Versuch am Aconcagua (6960m)


Publiziert von Wimpy , 13. Dezember 2023 um 17:00.

Region: Welt » Argentinien
Tour Datum: 7 Januar 1989
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: EC   RA 
Zeitbedarf: 31 Tage

Mit einer Schweizer-Bergsteigergruppe zum Aconcagua.

Start unserer Reise war am 7.Januar mit einer 17köpfigen Gruppe vom Flughafen Zürich-Kloten aus. Mit einer Maschine von Iberia fliegen wir über Madrid nach Quito, in Ecuador. Hier in Ecuador fand unsere Höhenaklimatisation statt. In 1 1/2  Wochen besteigen wir die Gipfel vom Carihuyrazo(5020m), Cayambe (5790m), und in Gipfelnähe am Antisana(5704m).
Nun gut an die Höhe angepasst geht unsere Reise in den Süden nach Argentinien. Von Quito über Buones Aires, fliegen wir nach Mendoza am Fuss der Anden. Die Stadt Mendoza ist auf etwa 800 Meter über Meer gelegen, und Zentrum vom argentinischen Weinanbau. Da die Gegend stark Erdbeben gefährtet ist , sind die Häuser der Stadt nicht hoch gebaut. Das verleiht dieser Stadt einen dörflichen Charakter. Hier ist unser Leiterteam beschäftigt um die Papiere für den Parkzutritt zu organisieren. Wir mussten danach alle unterschreiben ,das wir jegliche Hilfe am Berg durch den Staat Argentinien ablehnen. Also ab Puento del Inca sind wir auf uns alleine gestellt.
Von Mendoza, geht die Fahrt mit einem alten Miet-Car nach Puento de Inca hinauf. Diese Reise ist etwa 170 Kilometer lang ,auf einer Landstrasse die nach Santiago de Chile führt. Doch vor der Staatsgrenze am Pass oben, erreichen wir unseren Zielort Puento del Inca. Neben einem schäbigen Hotel , gibt es ein paar Baracken neben einer Kaserne der Armee. Hier müssen wir unsere Bewilligungen und ärztlichen Zeugnise vorlegen, für den Einlass in den Park- Aconcagua.
Der ca. 30 Kilometer lange Marsch ins Basislager teilen wir uns in 2 Etappen auf.
Unser nicht persönliches Gepäck wird mit einer Maultierkolonne hoch gebracht. Aber auch so gibt es noch viel zu buckeln. Früh am morgen wandern wir los in Puento de Inca mit dem Ziel "Confluenzia" ,ein grüner Hügel auf 3400 Meter. Wir passieren das Parktor und haben zum ersten mal den Blick frei, hoch zum Aconcagua.Auf unserem Weg müssen wir den Horconesbach überqueren. Ein brauner reissender Bergbach. Beim durchqueren reicht das Wasser bis mitte Oberschenkel und reisst dich fast aus dem Stand. Zum Glück sind wir früh aufgebrochen,später am Tag wird er sicher mehr Wasser führen. Dank der Hilfe unserer Stöcke, kommt glücklicherweise keiner zum schwimmen im kalten Wasser. Nach dieser Action wandern wir dem Bach folgend, bergan bis zum letzten  Grashügel ,"Confluenzia".Hier nächtigen wir.  Die Muli-Cauchos mit unserem Gepäck , lagern mit uns am selben Platz. Nach dem Zelt aufstellen, essen und ausruhen, laden sie an ihr Lagerfeuer ein. Es wird ein schöner Abend mit Gittarenklängen, singen und dazu Matetee schlürfen.
Am nächsten Morgen sind wir wieder früh auf den Füssen. Ein langer hitziger Tag erwartet uns. Der lange Marsch durch das sogenante Todestal steht uns bevor. Eine Steinwüste ohne Schattenplätze,zwingt uns die Flüssigkeit einzuteilen. Es ist ein Aufstieg von über 17 Kilometer ins 4200 Meter hoch gelegene Basislager, Plaza de Mulas. Hier wartet Zelte aufzustellen, Küche einrichten, Material sortieren usw. nach dem Ankommen auf uns.  Ein anstrengender, langer Tag wird noch länger. Spät abend's als die Küche in Betrieb ging gab es etwas zu futtern. Nicht lange danach kehrte bei unseren Zelte ruhe ein. Ich bin angekommen im Basecamp am Aconcagua.
Am nächsten morgen zeigt sich das Wetter immer noch mit blauem Himmel. Doch es ist heute etwas windiger. So das plötzlich ein Wolke mit WC-Papier, vom Wind aufgewirbelt über das Basecamp verteilt wird. Eine sehr apetitliche Sache. Das ist hier im Camp ein grosses Problem, mit dem nicht definierten Abort-Ort. Einfach hinter der Moräne, wird das grosse Geschäft verrichtet. Es ist gut was in all den jahren hier oben betreffend Umweltschutz und Hygiene geändert worden ist. Klar es hat heutzutage auch ein vielfaches mehr an Besucher, im Vergleich zu den 80/90er jahren.
Heute ist die nähere Umgebung vom Basislager auszukundschaften auf unserem Tagesplan. Dabei mache ich einen Abstecher zum nächstgelegenen Büssereisfeld. Dort turne ich mit Steigeisen und Pickel in denn Eistürmen rum. Der Nachmittag stand dann noch im Zeichen des  goldenen Nichtstun.
