Das mögliche Wiedererwachen der Termen


Publiziert von Henrik , 22. März 2010 um 22:30.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:14 März 2010
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI 
Zeitbedarf: 3:00
Abstieg: 200 m
Strecke:Acquarossa - Dongio - Motta - Malvaglia
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Unterkunftmöglichkeiten:b&b in Marolta
Kartennummer:map.wanderland

....oder wie das Bleniotal den Ortsbus verschwinden lässt!
 
 
....wir sassen am Sonntagmorgen in der lauschigen Küche bei Frau Schiess – auf dem Tisch standen präzise die 3-Minuten-Eier, die Claudia sich wünschte, der lokal hergestellte Käse auf dem Holzbödeli und der Kaffee in der grossen Mehrliterkanne. Von der Kunst  breitete sich eine wohlige Wärme aus – beim Blick aus dem kleinen Küchenfenster gewahrten wir die helle Sonne und das Brot war natürlich selbstgebacken. Der Tisch stand mit einer Breitseite an der Wand, an der sich die Regale unter Bücherlasten bogen...Kräuterbücher, Rezeptbücher in unendlicher Zahl, Heilmittelbücher, Ringhefte mit Zeitungsausschnitten, Giggernillis als Bücherstützen. Auf der Spüle wuchs Kresse, ich fragte nicht nach, es sah aber so aus. Draussen strolchte ein Hirtenhund ums Haus – er gehörte auch zum Inventar. Wir erfuhren viel Wissenswertes, der Titel ist nicht nur vielversprechend, sondern es lauert auch Gefahr im Tal – das Bleniotal könnte an der Finanzierungslatte des ÖV des Bundes scheitern, die Busse der Autolinee Bleniesi bald aufhören zu fahren, denn sie sind meist leer unterwegs!
 
Aufbruch: wir lehnten uns an das Strassengeländer gegenüber dem Haus, nahmen Platz auf der Holzbank davor und als ich alles eingepackt hatte, wanderten wir los. Zuerst hinab ins Tal zur Brenna, die wir auf einer schmalen Brücke querten, vorbei an einer Hundeschule, zehn bellende Hunde angeleint wollten ihren Frauchen und Herrchen nahe sein; wir befanden uns auf dem WW, hier lag bereits kein Schnee und die Wiesen schienen gut gedüngt. Am Campingplatz unterhalb Lottinga parkierten die ersten sonnenhungrigen Campisten – die nahe Kantonsstrasse eine einzige Lärmkulisse der sonntäglichen Kolonnen, die dem Lukmanier entgegen fuhren. Ein kurzes Stück verläuft der WW dieser Strasse entlang. Dort wo früher die Albergo Acquarossa Gäste begrüsste, gelangt der Wanderer auf den orografisch linken Wegteil, ein paar Schritte weiter und man steht vor dem Schild der alten Terme von Acquarossa – siehe dazu im Anhang verschiedene Links dazu. Ein neues Projekt möchte sich des roten Wassers annehmen, wirkt ehrgeizig und hoffentlich ist das nicht ein Spekulantenblase!
 
Wir bleiben auf der alten Verbindungsstrasse bis Dongio, die "Strada vecchio“. Hier ist auch eine kunstvolle Holzbrücke entstanden, die früher als Eisenbahnübergang gedient hatte (lohnt eine nähere Betrachtung). In der Dorfmitte finden wir, es ist Mittag zwischenzeitlich geworden, die Ristorante La Baita, wo wir stehend einen weissen Merlot geniessen – hier ist das mittägliche Stelldichein der Männer aus dem Tal bzw. aus dem Dorf, wir werden aus den Augenwinkeln genauestens beobachtet.
 
Die Strassenseite gewechselt, befinden wir uns etwas später auf der schnurgeraden Strassenzeile nach Motta, die unterbrochen wird von manch individueller Wohnarchitektur wie auch gewerblichen Betrieben (etwas chaotischen Hinterhöfen).
 
Geradewegs halte ich zu auf die Osteria „Tre Vie“, die nun, was könnte uns besser als das passieren, eine Terrasse mit voller Sonneneinstrahlung offeriert: wir nehmen Platz an einem der wenigen Tische und bald stehen zwei üppige gemischte Salate vor uns, dazu erneut ein einheimischer Tropfen, weiss. Die Fleecejacken werden auf die Rucksäcke gelegt, die Hemdärmel nach oben geschlagen – es ist fast schon sommerlich warm. Gleissendes Flirren liegt in der Luft, die umliegenden Kreten sind zum Greifen nah, nach Süden hin winken unbekannte Gipfel.
 
