Die Freiheit auf den Türmen: Nadlenspitz - Fählenschafberg - Westl. Freiheitturm


Publiziert von marmotta , 20. Juni 2011 um 23:51.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:20 Juni 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:Brülisau - Plattenbödeli - Stifel - Fählensee - Fählenalp - Mörderwegli - Schafberggrat (P. 2094) - Nadlenspitz - Fählenschafberg - Schafbergsattel - Westl. Freiheitturm - Schafbergsattel - Borsthalden - Spitzigstein - Meglisalp - Seealpsee - Wasserauen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Brülisau
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wasserauen
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

Die Gipfel zwischen Altmann und Fählensee sind von eindrücklicher und unvergleichlicher Schönheit und Wildheit. Steil in den Himmel aufragende Schrattenkalktürme prägen die Szenerie, Wanderer verirren sich nur höchst selten dort hinauf und für (Sport-)Kletterer sind die Türme zwischen Löchlibettersattel und Freiheit uninteressant. Inmitten des übervölkerten Alpsteins kann man hier also eintauchen in die Einsamkeit und Ursprünglichkeit des "Schönsten Gebirges der Welt!
 
Fast genau 2 Jahre ist es nun her, dass ich zum ersten Mal auf dem Gipfel des Nadlenspitz (2030 m) stand. Damals erreichten wir die Kammhöhe des Fälenschafbergs auf ziemlich abenteuerlicher Route von Nordwesten her (Meglisalp-Spitzigstein). Zwischenzeitlich kenne ich die "richtige" Borsthaldenroute, die bei optimaler Routenwahl keine nennenswerten Schwierigkeiten bietet. Meines Erachtens ist sie aber eher für den Abstieg als für den Aufstieg geeignet, da die steile Flanke der Borsthalden ziemlich unübersichtlich ist und die Schwierigkeiten (Felsabbrüche etc.) von oben besser eingesehen werden können. Von Osten (Fählenalp) vermittelt das sog. "Mörderwegli" hingegen einen guten Zugang zum Kamm des Fählenschafbergs, von dem sich der Nadlenspitz, der (Fählen-)Schafbergturm und die Freiheittürme erheben. Er wird auch als Zustieg zu den Kletterrouten an den Südwänden von Freiheit, Hundstein und Rot Turm benutzt.
 
Nadlenspitz (T5, I) - Aufstieg via "Mörderwegli"
 
Von der Fählenalp folgt man ein Stück dem Wanderweg Richtung Alp Häderen-Zwinglipass, auf Höhe der markanten Schlucht zwischen Nadlenspitz und dem Vorbau der Freiheit bzw. des Rot Turms steigt man über teils ziemlich verkrautetes Gelände zum Beginn der Schlucht auf. Wegspuren leiten durch die Schlucht, oberhalb der Schlucht wird die Wegspur deutlicher, es scheint, als wäre der "Weg" einst künstlich (von Älplern) angelegt worden, rostige Eisenstangen (den Zaun dazu gibt´s nicht mehr) zeugen noch davon. Die Wegspur leitet nun steil durch das Schrofengelände unterhalb des Rot Turms, welcher dann rechts liegen gelassen wird. Auf einer Höhe von ca. 1800 m könnte auch direkt in die markante, nördlich des Nadlenspitz hinaufziehende Rinne bzw. deren begrenzende Grasrippe gequert werden. Diese vom Fählensee (Bollenwees) aus gut zu erkennende Rinne führt allerdings bis weit in den Sommer hinein Altschnee, was ein Aufstieg darin möglicherweise heikel machen könnte (Pickel empfehlenswert!). Zudem ist die nicht unerhebliche Steinschlaggefahr zu beachten. Ich folgte noch ein Stück dem "Mörderwegli" und verliess die Wegspur auf einer Höhe von ca. 1900 m nach Nordwesten. Nach Überwindung einer Geröllhalde stieg ich nun in einer etwas unangenehm schmierigen Fels-Geröllrinne bis zum Wandabschluss der steilen Schrofenflanke der Freiheittürme auf. Immer der Felswand entlang aufsteigend, erreichte ich so die Grathöhe direkt in der Scharte am Westabsturz des Westl. Freiheitturmes. Von hier den markanten Grathögger (P. 2094) des Schafberggrats in sehr abschüssigem Gras querend hinab zum Vorgipfel des Nadlenspitzes. Diesen Felszacken auf guten Bändern südöstlich umgehend, erreichte ich den Nordwestgrat des Nadlenspitzes, welcher den leichtesten Aufstieg vermittelt. Der anfangs gut gestufte Grasgrat steilt sich immer mehr auf,
die letzten Meter sind sehr exponiert in zwar nicht schwierigem, aber wegen der losen Steine und schmierigen Grastritte ziemlich heiklem Gelände zurückzulegen. Die im Gras verankerten Felsen bzw. Steine nicht auf Zug belasten - hier hält wirklich NICHTS!
 