Am nächsten Tag geht es endlich an den Berg. Heute tragen wir Zelte , Gaskartuschen, Kocher und Verpflegung zu Camp 1 ( Nido des Condores 5500m) hoch. Unsere Rucksäcke werden abgewogen, so das jeder etwa 12 Kilo wiegt. Der Weg hoch in unser Lager 1 ist extrem langweilig. Serpentine um Serpentine gehts im zick, zack die nie Enden wollende Flanke hoch. Schutt ohne Ende. Du kämpfst dich eine halbe Stunde den Berg rauf , um dann das Gefühl zu bekommen ich stehe immer noch am selben Ort, wenn du dich umschaust. Endlich erreiche ich die Kante vom Hang wo der Weiterweg ein wenig abflacht. Aber auch hier ist es weiterhin eine Kopfsache, dich weiter hoch zu quälen. Endlich ist der Punkt für unser Camp 1 erreicht. Kurz pausieren, trinken und etwas kleines essen. Danach vier Zelte aufstellen, darin die restlichen Zelte und das sonstige Material verstauen. Bevor unser Abstieg beginnt beschweren wir noch mit grösseren Steinen die Zelte. Nun folgt ,mit letzter Kraft und fast leeren Rucksäcken ins Basislager absteigen. Es war ein strenger Tag, der mit einem guten Essen aus der Lagerküche beendet wird.
Morgen ist erneut ein Ruhetag eingeplant, der gebraucht wird um unseren Plan zum Gipfelerfolg zu besprechen. Wir teilen uns in 2 Gruppen auf. Die um 1 Tag verschoben zum Gipfel durchstarten. 
Ich bin mit Gruppe 1 am nächsten Tag im Aufstieg zum Hochlager eingeteilt worden. Der Wind ist kräftiger geworden und steigert sich in der ersten Hochlagernacht zum Sturm. Die Temperaturen sinken ab bis -20C° in dieser Nacht. An Schlaf ist so nicht zu denken, denn wir müssen unser Zeltgestänge halten,  das die Böen uns das Zelt nicht zerreisst. Später im Basecamp erfahren wir ,das in der Gipfelregion Windgeschwindigkeiten um die 180 Stundenkilometer waren. Am andern morgen hatte sich der Sturm etwas gelegt. Doch Wind war immer noch da, trotz schönstem Sonnenschein. Heute wird die 2. Gruppe im Basecamp aufbrechen um zum Lager 1 aufzusteigen. Das heisst für unsere Truppe, 4Zelte , Proviant und Kocher hochschleppen zu Lager 2, für unsere zweite Nacht am Berg. Schritt um Schritt kämpfen wir uns aufwärts. Die Füsse wollen dabei nicht warm werden. Die Temperatur ist im zweistelligen  Minusbereich. Irgendwann um die Mittagszeit sehen wir vor uns die Holzhüttlein vom Berlinerlager. Hier sind wir auf 5950 Meter ü. Meer. Das hier wird unser Lagerplatz.Jetzt wird Schnee geschmolzen um Suppe und Tee zu machen. Wichtig in der Höhe ist, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Danach werden die 4 Zelte aufgebaut. Danach folgt  die Zeit zur Erholung für den morgigen Gipfelgang.
Aber nicht für alle. Zwei Haudegen machen sich bereit zum Weiteraufstieg. Sie wollen höher Aufsteigen um bei Tageslicht die uns morgen früh zu erwartenden  Passagen einzusehen. Da mir rumliegen nicht gegeben ist, schliesse ich mich ihnen an. Zu dieser Zeit war ich mir nicht bewusst, das dies ein riesiger Fehler ist. Auf etwa 6300 Meter musste ich die Zwei ziehen lassen. Ich hockte mich kurz hin und bestaunte das unbeschreiblich Panorama. Als ich mich auf den Abstieg machte war von den zweien nichts mehr auszumachen. Später im Lager 2 unten, das Tageslicht ist sich am verabschieden, kommen 2 Gestalten von oben den Hang hinab. Die 2 Ausreisser sind zurück. Sie erzählen von ihrem genialen Aufstieg zum Gipfel. Traumhaft sei es gewesen, alleine am Gipfel oben kurz vor Sonnenuntergang. Das gibt es nicht, die 2 waren am Gipfel oben( am nächsten Tag stehn beide ein 2. mal am höchsten Punkt).
Die Nacht im 2.Hochlager, habe ich überstanden, jedoch geschlafen hatte ich nicht.( Zuhause beim anschauen der Photos merkte ich, das ich in Lager 2 erste Anzeichen von Höhenkrankheit hatte. Daher, mein Entscheid abzusteigen war gut). Als die andern aufstanden , sagte ich ihnen das ich hier die Stellung halte, und probiere ob ich doch noch etwas Schlaf finde. Dann war plötzlich Leben um die Zelte. Die 2. Gruppe war angekommen, mit dem Ziel das sie weiter Aufsteigen wollen. Gipfelangriff aus Lager1. Ich könnte ja in der Zwischenzeit hier die Zelte abbrechen und ins Basecamp absteigen. Sie fanden, das sei eine gute Idee. Ihr Lager nach dem Gipfel wäre dann Camp1, die Gruppe1 werden sie beim kreuzen informieren. Gesagt getan. Mit einem übergrossen Rucksack (15-20kg) machte ich mich auf den lange(same)n Abstieg ins Basecamp. Die ganze Truppe 1 sitzt am Abend im Basecamp am gemeinsamen Nachtessen. Am folgenden Tag kommt die Gruppe 2 auch im Basislager an.
Unter harten Bedingungen ereichten 11 von unserer 17 köpfigen Gruppe den Gipfel.

