Zermatter Breithorn (4164 m) für Anfänger


Publiziert von Fico , 27. Juni 2013 um 23:46.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:23 Juni 2013
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 3:30
Aufstieg: 350 m
Abstieg: 350 m
Strecke:Bergstation Klein Matterhorn-Breithornpass-Breithorn Westgipfel
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Seilbahn Bergstation Klein Matterhorn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Seilbahn Bergstation Klein Matterhorn

„Einfacher 4000er - Zermatter Breithorn 4164 m“ – das tönt verlockend für einen Bergwanderer wie mich, der sich bisher ausschliesslich auf voralpinen Gipfeln  herumgetrieben hat. Doch es kommt noch verlockender: „Für die Besteigung des Breithorns brauchen Sie unter fachkundiger Führung weder Hochtouren-, noch Berg-, noch Steigeisenerfahrung. Der ideale Berg zum Ausprobieren von etwas Neuem!“ Welcher Berg- und Naturfreund könnte einem solchen Angebot widerstehen? Frühzeitig meldete ich mich an, bevor die Tour allenfalls ausgebucht wäre.
 
Erste Zweifel, ob es klappen könnte, kamen mir, als ich anfangs Woche erfuhr, dass sich erst zwei Personen angemeldet hatten. Die Mindestzahl liege bei vier Teilnehmenden, damit die Rechnung auch für den Bergführer aufgeht. Da zudem die Wetterprognosen für das Wochenende eher unsicher waren, ging ich in Gedanken bereits davon aus, dass mein Vorhaben ein Wunschtraum bliebe. Zu meiner Überrschung erhielt ich dann am Mittwochabend eine E-Mail: „Die Tour ‚Einfacher 4000er - Zermatter Breithorn 4164 m ü. M. vom 22./23. Juni 2013’ findet wie geplant statt.“ Nun gab es kein Zurück mehr, mein erster Viertausender rückte in greifbare Nähe.
 
Am Freitagabend packte ich nahezu meine ganze Bergausrüstung: neben Pickel und Steigeisen auch das Klettersteigset. Denn für den ersten Tag stand die Begehung der landschaftlich reizvollen Gornerschlucht auf dem Programm, durch die ein sog. „dynamischer Klettersteig“ führt. Was es damit auf sich hat, steht in diesem Bericht hier.
 
Am Sonntagmorgen stehen wir frühzeitig an der Seilbahnstation, die uns aufs Klein Matterhorn (3883 m) bringen wird. Wir – das sind: Jonas, der Bergführer, Sonja, Raffael und ich. Obgleich die erforderliche Teilnehmerzahl nicht erreicht ist, führt Jonas die Tour durch. Das Wohl des Gastes und das gemeinsame Erlebnis sind ihm wichtiger als das finanzielle Ergebnis. Es ist nicht zum ersten Mal, dass es bei ihm so läuft. Vor ein paar Monaten, im Klettergarten, als der Frühling noch in Verzug war, waren wir sogar nur zu zweit, als er uns in die Seiltechnik einführte. Mal gibt es Touren, die besser gebucht sind, mal schlechter. Am Schluss stimmt es jedoch übers ganze Jahr hinaus.
 
Die lange Fahrt mit der Luftseilbahn ist beeindruckend. Nach etwa einer Stunde steht man staunend mehr als 2000 Höhenmeter weiter oben – in einer andern Welt, über den Wolken, zurück im tiefsten Winter, und das mitten im Sommer. Dieses Bild bietet sich, wenn man von der Bergstation aus den mehrere hundert Meter langen Tunnel durchquert hat und ins Freie tritt.
 
Das Breithornplateau – eine riesige, schneebedeckte Hochebene – überqueren wir am langen Seil. Kaum zu glauben, dass sich darunter ein Gletscher mit heimtückischen Spalten befindet. Nach dem Breithornpass (3814 m), bevor das Gelände ansteigt, ziehen wir die Steigeisen an. Jonas überprüft bei allen Teilnehmenden jeden einzelnen Schuh, ob das Steigeisen wirklich hält und zieht notfalls die Riemchen etwas fester an. Genauso wie er vorher beim Seil jeden Knoten sorgfältig geprüft hat. Nun dasselbe nochmals am kurzen Seil, an dem wir auf den Gipfel steigen. Was auf den ersten Blick pedantisch wirkt, vermittelt zugleich ein Gefühl von enormer Sicherheit. Jegliches Risiko wird minimiert, nichts bleibt dem Zufall überlassen.
 
