Vesuvio - Vesuv


Publiziert von Nik Brückner , 21. März 2024 um 17:31.

Region: Welt » Italien » Kampanien
Tour Datum:17 Juli 1990
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2:00
Aufstieg: 350 m
Abstieg: 350 m
Strecke:4,5 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der SP140 hinauf zu den Parkplätzen am Vesuv.
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal. Aber besser nicht zu lang.

"Wir versuchten noch ein paar Dutzend Schritte, aber der Boden ward immer glühender; sonneverfinsternd und erstickend wirbelte ein unüberwindlicher Qualm. Der vorausgegangene Führer kehrte bald um, ergriff mich, und wir entwanden uns diesem Höllenbrudel."

Das schrieb Johann Wolfgang Goethe über eine seiner Vesuvbesteigungen im März 1787. Yep, eine seiner, der Mann war mehrfach dort oben. Einer von uns offenbar, ein richtiger Hikr. Dabei kam er offenbar in die ungemütliche Nähe eines Lavastroms, wie der Text bezeugt. Auf seiner Italienischen Reise hatte er die Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum besucht, und war dadurch neugierig geworden.


Auch wir waren neugierig! 1990.... Das war unsere Abifahrt! Unter anderem auf dem Programm: der Vesuv, ganz wie in Kästners "Das fliegende Klassenzimmer". Allerdings flogen wir nicht, wir fuhren mit dem Bus, und zwar von Sorrent hinauf, so weit wie möglich.

Ich weiß, ich weiß. Aber lasst Kinder mal in der italienischen Hitze einen 1281 Meter hohen Berg besteigen. Merkter selbst. Aber immerhin musst wir die letzten 350 Höhenmeter zu Fuß überwinden.

Früher ging das aber gar nicht anders, Goethe zum Beispiel musste da zu Fuß rauf. Schon seit dem Beginn der Frühen Neuzeit ist der Vesuv - auch - ein touristisches Reiseziel. Der früheste Reisebericht stammt von dem spanischen Offizier und Naturforscher Gonzalo Fernández de Oviedo, der den Berg 1501 besuchte. Breiteres Interesse erfuhr der Vulkan dann aber erst nach einem Ausbruch im Jahr 1631.


Wir fuhren also mit dem Bus, statt zu laufen. Bis zur Piazzale di Quota 1000 (970 m). Dann gings hinauf zum Parcheggio Parco Nazionale (1000 m). Wie gesagt, die restlichen 350 Höhenmeter zum Gipfel muss man zu Fuß zurücklegen. Ehrlich gesagt hätten wir auch die Seilbahn genommen - wenn es eine gegeben hätte.

Gab es tatsächlich mal. Ab 1880 konnten Vesuvtouristen mit der Standseilbahn "Funicolare vesuviana" bis fast zum Gipfel hinauf fahren. Anlässlich der Einweihung der Seilbahn wurde sogar ein Lied komponiert - und es würde mich wundern, wenn nicht viele von euch es kennten: "Funiculì, Funiculà" von Peppino Turco (Text) und Luigi Denza (Melodie). Während das Lied heute weltbekannt ist, gibt es die Standseilbahn nicht mehr. Leider. Heutzutage erreicht man den Krater vom Ende einer Autostraße auf 1017 Metern über einen Fußweg.


Und auf dem mühten wir uns nun empor. Ja, das ist nur T2, aber mühsam ist es trotzdem. Man läuft nämlich auf einem Zeug, das Lapilli heißt, runde Körner, die aus Lavafetzen, Schlacken, Resten alter Schlotfüllungen oder Xenolithen bestehen, und einem unter den Fußsohlen herumrollen.

"Funiculì, Funiculà" ....


Wir hatten einen Führer dabei. Nein, kein Bergführer, einen Vulkanführer. Armando. Ein liebenswürdiges Schlitzohr, der sich für immer in unser Gedächtnis eingeschrieben hat. Sein Satz "Lava komme auf Seite rause" wurde zum geflügelten Wort.