Auf dem Gipfel baute ich aus den vielen herumliegenden Steinen einen kleinen Steinmann, der nächste Besteiger möge bitte ein Gipfelbuch mit hinauftragen, dieser markante Zahn hätte wahrlich eines verdient!
 
Die Schwierigkeiten des "Mörderweglis" bewegen sich im moderaten Alpinwanderbereich (T4), der Aufstieg auf den Nadlenspitz über den Nordwestgrat ist für den geübten Alpinwanderer ebenfalls unproblematisch, jedoch ist dem losen Gestein vor allem auf den letzten steilen Metern besondere Aufmerksamkeit zu schenken - hier fällt man nur einmal…
 
Fählenschafberg (T4)
 
Vom Nadlenspitz steiler Aufstieg auf die Kammhöhe des Schafbergs und über den Grat bis zum Gipfelaufbau. Querung in der Ostflanke in ziemlich hohem Gras, bis über die steile, aber gut gestufte Grasrippe entlang des Nordostabbruchs zum Gipfelgrat aufgestiegen werden kann. Über den kurzen, aber recht luftigen Grat zum Gipfelsteinmann mit Gipfelbuch (wenige Einträge pro Jahr)
 
Als ich im Gipfelbuch auf dem Fählenschafberg las, dass Maveric letztes Jahr ein neues Gipfelbuch auf dem Westlichen Freiheitturm deponiert hatte, stattete ich diesem -trotz einsetzender Erschöpfung und Ermüdung- doch noch einen Besuch ab, obwohl ich mir diesen schönen Gipfel eigentlich für eine extra Tour hatte aufsparen wollen…
 
Westlicher Freiheitturm (T6, WS, II)
 
Die in der LK lediglich mit den Höhenkoten 2107 und 2110 bezeichneten Freiheittürme dürften zu den am seltensten bestiegenen Alpsteingipfeln zählen. Während der Östliche Freiheitturm "richtigen" Kletterern vorbehalten ist, lässt sich der Westliche und höhere Turm (P. 2110) relativ einfach ersteigen. Die Kletterei ist allerdings äusserst luftig und der Fels stellenweise alles andere als zuverlässig. Kompakte Partien wechseln mit fragilen Blöcken ab, der Kletterer tut also gut daran, auch größere Blöcke genaustens auf deren Festigkeit zu überprüfen, bevor er sich reinhängt. Die von mir begangene Route über die Südwestkante wäre gut mobil abzusichern, Haken stecken keine. Da ich die kurze Kletterei frei und ungesichert anging, war grösste Vorsicht und Konzentration geboten - die Schwierigkeiten übersteigen allerdings nirgends den II. Grad.
 
Wollte man den anfangs grasigen, später felsigen und stellenweise messerscharfen Südwestgrat des Westl. Freiheitturms direkt von der Kammhöhe des Schafberggrats gewinnen, wäre wohl ein ziemliches Engagement erforderlich. Die Kletterei über ca. 10 m führt über eine glattwandige Verschneidung jenseits des IV. Schwierigkeitsgrads (und damit meiner Möglichkeiten). Also bleibt nichts anderes übrig, als einige Meter nach Süden abzusteigen, bis (teilweise auf Steinwildwechsel) die Schrofenzone am Fusse der Freiheittürm-Südwände überwunden und anschliessend über steiles Gras (eher linkshaltend) der Südwestgrat erreicht werden kann. Hier folgt bald die luftigste Passage - einige Meter auf dem brüchigen und zu beiden Seiten in senkrechten Wänden abfallenden Grätchen werden am besten rittlings (oder wie ich in geduckter Haltung, hier wird der Mensch entgegen der Evolution wieder zum Vierbeiner…) überwunden. Den eigentlichen Turm erklettert man am leichtesten etwas rechts der Kante, über einen brüchigen Kamin auf der Westseite erreicht man anschliessend den Gipfelkopf. Ein kurzer, exponierter Grat leitet zum letzten Felsaufschwung. Dieser wird -etwas in die Südwand hinausspreizend- wiederum in Kantennähe erklettert. Die Felsblöcke sind hier (noch) erstaunlich solide…
 