Bis auf den Gipfel sind es nur knapp 350 Höhenmeter, die zu überwinden sind. Kaum mehr als auf einen steilen Hügel im Mittelland. Doch hier herrschen ganz andere Verhältnisse. Ich keuche, als wäre ich völlig untrainiert, und bin froh, als wir endlich ankommen. Mit dem Wetter haben wir ein Riesenglück: strahlender Sonnenschein und ein stahlblauer Himmel. Von der angekündigten Kaltfront ist hier oben noch nichts zu spüren. Die Wolken sind weit weg, unten im Tal. Verschneite Berggipfel, so weit das Auge reicht. Wir sehen sie aus der Vogelperspektive, wie aus dem Flugzeug. Über den Wolken...
 
Das Glücksgefühl, wenn man – wie ich – zum ersten Mal auf einem solchen Gipfel steht, ist unbeschreiblich. Doch es währt nur kurz. Die andern Seilschaften, die vor uns oben waren, sind bereits auf dem Abstieg. Auf einmal bläst von Norden her ein kräftiger Wind, der sich so eisig anfühlt, als käme er direkt vom Nordpol. Es ist, als wollte die Natur ein Zeichen setzen: „Seid ihr gut hier oben angekommen? Habt ihr genug gesehen? Und jetzt verschwindet und lasst mich allein!“ Wir haben verstanden und machen uns auf den Abstieg. Es sind lediglich ein, zwei Seilschaften, die noch hinauf wollen und die uns kreuzen. Ausserdem ein paar Einzelgänger, die darauf vertrauen, dass das Schicksal es immer gut mit ihnen meint. Sie müssen sich beeilen, denn die Wolken kommen immer näher und verhüllen bald die Berggipfel.
 
Auch wir stehen plötzlich im dichten Nebel, der sich zwar wieder verzieht, aber ebenso rasch erneut auftaucht. Ein Kommen und Gehen der Wolken, die immer dichter werden. Als wir wieder bei der Seilbahn ankommen, bin ich völlig erschöpft. Wohl wusste ich, dass die Luft hier oben dünner ist. Doch dass mir die Höhe dermassen zu schaffen machen würde, hätte ich nicht erwartet. Offenbar hatte ich das Problem unterschätzt. Zum Glück war das Gelände ohne jede Gefahr, als ich auf dem Rückweg über das Breithornplateau am langen Seil benommen hin- und hertorkelte – wie benebelt, auch wenn der Nebel wieder weg war. Ein seltsames, unheimliches Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit.
 
„Einfacher 4000er“ – daran ist nicht zu zweifeln, das Zermatter Breithorn ist ein einfacher Viertausender. Insbesondere im Vergleich zu allen andern Gipfeln, die von dort aus zu sehen sind, und wenn die Seilbahn einen bis knapp unter den Gipfel führt, so dass man nur zwei Stunden lang Höhenluft zu schnuppern braucht, um ihn zu erklimmen. Dennoch bin ich enorm beeindruckt von dieser Gletscherwelt, die ich bisher nur von Bildern her kannte. Sinneseindrücke, die so stark sind, dass ich sie kaum zu verarbeiten vermag. Sie prägen sich tief ein und bleiben unvergesslich.
 
Es ist ein vermutlich einmaliges Erlebnis, zu dem mir eine passende Gelegenheit, die ich gleich beim Schopf gepackt hatte, verholfen hat. Sollte sich eine weitere Gelegenheit bieten, würde ich mir mehr Zeit nehmen. Ein paar Tage vorher anreisen und mich gut akklimatisieren. Es ist aber auch möglich, dass es bei diesem einen Mal bleibt. Ich gehöre nicht zu den Gipfelsammlern, die möglichst hoch hinaus wollen. Was für mich zählt, ist nicht die Höhe des Berges, als vielmehr die Tiefe des Erlebnisses.

Tourengänger: Fico


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Kommentare (4)


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Baldy und Conny hat gesagt: Wir Gratulieren
Gesendet am 28. Juni 2013 um 08:46
zum ersten 4000er.
Gruess Angelo und Conny

Fico hat gesagt: RE:Wir Gratulieren
Gesendet am 28. Juni 2013 um 21:04
Vielen Dank, lieber Baldy, liebe Conny, für Eure Glückwünsche!

Vauacht hat gesagt:
Gesendet am 28. Juni 2013 um 11:26
Auch von mir: Gratulation zum ersten 4000er und Danke fuer den wirklich sehr schoen geschriebenen Bericht.

Fico hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Juni 2013 um 21:05
Auch Dir, lieber Vauacht, herzlichen Dank für die Glückwünsche und Dein Lob!


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