66 km talwärts

Heute wollten wir mal wieder unsere Fahrräder bewegen. Die Wetterprognosen waren für die Alpennordseite nicht berauschend und so wagten wir uns durch den Gotthardpass ins Tessin. Gleich nach dem Tunnel empfing uns in Airolo strahlende Sonne. So konnte unser Unterfangen nach Bellinzona zu radeln unter besten Voraussetzungen starten.

Wir folgten der Nord-Süd-Route von Veloland Schweiz. Sie ist durchgehend gut markiert, so dass weitere Orientierungshilfen oder Unterlagen eigentlich unnötig sind. Das Schöne an der Route ist natürlich, dass nur ganz wenige Gegensteigungen zu absolvieren sind, so dass der Tag eigentlich immer im Wechsel von rassigen Abfahrten und beschaulichem Dahingleiten vergeht.

Nachdem ich dieses Jahr bereits einige Male per Bahn im Tessin war und wir früher auch jedes Jahr im Herbst auf dem Weg in die Ferien auf der Autobahn den Gotthard befahren haben, war es diesmal ganz besonders interessant, viele vergessene Flecken zu entdecken, die man von der Bahn oder aus dem Auto nur kurz erblickt oder gar ganz übersieht. Wir genossen die Gelegenheit, so oft und wo wir wollten anzuhalten und uns gewisse Details aus der Nähe anzusehen. Bis Giornico dominieren die Abfahrten, während das Gelände nachher flacher wird und vom Velofahrer mehr Aufwand erfordert. Parallel dazu verändert auch der Ticino seinen Charakter: er mutiert vom wilden Gebirgsbach der sich tosend durch enge Spalten zwängt zum breiten Fluss, der sich in einem breiten Kiesbett dem Lago Maggiore entgegen wälzt. Vorbei an zahlreichen, aus dem Geschichtsunterricht bekannten Orten, die mit blutigen Schlachten der Alten Eidgenossen in Verbindung stehen, fahren wir dem krönenden Abschluss entgegen, der Stadt der drei Schlösser: Bellinzona. Nicht nur der Charakter des Ticino hat sich im Verlauf der 66 Kilometer gewandelt, auch das Klima! So sind wir froh, dass wir in Bellinzona im Schatten einer Gartenwirtschaft durschnaufen und uns bei einem Glas Orangensaft erfrischen können, bevor wir per Lift(!) noch den Schlosshügel des Castello Grande "erklimmen" . So gestärkt können wir dem Kampf um die wenigen Veloplätze im RegioExpress gelassen entgegensehen und fahren mit vielen tollen Erlebnissen im Herzen zurück in die regnerische Zentralschweiz.