Torre Innominata - Via di Mezzo

Etwas im Schatten des berühmten Pizzo Badile steht die Cap. di Sciora, aber auch sie bietet sowohl lange alpine als auch kürzere und besser abgesicherte Kletterei in schönem Bergell-Granit. Schon bei der Anreise durch Bondo kommt man mit diesem Fels je nach Autobreite fast auf Tuchfühlung, so eng winden sich die Gassen nach oben. Da der Rucksack doch gar so schwer ist, berappen wir gerne die Maut am Ende des Ortes, womit wir noch weiter bis nach Laret (1377m) fahren können.

Nun heisst es endgültig Rucksack schultern und wir schleppen Gepäck für die nächsten 6 Tage auf die Hütte (man will doch für alles gerüstet sein). Schon beim Aufstieg hören wir immer wieder Steinlawinen rundherum, manche verursachen derartige Staubwolken, dass man damit wahrscheinlich mehrere Lastwägen füllen könnte. Später hören wir, dass der Weg zur Cap. Sasc Furä momentan wegen Steinschlag gesperrt ist ... mulmige Gedanken steigen einem in den Kopf, wenn man so über die Steinblöcke turnt - die hingen ja auch mal ein paar Meter höher ... Nach 2,5 Stunden Schlepperei ist es geschafft und wir beziehen unser Lager in der kleinen Sciora-Hütte.

Am nächsten Morgen steigen wir mit 3 weiteren Seilschaften zum Torre Innominata, wobei wir zuerst kurz dem Weg Richtung Pass Cacciabella folgen und dann in Falllinie über unendliche Steinblöcke (auch diese hingen mal da oben wird man durch dauerndes Gepolter erinnert) zum kurzen Schneefeld am Fuss des Torre turnt (1-1,5h). Wir müssen die beiden Seilschaften vor uns noch abwarten ehe wir über das relativ rutschige aber nun mit guter Trittspur versehene Schneefeld stapfen. Für den Einstieg in die Via die Mezzo muss man dann direkt am Fels sozusagen in den 'Mini-Bergschrund' abklettern, womit von uns nur mehr der Kopf über den Schnee ragt.

Da wir mittlerweile schon recht lange im Schatten standen, gestaltet sich die erste Seillänge mit den klammen Fingern mühsam, obwohl sie einer genialen Rissspur folgt (gefühlt 5c+, laut Hüttentopo 5b - wohl auch untertrieben). Weiter geht es mehrere Seillängen über schöne Risse und Platten bis zu einer kurzen Stelle Gehgelände. Nach dieser wartet dann ein kniffliger Riss, den unser Vorsteiger schön mit diversen Klemmtechniken löst, ich eher verzweifelnd immer wieder aus dem Riss rutschend. Irgendwann ist dies auch geschafft und es folgt die letzte schwierigere Stelle, eine Platte die A0 (wir kleine Damen greifen zur Trittschlinge) zu lösen war. Mangels gemütlichem Rastplatz seilen wir gleich über die Route wieder ab, wobei sich mit einem 70m Seil viele Seillängen verbinden lassen (alle Stände abseilfähig).

Für den nächsten Tag entscheiden wir uns zu einem Hüttenwechsel und steigen wieder ins Tal ab.

Fazit: schöne Kletterei in recht gut strukturiertem Fels (wenig reine Reibungsstellen) mit tollem Ausblick auf Pizzo Badile, Sciora Dafora und Ago di Sciora mit der Piodakante (sah nach einer lohnenswerten Linie aus).

Wir sind nach dem Topo aus dem Plaisir Ost und dem Hüttentopo geklettert, wobei das Hüttentopo meist zutreffender ist. Einzig die erste Seillänge empfanden wir (eventuell der Kälte wegen) etwas schwieriger und die Schlüsselstelle und nachfolgende A0-Stelle würden wir einen Grad höher bewerten.