Aiguille d'Argentière

Da wo die Alpen ihren Höhepunkt erreichen, sollten auch unsere Gefühle kulminieren. Wer einmal im Massiv des Königs unterwegs war, der wird der Anziehungskraft dieses unglaublichen Gebirges immer wieder erliegen. Wenn man dann noch steile Abfahrten in hochalpiner Umgebung zu seinen Leidenschaften zählt, dann kann man nicht anders, als hier sein Glück zu suchen.

Die Tour auf die Pointe de la Terrasse oberhalb Vallorcine in Begleitung russischer Skifreunde (Skifahren ist völkerverbindend! ;)) war mehr als bloss ein warm-up für Grösseres und eröffnete uns beste Aussichten auf das Massif du Mont Blanc. Wollten wir am Tag nach diesem lohnenswerten Ausflug zuerst eine Tour mit Hüttenübernachtung planen, sahen wir bald einmal davon ab. Niemand konnte uns zuverlässig Auskunft über den Zustand der Winterräume geben und nach frieren in unseren dünnen Schlafsäcken war uns mangels Heizgelegenheiten bei den eher frostigen Temperaturen nicht zu Mute. Ein Blick in die Führerliteratur zeigte, dass die Aiguille d'Argentière sehr wohl auch in einem Tag angegangen werden kann, allerdings mit dem Vermerk "for fit and strong skiers only...". Na gut, dann sollte dies eben ein Test werden, ob wir uns zu dieser Kategorie zählen dürfen. Als Voraussetzung empfiehlt es sich, die erste Gondel auf die Grands Montets zu nehmen. Diese fährt jeweils 0830 ab Argentiére und 0900 ab Lognan hoch auf die Gr. Montets. Mit einer Handvoll weiterer ernsthaft aussehender Konkurrenz gondelten wir also hoch. Auf vom Wind arg bearbeiteten Hängen des Glacier des Rognons holperten wir hinunter bis zum Glacier d'Argentiére. Dank der guten Schneelage auf dem Gletscher verzichteten wir auf das mitgebrachte Seil und machten uns gleich auf zum Refuge d'Argentière, das man jedoch rechts liegen lässt und gleich hoch ins Tal des Glacier du Milieu abbiegt. Bald montierten wir Harsteisen, was das hochsteigen auf der vom Wind gehärteten Schneedecke sehr erleichterte. Ein Blick zurück zeigte uns, dass wir an diesem Tag die einzigen sein sollten, die sich mit der Aig. d'Argentière auf Tuchfühling begaben. Stetig gewannen wir Höhe und merkten bald, dass wir dem Zeitplan aus dem Führer ein gutes Stück voraus waren. Bis ca. 3650m legten wir Spitzkehre um Spitzkehre in den immer steiler werdenden Gipfelhang. Mit aufgebundenen Skis, Steigeisen und Pickel machten wir uns an die letzten anhaltend 45° steilen 250HM zum Gipfel. Der Schnee war gepresst und recht angenehm zum Aufsteigen, trotzdem bissen wir ganz schön, bis wir schliesslich oben standen. Ohne Skis ging es schliesslich noch wenige Meter auf den höchsten Punkt, der von einer eindrücklichen Wächte gekrönt ist. Mit einer kribbeligen Vorfreude klickten wir nach einer ausgedehnteren Pause in unseren Bindungen. Immer wieder erstaunlich, wie sicher wir uns plötzlich fühlen, sobald wir eins mit unseren Brettern sind. Die Abfahrt war dann auch ein Genuss und eine Freude par excellence! Obwohl der Schnee auf der gesamten Abfahrt stark vom windgeprägt war, konnten wir abgesehen von einigen decklig-eckligen Passagen alles flüssig fahren. Nach insgesamt 3350 Höhenmetern Abfahrt, war das Bier in Argentière mehr als verdient und nötig unseren physischen Durst zu löschen. Psychisch jedoch verursachte diese eindrückliche Tour eher mehr Durst, bzw. Hunger auf weitere Touren rund um Chamonix! Gut, beginnt die eigentliche Saison erst... ;)