Kamm up! - Schneeschuh-Materialtest in den Maienfelder Alpen


Publiziert von marmotta , 16. Dezember 2009 um 21:32.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Prättigau
Tour Datum:16 Dezember 2009
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT2 - Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1620 m
Abstieg: 1620 m
Strecke:Maienfeld - Jenins - Bärenhag - Vorderalp - Kamm (P. 2123) und retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Maienfeld
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Maienfeld
Kartennummer:LK 1156 Schesaplana (1:25.000)

Der "Kamm" ist eigentlich kein eigenständiger Gipfel, sondern bezeichnet einen ganzen Höhenzug in den Maienfelder Alpen, den man überquert, wenn man von der Jeninser Alp auf der Alpstrasse zur Fläscher Alp läuft. Landläufig wird auch der Sattel (P. 2030), über den die Alpstrasse führt, als Kamm bezeichnet. Folgt man von diesem Sattel dem Grat in östliche Richtung, gelangt man zum höchsten Punkt (P. 2123), den ich mal als "Kamm-Gipfel" bezeichne. Alpinistisch unbedeutend, da weder die Besteigung besonders anspruchsvoll noch die Aussicht aufgrund der umgebenden höheren Gipfel (Glegghorn, Vilan, Falknis, Grauspitzen) besonders überragend ist.

Wenn der Postmann zweimal klingelt... dann kann es sein, dass man ein Paket engegennimmt, in dem sich neue Schneeschuhe befinden, die man sich schon vor Weihnachten selbst geschenkt hat. :-) Beim Auspacken war ich etwas enttäuscht, dass die als "speziell für alpines und schwieriges Gelände geeignet" angepriesenen Schneeschuhe (Inook OX1) nicht einmal seitliche Harscheisen hatten und sie damit für Hangquerungen bei verharschtem Schnee ungeeignet machen (überraschend lag dem Produkt auch ein Zettel bei mit dem Warnhinweis: "Vom Gebrauch in steilem/abschüssigem und vereisten Gelände wird dringend abgeraten!"). Dennoch brannte ich darauf, sie bei nächster Gelegenheit zu testen. Nachdem ich dann diese Woche ein paar Webcam-Bilder aus den Bergen mit stahlblauem Himmel und gleissendem Sonnenschein über unberührten Pulverschneehängen zu Gesicht bekam, während man im Flachland unter einer Hochnebelglocke vor sich hindämmert, die einen ganztags zur Einschaltung elektrischer Beleuchtung zwingt, gab es kein Halten mehr: Der letzte Ferientag für dieses Jahr wurde verbraten, und ein Ziel war auch  schnell gefunden. Die Maienfelder Alpen sind nicht nur im Winter sehr einsam und besinnlich, sondern bieten auch -für eine Schneeschuh-Testtour ideal- einfache Routen auf sanft ansteigenden Alpstrassen, deren Trasse auch im Winter nicht verfehlt werden kann und die dennoch -und das war an diesem Tag gaaanz wichtig- auf aussichtsreiche Höhen führen, wo man garantiert über der Hochnebeldecke sein würde, deren Obergrenze für den heutigen Tag auf stolzen 1900 m liegen sollte.

Gestartet bin ich -wie immer, wenn ich im Winter in die Maienfelder Alpen aufbreche- in Maienfeld (völlig überraschend...). Nicht optimal, da erst 3 km auf öden Fahrstrassen nach Jenins zurückgelegt werden müssen, aber für mich wegen unpassender öV-Verbindungen nach Jenins nicht anders machbar.

Die Route muss nicht näher erläutert werden. Man folge einfach der ausgeschilderten Alpstrasse, die am oberen Dorfrand von Jenins an einem kleinen E-Werk bzw. der alten Mühle beginnt. Bis 1100 m hatte es praktisch gar keinen Schnee (wenn man mal von dem Hauch absieht, der durch einige aus dem Hochnebel herabschwebenden Flocken gebildet wurde), ab 1400 m war die Schneedecke dann so dick, dass ich beschloss, die Schneeschuhe zu montieren - endlich (ich konnte es kaum erwarten)! Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass ich eine geschlagene Viertelstunde mit einem meiner Skistöcke zu kämpfen hatte, dessen unteres Segment sich weigerte, von mir herausgezogen zu werden (verklemmt oder eingefroren?). Als ich dann schlussendlich nach ca. einer halben Stunde doch alles parat hatte, spürte ich meine Finger nicht mehr...

