Rundumschlag hoch über der jungen Seez (und dem Nebelmeer)


Publiziert von marmotta , 16. Oktober 2010 um 11:35.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:14 Oktober 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-SG   Spitzmeilengruppe 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 1900 m
Strecke:Weisstannen, Oberdorf - Vorsiez - Obersiezsäss - Risetenpass - Fulen - Wissgandstöckli - Fansfurgga - Oxni - Siezfurggla - Schnüerligrat - Rotrüfner - Heuberg - Sprüggler - Obersiezsäss - Vorsiez
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Weisstannen, Oberdorf, vom 09.05. - 17.10 Sa+So wenige Kurse bis Vorsiez
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Weisstannen, Oberdorf

Der Fulen (2415 m) im Grenzkamm GL/SG zwischen Chrauch- und Seeztal ist sicher nicht das, was man gemeinhin als "Modeberg" bezeichnet. Hin und wieder wird der doppelgipflige Berg, der mein Interesse auf dieser Wintertour geweckt hat, in Verbindung mit dem Wissgandstöckli oder anderen Gipfeln in der Bergkette zwischen Spitzmeilen und Foostock überschritten – ein eigenständiges Gipfelziel wird er wohl für die Wenigsten darstellen. Eine hübsche und aussichtsreiche Gratwanderung bietet die Überschreitung des gesamten Gebirgskessels rund um das Hochtal Obersiez, zu dem eine alte Miltärstrasse aus dem Weisstannental hinaufführt. Man bewegt sich grösstenteils in weglosem Gelände, der Aufstieg zum Fulen und der finale Abstieg vom Rotrüfner sind sehr steil und stellenweise sind an einzelnen, exponierten Passagen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gefragt. Insgesamt sind die Schwierigkeiten aber überschaubar und fast überall finden sich Weg- bzw. Tierspuren. Durch die vielen Auf- und Abstiege läppern sich die Höhenmeter auf deutlich über 2000 zusammen, zumindest, wenn man –wie ich- die Tour in cff logo Weisstannen, Oberdorf startet. Mit dem Auto kann bis Vorsiez (1176 m) gefahren werden, was weniger die Höhenmeter, als die Distanz reduziert, die man auf einer wenig erbaulichen Asphaltstrasse zurücklegt. Evtl. kann (mit Bewilligung?) auch bis hinauf zum Obersiess-Säss (1662 m) gefahren werden.
 
Es fing bereits am Morgen "gut" an – und das, bevor die Tour überhaupt begonnen hatte. Durch einen Unterbruch kurz vor Buchs verspätete sich meine Ankunft am Bhf Sargans um satte 10 min, so dass ich bis zur Abfahrt meines Busses ins Weisstannental keine Gelegenheit mehr hatte, die -fest eingeplanten- Einkäufe zu tätigen, um meinen Proviant aufzustocken. Auch die Mitnahme eines Frühstücks wäre nicht schlecht gewesen. Gut, ich hätte natürlich auch den nächsten Bus nehmen können - bei dem über dem Hochnebel zu erwartenden Traumwetter wollte ich aber keine Zeit verlieren und nicht eine geschlagene Stunde am Bahnhof Sargans herumhängen. 2 Powerbar-Riegel, etwas Schoggi und 1,5 l Getränk sollten doch für die "kleine" Gratwanderung auch reichen. Hatte ich doch zuvor während meiner Lektüre im Zug noch gelesen, dass Ueli Steck mit wesentlich weniger Proviant die Eigernordwand hoch "gerannt" ist. Aber vielleicht sollte ich mich nicht grad mit dem vergleichen…;-)
 