Und er hatte recht, Lava spritzt nicht oben aus dem Krater raus. Der Vesuvs löst sogenannte plinianische Eruptionen aus, benannt nach Plinius den Jüngeren, einem römische Senator. Als junger Mann war er Augenzeuge des berühmten Großausbruchs im Jahr 79 n. Chr. geworden, bei dem die Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis verschüttet wurden. Jahre später schilderte er die Naturkatastrophe dann in zwei Briefen an den Historiker Tacitus. Die Pompeji-Eruption ist damit die erste durch Augenzeugen dokumentierte Naturkatastrophe. Vulkanologen benutzen seinen Namen zur Klassifizierung bestimmter Eruptionsformen. Typische Merkmale sind explosive Ausbrüche mit einer kilometerhohen Eruptionssäule und der schnelle Ausstoß großer Mengen vulkanischen Materials. Darüber hinaus sind die großen Vesuv-Ausbrüche von pyroklastischen Strömen begleitet, das geschieht, wenn Gesteinsbrocken und Magma zu besonders feiner Asche zerrissen werden und sie zusammen mit austretenden Gasen mit bis zu 700 km/h den Hang hinab gleiten. Rasen. Und Lava kommt auf der Seite raus.

 
Wir mühten uns also den unter uns rollenden und kullernden Weg hinauf an den Kraterrand, der sich ganz plötzlich vor aus auftat. Natürlich hatten wir mehr erwartet, einen Höllenschlund, gefüllt mit glühender Lava, giftige Dämpfe, rauchende Schlote, aber dieser Krater mit seinem Durchmesser von 450 Metern und einer Tiefe von 300 Metern war schon sehr beeindruckend.

Der Vesuv ist ein aktiver Vulkan, das heißt aber nicht, dass es darin immer brodelt, so wir Goethe das erlebt hat. Der Vesuv war nach seinem berühmtesten Ausbruch 79 n. Chr. bis zum späten Mittelalter aktiv. Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert brach er dann rund 20 weitere Male aus. Darunter waren acht größere Eruptionen, die bisher letzte 1944. Seitdem ist der Vulkan ruhig, hier und da treten Fumarolen aus und leichte Beben werden gemessen. Der Vulkan ist aber nicht erloschen und bleibt weiterhin gefährlich.


Also los! Das hier ist - auch - ein Berg, also rauf zum höchsten Punkt. Der befindet sich an der Nordostseite des Kraters.

Der markante Bergkegel, der heute von uns Laien für den Vesuv gehalten wird, ist eindrucksvolle 1281 Meter hoch. Vor allem von Meereshöhe aus gesehen, in voller Höhe, ist das ziemlich beeindruckend. Der heute so bekannte Kegel besteht aber nur aus den Resten eines bis zu dem Ausbruch 79 n. Chr. mit schätzungsweise 2000 Metern knapp doppelt so hohen Vulkanbergs. Dessen obere Hälfte ist damals zu einer Caldera eingestürzt, jener ringförmigen Bergkette, die auf der Nordseite des heutigen Kegels noch zu sehen ist. Der bei diesem Ausbruch neu gebildete Kegel befindet sich in der Mitte dieses Einsturzbeckens, der der sichtbare Teil des "eigentlichen" Vesuvs ist.
 
Die Caldera hat heute einen Durchmesser von etwa vier Kilometern. Der ringförmige Graben um den Kegel, der heute den Namen "Valle del Gigante" trägt, ist dabei inzwischen fast vollständig mit den Produkten nachfolgender Ausbrüche gefüllt. Nur der nordöstliche Teil des ursprünglichen Kraterrandes ist noch als sichelförmiger Wall ("Monte Somma") sichtbar. Er überragt hier den Boden des Einsturzbeckens um 200 Meter und erreicht an der Punta Nasone seine maximale Höhe von immerhin auch noch einmal 1132 Metern.

Das sind aber nur die sichtbaren Teile des Vesuvs. Wichtiger als das, was man sieht, ist, das, was darunter schlummert. Eine riesige Magmakammer, in etwa fünfeinhalb Kilometern Tiefe. Ihr Volumen beträgt ca. 50 Kubikilometer, ihr Durchmesser wird auf etwa sechs Kilometer geschätzt. Das ist der eigentliche Vesuv.