Der Hochnebel war zwar nicht dicht (die Sicht war o.k.), jedoch deckte er auch noch auf einer Höhe von 1900 m die Sonne komplett ab, so dass ich zwar zum x-ten Male (und doch immer wieder wunderschön) ein Wintermärchen erlebte, aber mehr und mehr unter der arktischen Kälte zu leiden begann (geschätzte Aussentemperatur auf 2000 m zu dieser Zeit - 13 ° C). So ähnlich müssen sich wohl Arved Fuchs und Reinhold Messner gefühlt haben, als sie 1989 durch die Antarktis zum Südpol marschiert sind, schoss es mir durch den Kopf.

Irgendwann erreichte ich dann (auf mittlerweile fast 2000 m) doch einmal die ersten Sonnenstrahlen, die mich zwar körperlich kaum zu wärmen vermochten, jedoch mein Gemüt in ein absolutes Hoch versetzten. Jeder kennt das Gefühl, wenn man stundenlang durch eisigkalten Hochnebel gestapft ist, verschiedene Körperpartien taub vor Kälte, und dann die Sonne erreicht, seine Spur fortan unter stahlblauem Himmel durch unberührten, glitzernden Pulverschnee zieht. Einfach herrlich!

Auf dem Sattel (P. 2030) des Kamms angekommen, genoss ich den Blick über ein Hochnebelmeer ins Rätikon, wo nur die höchsten Bergspitzen wie Nunataks aus dem Gletschereis herausschauten. Es blies ein ungemütlicher, eisiger Wind und der Blick auf den sich steil nach Osten schwingenden scharfen Schneegrat des Kamms liess mich doch ein wenig zweifeln, ob ich eine Begehung des Grats zum höchsten Punkt wagen soll. Es ging dann ganz gut - ich folgte einigen Tierspuren (Steinwild), die seltsamerweise alle zum Grat und auf den Gipfel führten, während das übrige Gelände vollkommen jungfräulich und ohne eine einzige Spur geblieben war. Was zum Teufel treibt diese Tiere an, den Weg über den Grat zu wählen? Hm, vermutlich ist es derzeit der einzige bzw. schnellste Zugang zu den waldreichen Gebieten der Alpnova weiter östlich - und auch die Steinböcke bzw. Gemsen wollen wohl lieber über dem Nebel sein (allein schon, um sich zu orientieren)...

Mein kurzer Aufenthalt auf dem nach Süden stark überwächteten Gipfel war kein besonderer Genuss. Bei einem Windchill von ca. -20 ° C wurden entblösste Körperteile augenblicklich gefühllos (so eine Gesichtsmaske ist schon was Feines...). Gerne hätte ich noch ein paar Fotos mehr von oben geschossen, doch dann hätten meine Finger vermutlich so ausgesehen wie die Zehen manches Everest-Heimkehrers..:-(

Der Abstieg nach Jenins bzw. Maienfeld erfolgte auf dem Aufstiegsweg. Am frühen Nachmittag löste sich die Hochnebeldecke zumindest über dem Churer Rheintal auf, während sich die Nebelbänke an Vilan und Falknismassiv hartnäckig hielten. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, über das Fläschertal und die Alpen Stürfis und Canis nach Seewis abzusteigen, doch als ich den komplett geschlossenen Hochnebeldeckel über dem Fläscher Tal sah, nahm ich Abstand von diesem Vorhaben.

Mit meinen neuen Schneeschuhen bin ich sehr zufrieden (vor allem sehr gute, passgenau einstellbare Bindung mit Bindungsplatte), man läuft wie auf Schienen. Allerdings waren die Verhältnisse auch perfekt und stellten keine Ansprüche an das Material: 30-40 cm lockerer Pulverschnee auf harter Unterlage - besser könnte es kaum sein!

SLF: mässig  - die Querung des sonnenexponierten, steilen Südhangs unterhalb des Kamms ist mit Vorsicht zu geniessen und sollte möglichst nicht mehr am späteren Nachmittag erfolgen. Fast immer sehe ich hier Nassschneerutsche, die teilweise bis auf den Grund durchreissen. Einzelne Spannungsrisse konnte ich auch heute sehen, die Hänge haben sich also noch nicht vollständig entladen bzw. der Schnee sich noch nicht überall gesetzt! Der Aufstieg auf den Gipfel des Kamms über den Westgrat sollte nur bei sicheren Verhältnissen durchgeführt werden - die mit Triebschnee gefüllte, steile Nordflanke ist mit Vorsicht zu geniessen.    

   

Tourengänger: marmotta
Communities: Schneeschuhtouren


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