Der Abschnitt vom Weisstannental bis zum Beginn des Aufstiegs auf den Fulen verdient kaum eine grossartige Erwähnung bzw. Beschreibung. Dank der (eintönigen) Fahrstrasse hinauf zum Obersiez-Säss (ca. 1,5 h ab Weisstannen, Oberdorf) und der Beschilderung fällt es auch notorischen Wegverfehlern wie mir schwer, hier von der Route abzukommen. Kurz vor Erreichen der Alphütten von Obersiezsäss verliess ich die Fahrstrasse in westliche Richtung, um nach Überquerung des derzeit wenig Wasser führenden Siezbachs schneller zum erlenbewachsenen Nordhang des Augstchamms zu gelangen. Im dichten Nebel wurde hier mein Orientierungssinn ein erstes Mal auf die Probe gestellt. Es ist irgendwie ein beklemmendes Gefühl, wenn man wirklich gar nichts sieht und nicht weiss, wo man eigentlich hinstiefelt. Glücklicherweise kannte ich das Gelände vom Winter und traf bald auf die Schotterstrasse, die weiter oben (auf ca. 1900 m) in einen (markierten) Bergpfad übergeht. Hier durchstach ich auch endlich die zähe Hochnebeldecke, unter der es grau, finster und kalt gewesen war. Mich empfing ein strahlend blauer Himmel, Wärme und eine grandiose Sicht –herrlich!
 
Man kann nun entweder den Markierungen folgen und –die Nordostflanke des Risetenhorens querend- zum Risetenpass aufsteigen. Oder man quert –wie ich- deutlich unter der Kammhöhe die Hänge des Augstchamms, um in nordwestlicher Richtung aufsteigend bzw. auf guten Schafpfaden querend, den Einstieg des Aufstiegs auf den Südgipfel des Fulens unterhalb der Feldeggfurggle zu erreichen. Über sehr steiles, aber recht gut gestuftes Gras gewinnt man schnell Höhe. Ich hielt mich rechts (östlich) und gelangte so -einige Schrofen umgehend oder überkletternd- ohne Schwierigkeiten auf den (nicht kotierten) Südgipfel des Fulen (T5). Vom Südgipfel steigt man einige Meter auf dem Grat nach Norden ab bis zu einem gut sichtbaren, schuttigen Band (s. Foto), über das ostseitig die Scharte zwischen Nord- und Südgipfel des Fulen erreicht wird. Das Band ist gut begehbar, jedoch an einer Stelle etwas abdrängend und kurz auch ziemlich ausgesetzt (T5). Von der Scharte ohne Schwierigkeiten in wenigen Minuten auf den Nordgipfel und höchsten Punkt des Fulen mit kleinem Gipfelsteinmann. Hier kann man zum ersten Mal die herrliche Aussicht geniessen, die einen nun während der gesamten Gratwanderung begleiten wird: Nach Osten ins Sarganserland und darüber hinaus ins Rätikon, nach Süden ins Tamina- und Ringelgebirge, nach Westen in die Glarner Alpen und nach Norden auf das Gebiet rund um den Spitzmeilen und dahinter die Churfirsten und die Alvierkette. Einmal mehr war natürlich auch der Anblick des Nebelmeers und der daraus wie Inseln auftauchenden Gipfel eindrücklich!
 
Der folgende Abschnitt über das Wissgandstöckli (schönes Gipfelbuch), die Fansfurggla und den langgezogenen Bergkamm des Oxni zum Schnüerligrat (2473 m) ist sehr einfach zu begehen - die Schwierigkeiten erreichen max. T3, zudem bewegt man sich zwischen Fansfurggla und der Siezfurggla auf einem markierten Bergweg. Sollte einem die Gratüberschreitung bis zum Rotrüfner zu lang werden, oder andere Gründe einen früheren Abstieg erfordern, so wäre an der Siezfurggla auch ein Notabstieg über die zwar steilen, aber nicht schwierig zu begehenden Grasplanggen westlich des Schnüerligrats hinunter in die Ebene des Siezbachs (und von dort auf Wanderweg zum Obersiezsäss) möglich.
 
Ich verfolgte jedoch –mit nun langsam ziemlich müden Beinen- weiter den Grat, der bei P. 2454 nach Süden zum Schnüerligrat und Rotrüfner abknickt. Vor P. 2415 wählte ich die von 360 hier dokumentierte Linie über das Felsband. Dank gut gestuftem Fels kann man sich problemlos herunterlassen und muss praktisch nicht klettern. Die Felstürme vor P. 2431, die nach Süden senkrecht abbrechen, erfordern dann eine weiträumigere Umgehung auf der Ostseite – schwache Wegspuren wiesen mir hier zum Glück rechtzeitig die richtige Route, so dass ich die Felstürme gar nicht erst besteigen musste (um oben festzustellen, dass es nicht weitergeht).
 
