Bristen mon amour


Publiziert von danski , 2. April 2012 um 22:06.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:31 März 2012
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Ski Schwierigkeit: SS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 2300 m
Strecke:P.809 - Hagglisberg - Bristenstäfeli - Bristen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder ÖV am Vorabend zum P.809 oberhalb Druckleitungen KW Amsteg
Unterkunftmöglichkeiten:Biwak
Kartennummer:Amsteg 1212

Ist er vielleicht insgeheim doch der prominenteste Berg der Schweiz? Bei den Lastwagenfahrern aus allen Ecken Europas auf dem Weg nach Süden bestimmt und auch dem kommunen Autoreisenden stellt er sich unübersehbar in den Weg, als befände sich an ihm eine verkehrstechnische Sackgasse. Ganz zu schweigen von uns Liebhabern grossartiger Skitouren, die es sich schon lange in den Kopf gesetzt haben, einmal an diesem Berg mit Skis zu kratzen. So stand er lange da, als Traumfänger und Katalysator skifahrerischer Sehnsüchte...

Es war wie immer im Kreise engster Skibuddies, als wir uns als nächstes Ziel den Bristen auf unsere Fahnen schrieben. Bereit in jeglicher Hinsicht waren wir jedenfalls, als wir Freitag Abend Richtung Süden aufbrachen, und uns die engen Kurven ins Maderanertal am Fuss des Bristen hochschraubten. Bei St. Anton (nicht Arlberg) gehts rechts von der Bristenstrasse weg und wir folgten der Forststrasse bis zum P.809. Es schien uns, als hätte jemand hier extra für uns Bristen-Aspiranten einen grosszügigen Parkplatz planiert, doch ausser uns hatte hier niemand vor, die Nacht zu verbringen. Dank Autobahn, Eisenbahn und Kraftwerk Amsteg wähnten wir uns in einer Geräuschkulisse, die den Vergleich mit der Zürcher Hardbrücke kaum scheuen muss... Die Aussicht über das nächtliche Reusstal war mindestens so berauschend wie die akustische Untermalung. Etwas ruhiger hätte die Nacht im Schlafsack hinter dem Auto als Schallschutz schon sein dürfen. Da wir 03:30 als zu früh, 04:00 jedoch bereits als zu spät betrachteten, einigten wir uns demokratisch auf einen gut schweizerischen Kompromiss: 03:45.

Die Motivation wollte sich in der Dunkelheit noch nicht so wirklich einstellen und so würgten wir unser vorbereitetes Müesli lustlos runter. Etwas vor halb 5 zogen wir los und gewannen via Hagglisbergwald in der ersten Stunde gute 650HMs. Es lohnt sich übrigens nicht, vor 1480m ans anfellen zu denken. Immer wieder ein gutes Gefühl, wenn sich das Gewicht von den Schultern an die Beine verlagert, zogen wir unterhalb Bristenstäfeli mit Skis los. Doch bald vernahm ich von hinten lautes Fluchen und eine Kaskade mit F***-Wörtern. Was war geschehen? Manus Kipphebel an seiner Dynafit war gebrochen und das toepiece liess sich nicht mehr fixieren, wodurch die Bindung immer wieder auslöste. Versuche mit Duct Tape waren allesamt erfolglos und so mussten wir Manu schweren Herzens zurücklassen. Die vorhandene Spur erlaubte keine Reibung und so legten wir eben eine frische. Trotzdem verlor JJ immer wieder die Harscheisen seines splitboards, was uns weitere Zeit kostete. Mittlerweile entfaltete sich der Morgen spektakulär und die Zuversicht wuchs mit besserem Schnee. Wir folgten übrigens ab dem Bristenstäfeli dem Sommerweg hoch zum Blacki und weiter via Alt Stafel in den markanten Schoss des Bristen. Ab ca. 2150m wurde der Schnee zunehmend pulvrig. Vor uns kämpften bereits 2 Zweiergruppen mit den Tücken des griesigen Triebschnees in der steilen Nordflanke und bald waren wir ihnen dicht auf den Fersen. Bis ca. 2800m liess sich noch vernünftig spuren, doch dann wurde es zu steil und zu mühsam. Da nun vor uns schon eine tiefe Fussspur getreten war, kamen wir recht mühelos voran. An dieser Stelle besten Dank für den guten Job der Noch-früher-Aufgestandenen! Auf rund 2880 erreichten wir den NE-Grat, dem wir immer noch mit aufgebundenen Skis in bestem Trittschnee bis zum Vorgipfel 2946m folgten. Richtig, wir hatten eine wunderschöne Linie ausgehend vom NW-Grat entdeckt, die wir unbedingt vom Vorgipfel fahren wollten. Mit deutlich leichterem Rucksack schafften wir die verbleibenden 130HMs via den wunderbaren Gipfelgrat mit Vergnügen. Die Tiefblicke ins frühlingshafte Reusstal sind etwas vom besten an diesem Berg, abgesehen von der bevorstehenden Abfahrt, aber zuerst genossen wir nach genau 7 Stunden Aufstiegszeit inkl. Pannen das umfassende Panorama. Bei dieser Gelegenheit begutachteten wir auch das Urinelli-Couloir, das uns nicht wirklich zu überzeugen vermochte. Dank der aussergewöhnlich guten Schneelage ist der Gipfelgrat ein zwar exponierter, aber genussreicher Panoramaweg.

