Engadin Ostern, Ruina Grischa bis Piz Bernina


Publiziert von danski , 27. April 2011 um 15:06.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberengadin
Tour Datum:22 April 2011
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   Corvatsch-Sella-Gruppe   Palü-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 4 Tage

Unter dem Motto "Wachteleier Gourmands Reunion" sollten dieses Jahr die Ostertage wieder im Engadin verbracht werden. Das Interesse hielt sich aber "dank" den sommerlichen Temperaturen und den sehr bescheidenen Schneeverhältnissen in Grenzen. So lag es an mir und nprace die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Nach vier abwechslungsreichen Tagen, gekrönt mit einem grandiosen Finale verwandelten sich die Kohlen in funkelnde Diamanten...

22.04.2011 Munt Pers 3207m Überschreitung, Abfahrt via Ruina Grischa, SS, WS

Als Auftakt wollten wir unsere "Projekt-Liste" etwas kürzen. Der Westhang unter dem Munt Pers versprach beste Frühlingsbedingungen. Auch bekannt unter dem Namen "Ruina Grischa" sollte diese Abfahrt ihrem Namen alle Ehren machen... Der Aufstieg von der Diavolezza zum Munt Pers ist nicht der Rede wert. Die anschliessende Grat-Überschreitung zum P. 3166 lässt alpinistisches feeling aufkommen. Anseilen müsste man hier nicht,  eine gute Übung in Sachen Seilhandhabung war es aber allemal. Um das Seil waren wir dann doch noch froh, mussten wir doch einmal über einen Turm in die griesige Westflanke abseilen. Ab P. 3166 fuhren wir durchaus ausgesetzt, aber über herrlich lockeren Oberflächenreif zur Schulter bei P. 2936. Eine ca. 40° steile Rinne führt von hier in die weiten und perfekt geneigten Hänge der Ruina Grischa. Diese war richtiggehend ruiniert! Auf der ganzen Breite sind gewaltige Lawinen niedergegangen. Der Fahrspass hielt sich in Grenzen, war aber immerhin etwas "technisch". Die östliche Seitenmoräne des Morteratschgletschers war natürlich komplett ausgeapert und instabil. Der einzige Ausweg hiess Wiederaufstieg zu Fuss in nördliche Richtung, bis wir auf letzten Schneeresten und durch dichtes Gebüsch uns endlich zum Talboden durchkämpfen konnten. Mangels Brücke stand einer Barfuss-Durchquerung des Morteratschbaches nichts im Wege... Alles in allem eine Tour der abenteuerlichen Art, die aber bei besseren Verhältnissen, heisst mehr (Nicht-Lawinen-) Schnee, durchaus empfehlenswert sein kann.

23.04.2011 Piz Surlej 3188m, ZS

Das von mehreren Skigipfeln gekrönte Massiv zwischen Val Roseg und St. Moritz stand schon länger auf meiner Wunschliste. Seine Nordhänge konsvervieren den Schnee besonders gut und so sah es denn auch noch am winterlichsten aus. Da aber auch im unteren Bereich der Schnee fehlt, entschieden wir uns, die Corvatschbahn bis Murtèl zu benützen. Dass die Preise für Einzelfahrten von Jahr zu Jahr unverschämter werden, soll nur am Rande erwähnt werden... Nach kurzer Abfahrt über Pisten nach Margun Vegl 2404m lässt man den Pistenrummel hinter sich. Leider war die Luft extrem feucht und schon bald wurden wir von dichtem Nebel umhüllt. Dass wir ausgerechnet an diesem Tag die Karte vergessen hatten, machte die Routenfindung nicht einfacher... Leider blieb uns die Aussicht auf Roseg, Bernina usw. den ganzen Tag über verwehrt. Vom Piz Surlej querten wir zum P. 3185, den wir irrtümlicherweise als Piz San Gian interpretierten. Mittlerweile setzte leichter Schneefall ein und die Sicht verschlechterte sich abermals. Gute Mutes stachen wir in die steile, felsdurchsetzte nord-östliche Mulde zwischen Piz Surlej und San Gian. Die Sicht verweigerte eine Einschätzung des exponierten Geländes. Bald kam die Einsicht, dass wir  uns wohl geirrt haben mussten, was uns zum Ausstieg aus der Flanke bewog. Eine richtige Entscheidung im Nachhinein. Alten Spuren folgend erreichten wir dann doch noch den Piz San Gian. Die verheissungsvolle, nordexponierte Mulde erwies sich als weniger steil und gut als erhofft. Gedeckelter Schwimmschnee wich glücklicherweise bald schönem Firn, der erst beim P.1872 den Krokussen wich. Zu Fuss gings dann zurück nach St. Moritz Bad, wo man zu dieser Zeit schon eher als Exot betrachtet wurde. Naja, nicht eben unsere Welt, aber wir genossen durchaus unsere Exoten-Rolle... ;) Selbst bei diesen unvorteilhafteren Verhältnissen eine Tour, die uns viel Freude bereitete.

