Aiguille du Vélan, Couloir Y


Publiziert von danski , 19. November 2012 um 21:44.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Unterwallis
Tour Datum:17 November 2012
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:Bourg St-Bernard - Glacier de Proz - Aig. du Vélan, Couloir Y; Abfahrt auf Aufstiegsroute

"Im Westen nichts Neues" schrieb einst Remarque, für mich jedoch gilt immer noch das Gegenteil. Auf einer friedlichen "Aufklärungsmissionen" skitechnischer Natur haben sich mir viele neue perspektiven im äussersten Südwesten unseres "Abenteuerlandes" eröffnet. Wo ich schon mal den Fuss, bzw. die Skis in diese Ecke der Schweiz gesetzt hatte, wollte ich es wissen. Der Vorschlag meines finnischen Skipartners, eines der Couloirs am Mont Vélan zu versuchen, klang für mich wie eine Verheissung, der ich nicht widerstehen konnte. Auf gen Westen!

Kaum verliessen wir die kilometerlange Lawinenschutzgallerie und bogen in den grosszügigen Parkplatz der mittlerweile stillgelegten Liftanlagen Super St-Bernard ab, offenbarte sich uns ein wenig einladendes Bild. Schnee? Ja, es hat schon, aber ob das reichen würde? Die Stimmung mit den alten, langsam vor sich hin rostenden Liftanlagen inkl. Poma-Tellerlift, der baumlosen Landschaft, untermalt mit dem Pfeifen des Windes erinnerte mich unweigerlich an Szenen in den argentinischen Anden. Ich weiss nicht, ob man unsere mentale Verfassung als zweckoptimistisch bezeichnen konnte, jedenfalls legten wir zügig los. Es fiel kein Wort über Sinn oder Unsinn des Unternehmens, das wir gerade im Stande waren auszuführen. Schnell gewannen wir auf dem alten Lifttrassee an Höhe, als wollten wir vor den Tatsachen fliehen, aber der Schnee vermehrte sich partout nicht. Irgendwie legten wir eine einigermassen vernünftige Spur zwischen all die Steine, bis wir auf ca. 2480m eine markante Runse mangels Schnee zu Fuss überqueren mussten. Kaum auf der anderen Seite erwartete uns Griesschnee auf harter Unterlage. Davon kann jeder mehr oder weniger erfahrene Skialpinist ein Lied singen... Bewusst mieden wir darum von nun an nördliche Expos und nahmen mit hartem Untergrund vorlieb, auf dem man knapp ohne Harscheisen recht vernünftig aufsteigen konnte.

Auf 2700m traf uns die Sonne. Von da an bereuten wir absolut nichts mehr, erst recht als sich weiter im Westen die Grandes Jorasses, Mont Blanc und Co. zeigten. Vor uns breitete sich eine zwar nicht üppig eingeschneite, aber dennoch herrllich winterlich unberührte Landschaft aus. Linkerhand erhob sich die steile Westflanke des Mont Vélan wie eine zerklüftete Wand in den dunkelblauen Himmel. Unzweifelhaft waren die drei Couloirs auszumachen. "Annibal" kam nicht in Frage, da zwei Eispassagen die Befahrbarkeit verunmöglichten. "Central", unser ursprünglicher Plan, wies mangels Schnee am Einstieg ein Felsband auf, aber "Y" schien von unten bis oben durchgängig mit Schnee gefüllt. Also nichts wie hin! Auf gut 3040m mussten die Skis auf den Rucksack, denn ab nun wurde es steil. Ausgerüstet mit 2 Pickeln hofften wir auf eine harte Unterlage, stattdessen brachen wir immer wieder ein. Trotz mangelndem Training für solche "Frühlingstouren" kamen wir ganz gut voran. Unsere Motivation verlieh uns geradezu Flügel! Das Ambiente wurde nun definitiv hochalpin und die Weit- und Tiefblicke immer berauschender. Nach 2 Stunden Plackerei standen wir am nicht gerade geräumigen Ende des Couloirs knapp unterhalb der Aiguille du Vélan. Im Westen beherrscht der Mont Blanc die Aussicht, im Osten ist es das Massiv des Grand Combin.

Der Platz reichte gerade mal knapp, um die Skis an die Füsse zu klicken. Ist die perfekte Harmonie zwischen Ski und Mensch hergestellt, kann es losgehen! Die ersten Meter sind sehr steil und weniger breit als die Skis es sind... Mit dem Pickel in der bergseitigen Hand rutschten wir ab, bevor ein erster Turn unsere volle Konzentration erforderte. Es funktionierte, als hätten wir den ganzen Sommer nur auf diesen einen Moment hin trainiert! Alles andere wäre aber auch überhaupt nicht gut gewesen. Das obere Drittel war "dank" einer brüchigen Kruste recht anspruchsvoll, gleichzeitig wuchs unser Vertrauen mit jedem technisch einwandfreien Turn. So wich unsere Anspannung immer mehr einer grossen Freude, dieses Couloir als Erste befahren zu können. Das fehlende Training machte sich in meinen Beinen nun endgültig bemerkbar. Zum Schluss liessen wir unseren Skis und Emotionen freien Lauf. Doch noch standen uns über 1000HM über fiese "Minenfelder" bevor. Mit hellseherischem Eifer versuchten wir, die beste Linie zwischen den Steinen zu erwischen, doch es liess sich nicht verhindern. Bei P.2816 querten wir in die Hänge von Les Fouereuses. Zeitweise konnten wir die Abfahrt im umgewandelten Pulver wirklich geniessen, doch irgendwann kam bestimmt ein harter Winddeckel oder noch eher ein Stein. Insgesamt kamen wir noch recht glimpflich herunter und als wir den Skilift erreichten, schworen wir uns in vollem Bewusstsein der Konsequenzen, das zu Ende zu fahren, zu was wir am Morgen gestartet waren. Gesagt getan! Wir lachten eine Menge und wir ignorierten darob jedes CHHHHRRRRRRZZZZZZ! - La Fin -

Nach einem nahezu perfekten Powdertag 4 Tage zuvor, wiederspiegelt dieser Tag fast so etwas wie das andere Ende des Spektrums "Skitouren": Variable Schneebedingungen, alpines, exponiertes Gelände, technisches Skifahren und eine Prise Abenteuer. Ich liebe beides und alles was dazwischen liegt!

Tourengänger: danski


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