Fazit:
Mein Problem, ich war damals eigentlich zu jung (21) und unerfahren. Ich meinte ich sei unverwüstlich und hätte Kraftreserven ohne Ende. Dabei ist in grossen Höhen das Pausieren sehr wichtig. Das ich für unsere Gruppe unermüdlich Schnee zu Wasser verarbeitet habe, statt etwas zu ruhen, hat mir vielleicht den Gipfel gekostet. Etwas mehr Egoismuss wäre besser gewesen. Aber liegt vielleicht nicht in meinem Wesen.
Ansonsten eine unvergessliche Reise in schöne Bergregionen von Südamerika gewesen. Im Rückblick ist es gut habe ich diese Erfahrungen an hohen Gipfel machen können. Das verleiht mir heute die Kraft zum Durchhalten an so manchem Gipfelziel in den Alpen.

Was für Schwierigkeiten erwartet dich bei einer Besteigung des Aconcagua?

Er ist der höchste Berg vom amerikanischen Kontinent.
Technisch nicht sehr anspruchsvoll, jedoch körperlich und mental eine grosse Herausforderung. Etliche Höhenmeter in langen Märschen im Schutt mit schwerem Gepäck erwarten den Bergsteiger. Die Atemluft wird dünner. Am Berg ist immer mit starken Winden zu rechnen. Die Temperaturen können schnell bis -20C° und mehr in kurzer Zeit absinken. Das Wetter kann sofort umschlagen, und ein verbleib am Berg schwierig machen. Eine körperliche Fitness in Kraft und Ausdauer ist ein muss für jeden Aspiranten. Mein Training begann 4 Monate vor Abreise. Neben Radfahren mit vielen Höhenmeter machte ich bis zu 2 stündige Laufrunden mit möglichst vielen eingebauten Höhenmeter. Auch war ich in den Voralpen unterwegs mit Rucksack. Dieser war immer mit Gewicht um die 12 kg gefüllt. Ziel war moglichst viele Höhenmeter in kurzer Zeit abzustrampeln. Etwa 700-800 Höhenmeter pro Stunde waren mein Ziel. Und trotz des enormen Trainingsaufwand ist ein Gipfelerfolg nicht planbar. So viele Einflüsse  müssen zusammenspielen und passen zu einer erfolgreichen Gipfelbesteigung dieses Bergriesen.

