer Steinberge. Über die Chiemgauer Alpen schaut man bis weit in die Ebene und ganz im Westen grüßen hinter dem Kaisergebirge Karwendel und Rofan - was für ein Ausblick! Nicht minder interessant sind aber die benachbarten Berge der Reiteralm mit ihren spektakulären Abstürzen.

Der Rückweg erfolgt auf dem Anstiegsweg. Wer noch etwas Zeit übrig hat, kann auch noch dem nahen Plattelkopf einen Besuch abstatten.

Schwierigkeiten:
Von der Schwarzbachwacht über Wachterlsteig zur Neuen Traunsteiner Hütte: WT3 (teilweise ziemlich steil, kein sonderlich gut geeigneter Winteranstieg; Orientierung bei Schnee schwierig).
Großer Weitschartenkopf von der Neuen Traunsteiner Hütte: WT2 (gutmütige Südostflanke).
Gipfelanstieg zum Wagendrischelhorn: WT4, I (teils recht steil, abschnittsweise latent lawinengefährdet; bei geringer Scheelage kann etwas Kraxelei nötig sein (eine Stelle I); nicht ganz einfach zu finden; nur bei guten Bedingungen zu empfehlen).

Fazit:
Eine fantastische 5*-Schneeschuhtour, die alles bietet, was das Herz begehrt. Steile Waldanstiege, lange Plateauwanderungen, ein südseitiger Anstieg auf einen zahmen Fast-Zweitausender, sowie die nordseitige Besteigung eines markanten Felsklotzes sorgen für reichhaltige Sinneseindrücke. Der schöne Winterraum der Neuen Traunsteiner Hütte ist alleine schon einen Besuch wert. Der hier vorgestellte Anstiegsweg ist im Winter bei hoher Schneelage nicht sonderlich zu empfehlen, da er nur schwer zu finden ist. Achtung vor Dolinen auf dem Karstplateau!

Mit auf Tour: Uwe.

Kategorien: Berchtesgadener Alpen, Mehrtagestour, Biwak, Sonnenuntergangstour, Schneeschuhtour, 5*-Tour, 2200er, WT4.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (11)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 14. Januar 2014 um 19:13
Mal wieder eine richtig geniale Tour mit tollen Fotos von euch beiden.
Schöner kann man die Berge kaum noch geniessen.

VG Andy

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 01:10
Hallo Andy, vielen Dank! Ja, es war eine richtige Highlight-Tour, genauso, wie man es mag. Und der besondere Vorteil: so hat das alte Jahr einen würdigen Abschluss und zugleich beginnt das neue Jahr großartig. Viele Grüße vom Kochelsee!

Schneemann hat gesagt:
Gesendet am 14. Januar 2014 um 22:37
Herrliche Bilder; gratuliere zu dieser Traumtour. Da möchte man am Liebsten gleich den Ruckack packen...

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 01:12
Hallo Schneemann, ich danke dir! Diese weiten Kalkplateaustöcke haben auch mich voll in ihren Bann gezogen und für Schneeschuhe sind sie wie geschaffen, wenn man auf die Dolinen aufpasst. Viele Grüße!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 10:08
Wiederum eine ***** Foto - Doku zum Träumen....echt klasse, Euere Tour!

VLG!

ADI

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 10:13
Hey ADI, vielen Dank! Wir suchen uns halt immer die Gebiete mit möglichst wenig Schnee, während du immer auf der Suche nach dem besten Pulver bist. Beides ist schön anzuschauen! Viele Grüße zurück!

Nic hat gesagt:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 10:59
Wie immer ne spitzen Tour! Cool.

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Januar 2014 um 11:02
Hey Nic, danke dir! Zur Zeit sind die Bedingungen für Schneeschuhe optimal, da kann man allerhand "angreifen"... Viele Grüße!

Westfale hat gesagt:
Gesendet am 14. Februar 2021 um 20:43
Tolle Tour. Danke für die Beschreibung. Heute nachgelaufen, allerdings ab Oberjettenberg. Meine Uhr hat mir 2800hm für das Wagendrischelhorn und den Großer Weitschartenkopf ab dort angegeben. Oben am Wagendrischelhorn haben wir zwei Steinadler gesehen.

Der Winterraum ist derzeit wegen Corona verschlossen (DAV Schlüssel geht nicht!). Es gibt einzig einen Schutzraum mit 4 Betten. Ohne Heizung. Ohne Decken. Nur für NOTFÄLLE geöffnet.

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Februar 2021 um 17:47
Hallo Westfale, danke für deine Rückmeldung und den wertvollen Hinweis zum Winterraum. Wenn jemand das erst vor Ort feststellt, ist die Überraschung sicherlich sehr unangenehm und unter Umständen auch nicht ungefährlich. Beste Grüße!

Westfale hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Februar 2021 um 12:34
Gruß zurück!


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