Die noch mit etwas Restschnee "verzierte" Nordflanke des Rotrüfners, dem finalen Gipfel meiner Gratüberschreitung, liess mich von weitem etwas stutzen. Aus der Distanz schien es keinen leichten (bzw. ungefährlichen) Aufstieg zu geben. Das ganze löste sich dann aber glücklicherweise aus der Nähe in Wohlgefallen auf, denn auch hier leiten gute Bänder durch die steile Fels-Schrofen-Wand (T4). Auf dem breiten Gipfel (schönes Gipfelbuch im grossen Steinmann) gönnte ich mir dann einen kleinen Mittagsschlaf, denn nach meiner "Marschtabelle" für den 16.00 Uhr-Bus in Weisstannen hatte ich noch etwas Zeit.
 
Als ich meine Augen wieder aufschlug, löste der Blick Richtung Tal etwas Unbehagen aus: War doch die Nebelgrenze im Laufe der letzten halben Stunde wieder deutlich angestiegen und hatte die Hochebene Obersiez, die zwischenzeitlich einmal sichtbar geworden war, wieder völlig eingenebelt. Mein Plan war eigentlich gewesen, auf dem Südgrat des Rotrüfners (T3) so weit abzusteigen, bis ich das Heuberghüttli (1952 m) und somit einen guten Alpweg erreicht hätte, auf dem ich notfalls auch im dichten Nebel durch das Labyrinth aus Erlengestrüpp, Runsen und Felsabbrüchen nach unten finden würde. Nun war aber bereits das Heuberghüttli und auch der untere Teil des Südgrats vom Nebel verhüllt. Eine Orientierung im weglosen Steilgelände erschien schwierig. Da auch die Zeit knapp war, rückte ich von meinem ursprünglichen Plan ab und probierte über die Westflanke (direkter) ins Tal abzusteigen. Von einer markanten Scharte südlich des Gipfels bot sich zunächst eine steile, schutt- und geröllbeladene Runse für den Abstieg an. Ich freute mich schon auf einen weichen Surf im Steilschutt – als ich auch schon wegrutschte und den Sturz erst einige Meter weiter unten abfangen konnte. Was ich nicht bedacht hatte, war die Tatsache, dass der Schutt in dieser Höhe im Schatten gefroren war und somit überhaupt keinen Halt bot! Glücklicherweise überstand ich den Sturz unbeschadet, jedoch war dies das endgültige Ende einer meiner Wanderstöcke (zum Glück der, welcher ohnehin durch mehrere derartige Missgeschicke auf vorangegangenen Touren vorgeschädigt war).
 
Für den weiteren Abstieg querte ich die sehr steilen Grasplanggen der Schön Plangga über einige tief eingeschnittene Runsen und Wasserläufe hinweg nach Süden, in der Hoffnung irgendwann auf einen Pfad zu treffen. Auf einer Höhe von knapp 2000 m erfasste mich jedoch bereits der Nebel und eine Orientierung anhand des Geländes war nun unmöglich. Anhand der Karte und meiner schwachen Erinnerung, wie die Flanke von der Gegenseite ausgesehen hatte, probierte ich es, vom Heuberg, nördlich der Felsabbrüche des Sprügglers geradewegs nach unten zu kommen. Ich hatte ja kaum eine andere Wahl: im völligen Blindflug weiter in der Flanke des Rotrüfners herumzuirren, war für mich keine Alternative. Also, Augen zu und durch. In meinem Fall hiess das: ein Dschungel aus Erlen, Totholz, Steilstufen und dazwischen viiiiel Matsch. Abstürzen konnte ich nicht, dazu gab´s zu viele Bäume, die da im Weg gestanden wären. Unangenehm war´s trotzdem und so war ich froh, als ich irgendwann den Siezbach rauschen hörte. Auch wenn ich das rettende Bachbett im dichten Nebel noch nicht sehen konnte, wusste ich doch, dass ich es gleich geschafft hatte…
 
Der Rest ist schnell erzählt: Im tristen Nebelgrau eilte ich auf der Fahrstrasse hinunter nach Vorsiez, von wo mich ein netter Älpler mit dem Auto mitnahm und mir so das letzte Stück der eintönigen Strasse bis Weisstannen, Oberdorf ersparte. So hat´s auch noch locker auf den 16.00 Uhr-Bus gelangt, anderenfalls wär´s wohl ein rechter Spurt geworden. 

Tourengänger: marmotta


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