Als ich das schöne Gipfelbuch aus der im Gipfelsteinmann deponierten Gamelle ziehe, staune ich nicht schlecht: Ausser dem edlen Spender (danke vielmals fürs Hinauftragen und Anlegen), befindet sich kein weiterer Eintrag im gähnend leeren Büchlein! Ich signierte sozusagen ein "jungfräuliches" Gipfelbuch - das ist mir auch noch nie "passiert"… :-)
 
Die Besucherfrequenz auf diesem exklusiven Gipfel dürfte sich ohnehin in Grenzen halten. Auf Hikr.org sind bislang zwei Begehungen (hier und hier) dokumentiert.
 
Schön, dass es mit der Besteigung dieses langersehnten Wunschgipfels geklappt hat!
 
Der Abstieg vom Schafberggrat erfolgte über die "Borsthalden-Route". Im obersten Bereich ist der früher einmal markierte, heute jedoch längst verfallene Pfad noch ansatzweise zu erkennen, sogar einzelne Markierungen sind noch zu sehen. Die Routenfindung gelang mir dieses Mal nicht so gut wie letztes Mal: Infolge von Übermüdung und Erschöpfung war ich nicht mehr voll konzentriert und kam im mittleren Abschnitt von der idealen Route ab. In der Folge musste ich sehr steile Grashänge (> 60 °) absteigen und ganz unten sogar eine Felsstufe abklettern, um den Geröllausläufer hinunter zum Spitzigstein zu erreichen.
 
Ausmarsch über die Wanderautobahn via Meglisalp nach Wasserauen.
 
Tour im Alleingang        

Tourengänger: marmotta
Communities: T6, ÖV Touren


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Kommentare (4)


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WoPo1961 hat gesagt: Reeespeeekt!
Gesendet am 21. Juni 2011 um 16:05
Moin Marmotta,
nach diesem Tourenbericht kann ich verstehen, das du doch keine Tour mit uns Flachlandheinis machen willst.Respekt und Glückwunsch zu dieser Tour, da wurd deinen Sohlen ja fast schwindelig bei sooo viel Luft drunter. Vielleicht sieht man sich ja trotzdem zufällig zwischen 30.06 u 09.07. in dieser Gegend, wir würden uns freuen
Grüße aus Flachlandhausen
WoPo und die weltbeste Begleiterin

marmotta hat gesagt: Moooooment...
Gesendet am 22. Juni 2011 um 18:47
...wer sagt denn, dass ich mit Euch keine Tour machen will? Im Gegenteil: Ich freue mich schon seit Monaten darauf, dass Ihr in den Alpstein kommt und würde mich noch viel mehr freuen, Euch auf einer Tour durch´s "Schönste Gebirge der Welt" begleiten zu dürfen!! Werde Dir noch eine PN schicken...

Und was diese Tour anbelangt: Hin und wieder muss sich so ein kleines Murmeltier ja mal austoben. Wobei ich derzeit leider nicht so zwäg bin, wie ich mir das vorstelle.

Gruss aus dem Alpenvorland - auch an die weltbeste Begleiterin!

marmotta

xaendi hat gesagt:
Gesendet am 22. Juni 2011 um 09:37
Grossartige Tour - gratuliere!

Gruss
Alex

marmotta hat gesagt: Danke!
Gesendet am 22. Juni 2011 um 18:50
Ich kann Dir diese Tour bzw. diese wilde und unvergleichliche Ecke des Alpsteins nur wärmstens empfehlen. Du müsstest einfach noch ein paar Gipfel dranhängen... ;-)


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