Der Weiterweg folgt dem alten Eisenbahntrassee, die Oberleitungsstolpen sind noch zu sehen, im Rücken drücken zwei Enduros lautstark um Durchleitung. Auf der Höhe der Filovia Malvaglia-Dagro kommt die Frage von Claudia auf, ob wir ggf. am Montag dorthin hinauf aufbrechen wollen – telefonische Abklärungen fördern zu Tage, dass das Ristorante noch zu hat und dass der Ticketverkauf ab Dagro nicht gesichert sei....

Unmittelbar auf der Höhe der Seilbahn ist die Hauptstrasse zu queren, etwas erhöht spaziert man nun durch Rongie, Ortsteil von Malvaglia, und übersieht von hier aus das vorliegende, sich geweitete  Tal mit der Schwemmebene des Brenno, das gegen Lodrino hin einen kleinen Naturpark beherbergt – der weitere WW verläuft am Rand dieses entlang. Malvaglia ist nicht einfach eine kleine Notiz wert: von hier setzt die Seilbahn hinauf an nach Dagro. Dieses ist für viele Ausgangspunkt, um aufs Rheinwaldhorn zu gelangen, über Quarnei. Auch nur schon ein Tagesausflug auf die Alp Prou lohnt sich.  Wer mal bei Meret Bissegger gegessen hat, wird hellhörig – ihr Rückzug aus dem Ponte dei Cavalli in Cavigliano bedeutet eine Neuorientierung: http://www.meretbissegger.ch/ - heute ist sie aus Malvaglia aktiv (übrigens in der Community TuT ist darüber bereits ein Hinweis eingebaut). Die Rebkulturen, die hier errichtet wurden, gehören zu den steilsten Hängen im Tessin! Im historische Lexikon der Schweiz http://hls-dhs-dss.ch/index.php erfährt der geneigte Leser Kulturrelevantes zu Malvaglia – insbesondere auch über die Kirche von San Martino, dessen Campanile der höchste romanischen Ursprungs ist. Erst bei einer nachträglichen Internetrecherche bin ich auf diese Seite gestossen: http://www.malvaglia.ch/9-DAGRO-Deutsch.pdf - man nehme sich Zeit, sie zu lesen....wer hätte wohl je an einen Zusammenhang des Tessins mit Babylon gedacht! Wer im Taucheranzug gerne planscht und sich in tiefblaue wassergefüllte Kessel fallen lassen will – im Orino soll dies möglich sein.
 
Statt weitere Stätten zu erkunden, zog es uns dann an diesem warmen Sonntagnachmittag noch hinauf nach Olivone – ich hatte einen Tipp von Zaza noch in den Ohren, in der Osteria Centrale sei man auch am Tisch sehr gut aufgehoben! Eine Blechlawine ergoss sich zurück nach Biasca – etwas zu früh, erkundeten wir das Dorf am Fusse des Sosto, der auch Sitz von Mythen sein soll – Il Sosto è il massiccio sim-bolo della Valle di Blenio, alto 2220.06 metri: http://www.seshat.ch/home/homepage.htm. Olivone ist Start- und Endpunkt bei einer Greina-Überquerung, Einstiegsort  auf die Adula und die gigantische Arena um den Lukmanier.
Nebst hervorragendem Speisen in der kleinen Stube in der Osteria Centrale ist uns das am Eingang errichtet „Fumoir“ aufgefallen – ich kann die Empfehlung von Zaza weiterleiten. Um 19 Uhr nahmen wir dann den Bus nach Grumo und wanderten in der Dämmerung nach Marolta hinüber, um einen teuren und unzuverlässigen Taxidienst nicht in Anspruch nehmen zu müssen – 40 Minuten Fussweg bedeutete das: der Lohn, ein Firmament in einer Klarheit, wie es die Agglos nicht mehr bieten können....

Tourengänger: Henrik
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Kommentare (2)


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WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 23. März 2010 um 20:26
Schöner Bericht! Der macht Lust auf Frühling und Sommer, draußen sitzen und natürlich in der Natur wandern. Werde mir morgen einen Merlot kaufen und auf dem Balkon genießen. Sage noch jemand, hikr-Berichte beeinflussen nicht! Lieben Gruß, freu mich schon auf weitere Berichte von dir

goppa hat gesagt: RE: find ich auch ...
Gesendet am 28. März 2010 um 03:39
Henrik ist ein Poet! Er schreibt, und es klingt, als würde man ihm zuhören.
Da krieg ich richtig Sehnsucht nach dem sonnigen Tessin,
Toni


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