Wir standen inzwischen auf dem höchsten Punkt dieses schlafenden Monsters, auf dem Gipfel des Vesuvs (1281 m), 300 Meter über dem Kratergrund und 450 Meter über dem Valle del Gigante. Und, ja, genossen die Aussicht. Der Vesuv ist ein großartiger Aussichtsberg.

Im Südwesten: das Meer! Mit Capri im Südwesten und Ischia im Westen. Im Tal erstreckt sich ein Moloch namens Neapel. Aber es sind auch Berge zu sehen, teils deutlich höhere sogar. Im Nordwesten zum Beispiel der 1533 Meter Hohe Monte Petrella. Im Norden zeigen sich der Monte Miletto, im Nordosten der Monte Taburno und die lange Kette vom Tuppo Alto bis zum Monte Vallatrone. Im Osten dann der Achtzehnhunderter Monte Terminio. Weiter Richtung Süden fällt der Monte della Nuda ins Auge. Die Runde schließt mit dem Monte Sant'Angelo a Tre Pizzi, schon wieder nah bei der Küste.


Als nächstes stiegen wir hinunter zur Capannuccia (1166 m), einer kleinen Bude am südlichen Kraterrand, wo man Snacks, Getränke und Souvenirs kaufen kann - zu Tourtistenpreisen natürlich. Schließlich machten wir uns an den Abstieg, auf dem wir mehr über die Geschichte des Vesuvs erfuhren. Schließlich standen Pompeji und Herculaneum auch noch auf dem Programm.

Die Aktivitäten des Vesuvs begannen vor mindestens 400.000 Jahren, seither kommt es immer wieder zu diesen plinianischen Eruptionen. So etwa vor ca. 18.300 Jahren, als eine 20 Kilometer hohe Eruptionssäule aus dem Berg schoss. Die pyroklastischen Ablagerungen dieses Ausbruchs erreichen noch heute in einer Entfernung von zehn Kilometern eine Mächtigkeit von sechseinhalb Metern.

Oder eine Eruption vor 3790 Jahren, deren pyroklastische Ströme noch heute in 15 Kilometern Entfernung nachweisbar sind. In unmittelbarer Umgebung des Vesuvs betrug die Dicke der Ascheschicht mehrere Meter, und noch in etwa 35 Kilometern Entfernung, im Gebiet von Avellino, ist diese Schicht einen halben Meter dick. Dieser Ausbruch war auch der erste, dessen Auswirkungen auf die in der Umgebung lebenden Menschen nachweisbar sind. Unter der Aschedecke konnte man unter anderem ein kleines Dorfes freilegen. Dort fanden sich Reste von Gebrauchsgegenständen sowie Skelette von Haus- und Nutztieren. Weil dieses Dorf während des Ausbruchs überstürzt verlassen und unmittelbar darauf verschüttet wurde, befindet es sich in einem recht einmaligen Erhaltungszustand. Es ermöglicht einen tiefen Einblick in den Alltag der damals dort lebenden Bauern. Bei Bauarbeiten wurden zudem Tausende Fußspuren entdeckt. Analysen beweisen, dass sie von bronzezeitlichen Bewohnern stammen, die vor der Eruption flohen.

Der bekannteste Ausbruch des Vesuvs war aber sicherlich jener, bei dem Pompeji, Herculaneum, Oplontis sowie das rund zwölf Kilometer entfernte Stabiae zerstört und begraben wurden. Laut Plinius dem Jüngeren geschah das am 24. August 79 n. Chr. Das Datum stammt aus einem viele Jahre später an Tacitus geschriebenen Brief. Er beschreibt darin den Tod seines Onkels Plinius des Älteren sowie zahlreiche Einzelheiten der Naturkatastrophe: Erdstöße, den Aufstieg der Eruptionssäule, den Niederschlag von Asche und Bimssteinen und den Rückzug des Meeresspiegels. Funde von Herbstfrüchten wie Granatäpfeln, Kastanien, Nüssen und Oliven legen allerdings nahe, dass Plinius von seinem Erinnerungsvermögen im Stich gelassen wurde. Demnach müsste die Eruption im Oktober stattgefunden haben. Auch der Geschichtsschreiber Cassius Dio datierte den Ausbruch in seiner "Römischen Geschichte" auf einen Zeitpunkt "ganz am Ende des Sommers".

