Der Tag des gebrochenen Anschlusses


Publiziert von TomClancy , 12. Januar 2013 um 09:16.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:10 Januar 2013
Ski Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2:00
Aufstieg: 220 m
Abstieg: 220 m

Nach den drei wunderschönen Tagen im Urnerland bleibt noch ein einzelner Ferientag. Der Wetterbericht ist leider nur für's Wallis halbwegs vielversprechend und so mache ich mich ein weiteres Mal auf ins geliebte Simplongebiet.

Der Tag beginnt leider nicht optimal. Bereits in Zofingen fängt sich unser IC eine gehörige Verspätung ein und auf der Neubaustrecke ist es klar, wir werden in Bern den Anschluss nach Brig nicht schaffen. Da das Postauto auf den Simplonpass nur alle zwei Stunden fährt, werden aus zwei Minuten Verspätung in Bern zwei Stunden auf dem Simplonpass. In Bern bin ich kurz versucht, meine Skis vor Enttäuschung durch die Bahnhofshalle zu schmeissen - nach 90 emotionalen Sekunden hab ich mich aber gefangen. Ins Wallis gehe ich sowieso, also werden ich den Tag halt etwas anders geniessen, quasi als Botschafter der Entschleunigung, dem gebrochenen Anschluss folgend, antizyklisch, den Weg als Ziel nehmend. In Bern habe ich nun eine Stunde Gelegenheit, das Kommen und Gehen der Reisenden zu beobachten. In regelmässigen Abständen füllen sich die Perrons mit Zügen, Menschenmassen, drängelnden und hetzenden Menschen, um nur wenige Minuten später wieder kalt, leer und zugig da zu liegen.

Kurz vor Neun kommt der gewünschte Zug und ich steige ein. Im Nebenabteil nimmt ein sportlicher Mann Platz, der mir mit seiner Jacke bereits auf dem Perron aufgefallen ist. Wir kommen schnell ins Gespräch und beim Vergleichen unserer letzten Tourenaktivitäten auf dem Gipfelbuch stellt sich heraus, dass ich Raphael Wellig [http://www.raphaelwellig.ch]  gegenüber sitze, einem bekannten Alpinisten, dessen Art in verschiedenen Medien zu schreiben, (insbesondere im Outdoorblog des Tagi), mir schon oft positiv aufgefallen ist. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihm einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen würde: tja, dass ist doch das Wunderbare an unserem ÖV! Raphael sprudelt nur so von Erlebnissen und Tourentipps: als Wahlberner fällt ihm zu jedem Gipfel vom Niesen bis zur Einfahrt in den Lötschbertunnel eine tolle Skitourenroute, eine schöne Abfahrt oder wenigstens eine Anekdote ein. Ich sauge Tourentipps für mehrere Jahre auf, wobei natürlich die meisten ausserhalb meiner Reichweite liegen werden. Auf jedenfall ist es faszinierend, diesem Topalpinisten gegenüber zu sitzen, der sich ohne irgendwelche Dünkel mit mir über Gott und die Welt unterhält, obwohl es sicher weiss, dass ich mit meinem bescheidenen alpinen Leistungsausweis in einer ganz andern Plauschliga spiele. Raphael - you made my day!

In Brig trennen sich unsere Wege. Raphael fährt nach Fiesch und mir steht der nächste längere Aufenthalt bevor, bis das Postauto Richtung Simplon fährt. Mental gestärkt überstehe ich diese Zeit aber problemlos und schon bald fahre ich, kompetent chauffiert von Herrn Grichting, Richtung Passhöhe. Mein Chauffeur ist etwas skeptisch, mich zu so später Stunde losgehen zu sehen - bei Aussteigen murmelt er mir ein aufmunterndes "Machsch ken Seich!" zu und schon stehe ich draussen auf der rauhen Passhöhe. Das Wetter ist ziemlich garstig, ein steifer Westwind bläst mir ins Gesicht.

Der Rest ist schnell erzählt. Die Anreise hat mich gelehrt, dass heute nichts zu erzwingen ist. So mache ich mich locker via Hopsche auf Richtung Weng. Die kaum vorhandenen Spuren sind pickelhart und die Traverse unter dem Tochuhorn ist nur mit kräftigem Harscheiseneinsatz zu bewältigen. Bei weng ist Schluss. es windet mich beinahe von den Skis und ich entschliesse mich zur Umkehr. Ich nutze die Gelegenheit, das Abfellen unter widrigen Umständen zu trainieren. Wenig später rausche ich über die pistenähnlich abgefahrenen Hänge hinuntern zum Simplonpass. Ein freundlicher Mönch öffnet extra für mich die Bar, wo ich die letzte längere Wartezeit dieses Tages an der Wärme verbringen kann.

Die Rückfahrt verläuft enttäuschend unspektakulär: es hat sogar Sitzplätze im 17000-Uhr-Zug von Bern nach Luzern!

Fazit:
Auf dieser Tour mit einem einmaligen Zugfahr-Skifahr-Verhältnis von 4:1, hat sich wieder einmal bestätigt, dass nicht immer der Gipfel das Highlight des Tages sein muss. Wer mit offenem Geist durch die Schweiz reist,  kann auch abseits der Spur Bereicherndes erleben!

Tourengänger: TomClancy
Communities: Skitouren, ÖV Touren


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Kommentare (1)


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Fenek hat gesagt:
Gesendet am 12. Januar 2013 um 15:58
da hast du das Beste aus diesem Tag gemacht! Dein Bericht gefällt mir.
Wäre beinahe auch auf den Simplon, habe aber genau dem Wind nicht getraut....:-) Sonst wären wir uns begegnet.

Weiterhin schöne Touren!
Fenek



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