Beim Vorgipfel entschieden wir uns für die Variante NW-Grat. Einmal in der Bindung, fühlte sich alles noch vertrauter an und so meisterten wir die sehr ausgesetzte Passage auf Messers Schneide des NW-Grates problemlos. Die erste Einfahrtsoption liess uns lange diskutieren und zweifeln. 50° Neigung garniert mit viel Triebschnee gleich hinter dem Grat, die in ein doppeltes Felsband übergingen, waren uns zu viel Risiko. Die nächste Steilstufe am Grat liess sich exponiert und sehr steil westseitig umfahren. Ein kurzer Fussaufstieg brachte uns abermals auf den Grat, wo das Spielchen von vorne begann. Irgendwann gaben wir uns das GO und ich querte etwas in den immer noch über 45° steilen Hang, worauf sich tatsächlich etwas frischer, oberflächlicher Triebschnee löste. Sonst schien der Schnee jedoch stabil und so wagte ich einen forcierten turn, was die Stabilität bestätigte. Dann nichts wie rein ins Vergnügen! Der gesetzte Powder liess sich perfekt fahren und so schossen wir nach einer kurzen Engstelle mit viel Speed in den Schoss des Bristen. Zugegeben, etwas Nervenkitzel war das schon und wir standen bestimmt unter Adrenalin... ;) Doch nun wo das Gelände weiter und weniger steil wurde, gab es keinen Grund mehr zur Besorgnis. Die Nordhänge bei Alt Stafel tauten um ca. 13:00 erst zaghaft, waren aber trotzdem ganz nett zu fahren. Kurz unterhalb des Bristenstäfeli war es vorbei mit der skifahrerischen Herrlichkeit und 600m Fussabstieg standen an. Aber das störte uns nicht, denn mit dem Schwung und der Euphorie dieses Erlebnisses hätten wir noch so manches schaffen können. In memory of Manu, dem eine defekte Dynafit einen dicken schwarzen Strich über den Bristen gezogen hat...

Fazit
Nach vielen anspruchsvollen Touren war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns am Bristen versuchen würden. Insgesamt weniger konditionell fordernd als erwartet, war dies eine Genusstour der Superlative! Es wird wohl nicht das letzte Mal an diesem fantastischen Berg gewesen sein, schliesslich kann ich Manu nicht alleine gehen lassen... ;)

Tourengänger: danski


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Kommentare (1)


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El Chasqui hat gesagt: wow!
Gesendet am 3. April 2012 um 20:42
eindrückliche Tour, toller Bericht, super Fotos, aber ganz schön verrückt!
Gruss Urs


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