Was war damals passiert? Nun, ein Pfropfen hatte über lange Zeit den Schlot des Vulkans verstopft. Dieser Pfropfen wurde durch ein Erdbeben gelockert. Gegen 13 Uhr nachmittags wurde Innendruck dann so hoch, dass er schlagartig herausgeschleudert wurde. Dadurch wurde die Spitze des damals über 2000 Meter hohen Berges weggesprengt.

Während der nächsten Stunden stieg eine Säule aus heißem Wasserdampf, Kohlenstoff und vulkanischem Auswurf auf, die nach und nach eine Höhe von 30 Kilometern erreichen sollte. 800 °C heiße Magma bewegte sich mit Überschallgeschwindigkeit nach oben. Vulkanasche, Bimssteinen und Lapilli kamen aus der Magmakammer geschossen, aber auch Dolomite – der Vulkan räumte seinen Schlot bis in eine Tiefe von mehreren Kilometern gründlich leer. Danach blies ein Gasstrahl das zerriebene Gestein der Schlotwände bis in die Stratosphäre. Der Wind trug leichteren Auswurf nach Südosten, Richtung Pompeji, Oplontis und Stabiae, die schließlich unter Asche und Bimssteinen begraben wurden. Dazu schlugen schwerere Trümmer mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h auf dem Boden auf. Nach nur einer Stunde muss der Himmel verdüstert und die Sicht stark eingeschränkt gewesen sein.

Etwa fünf Stunden nach dem Beginn des Ausbruchs brach der leere Schlot mehrfach ein, nur um gleich wieder durch heftige Explosionen freigeräumt zu werden. Gegen Mitternacht, 12 Stunden nach dem Beginn, erreichte die erste Ausbruchsphase dann ihren Höhepunkt.  Danach begann die Eruptionssäule zusammenzubrechen. Der erste pyroklastische Strom wälzte über Herculaneum hinweg und tötete Menschen, die am Strand in Bootshäusern Schutz gesucht hatten.


Am Morgen des darauffolgenden Tages endete die zweite Eruptionsphase mit der sechsten Glutlawine. Der Schlot und der obere Teil der Magmakammer waren leergefegt, das Dach der Kammer stürzte ein. Dadurch entstand die Caldera, in der sich später der Kegel des heutigen Vesuv bildete.

In den 18 Stunden des Ausbruches hatte der Vulkan mehr als drei Kubikkilometer Bimsstein, Felsgesteine und Asche ausgeworfen. Der Ascheregen und die pyroklastischen Ströme hatten eine bis zu zwanzig Meter hohe Schicht über den zerstörten Ortschaften aufgehäuft. Die Gesamtzahl der Todesopfer wird mit bis zu 5000 angegeben. Allein in Pompeji sind die Überreste von 1150 Menschen ausgegraben worden.



Was für ein Ereignis. Wie viel Leid.

Wir stiegen auf dem Sentiero in östlicher Richtung hinunter zur Strada Matrone. Hätte ich das Album damals gekannt, hätte ich dabei sicherlich Triumvirats "Pompeii" im Kopf gehabt. Oder im Walkman! So wanderten wir aber ohne Musik zurück zum Bus, der an der Piazzale di Quota 1000 (970 m) auf uns gewartet hatte. Und schütteten Kubik- na, Zentimeter Lapilli aus unseren Schuhen.


Ausrüstung:

Festes Schuhwerk, zumindest aber unbedingt geschlossene Schuhe anziehen. Kappe aufsetzen, Wasser mitnehmen. Und: Heute kostet der Berg Eintritt, mehr Infos hier.
Tipp: Vorher im Tal toilettieren - und nachher auch wieder dort.



Fazit:

Es gibt Berge, und es gibt Berge. Der hier ist letzteres.

Tourengänger: Nik Brückner


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