25.04.2011 Piz Bernina 4049m, S, WS+

Wer wagt, gewinnt. Oder wenn Wetterprognosen ignoriert werden... Trotz grosser Skepsis sind wir am Sonntag-Abend auf die Diavolezza aufgebrochen, nicht ganz "by fair means" benützten wir doch die Bahn. Die Verpflegung selbst für die Massenlager-Bewohner war bis anhin immer erstklassig, aber was die Küchenmannschaft dieses Mal zauberte, übertraf unsere kühnsten Erwartungen! Während dem zweistündigen, 4-Gang Ostermenu setzte Schneefall ein, der einige Zentimeter brachte. Unsere Tagwache um 03:00 mag auf den ersten Blick übertrieben erscheinen, erwies sich aber als goldrichtig. Doch wie würde das Wetter sein? Klarer Sternenhimmel und die irdischen Dinge verzuckert mit 5cm federleichtem Pow! Das reichhaltige Frühstücksbuffet war deswegen nur bedingt attraktiv. Um 04:00 genossen wir bereits eine Abfahrt, wie ich sie mir nicht erträumte. Early bird powder mutterseelenallein! Angeseilt zogen wir eine Spur über den weiten Persgletscher Richtung Fortezza. Der Halbmond strahlte zu wenig stark, als dass wir auf unsere Stirnlampen verzichten konnten. Unterhalb der Fortezza erwachte der Tag langsam. Wie immer ein Moment von monumentaler Schönheit. Die Querung zum Buuch gestaltete sich problemlos. Momentan herrschen selbst im Buuch optimale Verhältnisse doch die "Löcher" haben schon beeindruckende Dimensionen. Entgegen der Angabe aus dem Führer sind wir bei ca. 3340m nicht in die Gletschermulde oberhalb des Labyrinths gequert. Stattdessen weiter hoch in gebührendem Abstand zu den Abbrüchen der Bellavista bis ca. 3640m. Dann auf guter Spur und kurzer Abfahrt zur Fuorcla Crast' Agüzza. Die wenigen Zentimeter Neuschnee legten die beeindruckende Umgebung in ein winterliches Kleid. Da die Zeit für eine ausgedehntere Pause überfällig war, schauten wir in der Marco e Rosa Hütte für ein Stück Linzertorte vorbei. Was für ein Znüni! In kurzer Zeit erreichen wir das Skidepot auf 3840m am Beginn des Grates zur La Spedla. Die erste Felsstufe wird südseitig umgangen bevor man auf die Nordseite des Grates wechselt. Eine exponierte aber gut getretene Traverse führt nun nordseitig an den Felsen vorbei, bevor man auf ca. 4000m nördlich La Spedla den Grat betritt. Eine kurze Kletterstelle und schon befindet man sich auf dem dieses Jahr eher schneearmen Grat zur Bernina. Ein Vergnügen! Wir waren die zweite von insgesamt drei zeitlich gestaffelten Zweierseilschaften an diesem Tag und so genossen wir die Aussicht und das Traumwetter mit unzähligen harmlosen Quellwolken ungestört. Der Abstieg gestaltete sich problemlos.

Auf die Abfahrt durften wir uns bei diesen Verhältnissen freuen!  Nach einem ersten Vorgeschmack  stiegen wir von der Fuorcla Crast' Agüzza auf der guter Spur Richtung Bellavista wieder bis ca. 3640m hoch. Felle endgültig weg und Skimodus rein! Trotz einiger Spuren fanden wir immer noch viele unverfahrene Flecken bis nach dem Buuch. Eine Abfahrt in traumhafter Kulisse! Wir kratzten noch so manche Kurve bis hinunter auf den Morteratschgletscher. Das Ende nahte abrupt und jedes Jahr ist man erstaunt, wie sehr sich die Gletscherzunge in der Zwischenzeit zurückgezogen hat. Immer wieder auch ein Appel an mein Gewissen, das durch die vielen Ski-Trips doch manchmal etwas strapaziert wird... Der kilometerlange Fussmarsch bis zur Station Morteratsch konnte unsere Freude über diese Super-Tour nicht im geringsten mindern. Bestimmt einer der schönsten "klassischen" Skitouren dieser Saison, und eigentlich der perfekte Saison-Abschluss...

Tourengänger: nprace, danski


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Kommentare (1)


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davski hat gesagt: I like
Gesendet am 28. April 2011 um 19:30
Grandiose Sache und herrliche Bilder, Jungs! Die Kohlen definitiv zum Feuer raus geholt :)


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