Tourengänger: Wimpy


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

WS
14 Jan 06
Antizana Hauptgipfel 5704m · Patrik Hitz
WS- II
11 Dez 05
Carihuaryrazo 5018m · Patrik Hitz
WS II WI1
18 Aug 23
Carihuairazo (5018) · cardamine
WS
21 Sep 06
Cayambe, 5790 m · DerMichi
WS-
9 Jan 06
Cayambe Hauptgipfel 5794m · Patrik Hitz
WS- I
11 Aug 23
Cayambe (5790) · cardamine
T4 WS+ I
2 Dez 12
Chimborazo + Cayambe · Vauacht
T5- WS II
1 Jan 12
Berge im Norden Ecuadors · Meeraal

Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 13. Dezember 2023 um 19:00
>Mein Problem, ich war damals eigentlich zu jung (21) und unerfahren. Ich meinte ich sei unverwüstlich und hätte Kraftreserven ohne Ende.

Habe genau die gleiche Erfahrung vor 30 Jahren am Parinacota gemacht...ich wollte allen anderen zeigen wir schnell und fit ich war, rannte voraus zum Hochlager, schaufelte noch das Geröll um schöne Terrassen einzurichten, noch bevor die anderen ankamen, kochte Wasser...und war am nächsten Tag fix & fertig, dazu höhenkrank. Heute bin ich viel weniger fit, aber auch viel weniger dumm !

Wimpy hat gesagt: RE:weniger dum!
Gesendet am 13. Dezember 2023 um 19:27
Merci Bertrand, zum glück geht die Jugend recht schnell vorbei,man wird erfahrener und alt.

Liebe Grüsse von Wimpy alias Rüedu

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 13. Dezember 2023 um 21:23
Salüt Rüedu.
Super, dass du deine Südamerika-Unternehmungen mal hier vorstellst, und grad passend zu der neuen Reportage über die unglückselige Aconcagua-Expedition von 1973, die ich im Forum gestern gepostet hab.
Auch wenn es bei euch "harmloser" (und ohne Tote) ablief: es ist schon spannend zu lesen, mit wieviel mehr Aufwand solche Touren (Equipment-Transport, Lagerbau, Wetter-Abwarten etc.) im Vergleich zu klassisch-alpinen Unternehmungen nur durchgeführt werden können ... aber das stellt sicher auch den Reiz solcher Vorhaben dar.
Dankschön fürs Aufschreiben und Teilen!
Frank

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 14. Dezember 2023 um 18:53
Hallo Wimpy, vielen Dank, dass du uns an deinem Abenteuer teil haben lässt. Auch wenn du den Gipfel erreicht hast, kann dir niemand deine beneidenswerten Erinnerungen nehmen. Du denkst sicherlich ab und zu zurück und erfreust dich an dem, was du erleben durftest. Beste Grüße!

Wimpy hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Dezember 2023 um 06:49
Hoi Stefan
Ja diese Reise bleibt ein ganzes Leben in meinem Kopf. Das war damals für mich ein riesiges Abenteuer, raus in die grosse Welt.
Schöne Feiertage, Rüedu

panodirk hat gesagt:
Gesendet am 4. Januar 2024 um 22:21
Hallo Wimpy,
es ist ganz toll, dass du deinen Versuch nach so langer Zeit hier eingestellt hast! Es hat sich mittlerweile so viel geändert; deine Bilder sind ein Zeitzeugnis einer vergangenen Zeit. Heute sind es keine Pioniere mehr wie ihr, die dort unterwegs sind. Es ist kommerzialisert und viel komfortabler geworden (die Mulis gibt es aber immer noch)! - Sehr spannend auch der Generationenvergleich: Ich war dieses Jahr als 56jähriger oben...
LG
dirk

Wimpy hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. Februar 2024 um 20:29
Hoi Dirk

Auf Youtoub gibt es viel Bildmaterial aus neuerer Zeit über den Aconcagua. Es ist spannend zu sehn wie sich die Bergabenteuer verändert haben. Merci dir für deinen Bericht. Wir zwei sind im gleichen Alter aber in einer unterschiedlichen Altersabschnitt an diesem Berg unterwegs gewesen. Gratulation dir zur Besteigung.
HG Rüedu


Kommentar hinzufügen»