Durreck (3135m) und Zwieselnöckl - Abenteuerliche Überschreitung


Publiziert von BigE17 , 26. Oktober 2023 um 19:52.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:13 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:15
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Man fährt von Bruneck aus ins Tauferer Ahrntal bis nach Sand in Taufers. Man zweigt dort Richtung Rein in Taufers ab. Dort fährt hoch zur Kirche. Hinter der Kirche befinden sich ein paar kostenlose Parkplätze.
Unterkunftmöglichkeiten:Keine

Das Durreck befindet sich im äußersten Südwesten der Venedigergruppe. Dort steht es gemeinsam mit 3 anderen Dreitausendern ziemlich isoliert zwischen der Rieserfernergruppe, und den Zillertaler Alpen. Diese anderen Dreitausender sind der Große Moosstock, der Hirbernock und das vollkommen unbekannte Zwieselnöckl. Während der Moosstock und der Hirbernock recht einfach bestiegen werden können, sind das Durreck und das Zwieselnöckl ein wenig kniffliger. Noch dazu stehen sie im Schatten etlicher bekannterer Berge im Ahrn- und Reintal. Daher ist es umso erstaunlicher, dass das Durreck bereits 5 Tourenberichte auf hikr.org bekommen hatte - denn dieser Berg ist alles andere als überlaufen.

Ich und ein Tourenpartner hatten an diesem schönen Oktobertag beschlossen, dem Durreck einen Besuch abzustatten. Vom Zwieselnöckl war beim Start der Tour allerdings noch nicht die Rede. Wir begannen unsere Tour um 7:15 bei der Kirche in Rein in Taufers mit unseren E-Bikes. Im Nu fuhren wir über den Fahrweg zur Unterrieser Alm. Nun galt es, das Steiglein in Richtung Durreck zu finden. Doch irgendwie entdeckten wir keines, daher fuhren wir weiter über den Weg. Als wir bereits die Moosmaier Alm erreicht hatten, wurde uns klar, dass wir das Steiglein übersehen hatten. Also fuhren wir wieder zurück.

Aber bereits kurz unterhalb der Alm sahen wir rechts im Wald einen Steinmann - und sogar ein (schwer erkennbares) Steiglein. Dieses führte kurz im Wald empor, und querte dann eine Weile Richtung Süden. Doch irgendwann endete das Steiglein. Oberhalb von uns befand sich ein langer, steiler Hang. Aber da dies der einzige Weg war, ohne Latschen höherzukommen, begannen wir, über den Hang aufzusteigen. Dabei quälten wir uns abwechselnd über Blöcke, Almrosen und langes Gras den immer steiler werdenden Hang hinauf. Nach 300 sehr anstrengenden Höhenmetern fanden wir endlich wieder eine Steigspur, die flach nach Süden führte. So konnten wir den Hang endlich verlassen.

Nun stiegen wir in angenehm begehbarem Gelände über einen Rücken höher, nur ganz kurz waren Blockfelder zu queren. Nach einiger Zeit sahen wir plötzlich einige Steinmänner vor uns - aber beim Blick zurück waren keine zu erkennen. Aber halb so wild, wir waren endlich am richtigen Weg. Die Steinmännchen führten uns abwechselnd über Wiesen und Blockfelder bis unter die Südrinne zwischen Durreck und Zwieselnöckl. Weiter ging es dann rechts durch eine steile Schuttrinne Richtung SO-Grat - dabei war jedoch eine kurze, unangenehm glatte Platte zu überwinden (II). Weiter oben gab es noch eine kurze Rinne (I). Am Grat wurde das Gelände dann wieder kurzzeitig flacher, und wir erreichten den plattigen Gipfelaufbau des Durrecks. Hier konnten wir über plattige Bänder und leichte kleine Felsstufen im Zickzack recht einfach höherkommen (I), erst kurz vor dem Gipfel wurde das Gelände steiler und die Kletterei ein wenig anspruchsvoller (I-II). Das ganze zog sich dann doch ein bisschen, aber irgendwann war der Gipfel erreicht.

Heute erwartete uns eine fantastische Fernsicht. Im Norden der gesamte Zillertaler Hauptkamm mit seinen vielen Gipfeln, im Osten die Venedigergruppe und dahinter der Großglockner, im Süden die Dolomiten und im Westen Wildspitze, Ortler und Co. Wegen der dunstigen Luft weit im Südwesten war leider der Care Alto nicht mehr zu erkennen, aber das war nur ein kleiner Wehrmutstropfen. Deshalb dauerte die Gipfelrast doch eine Weile. 

Schon während des Aufstiegs hatten wir uns überlegt, dass wir uns den Verbindungsgrat zum Zwieselnöckl anschauen könnten (angeblich II, aber keine Tourenberichte). Also begannen wir, dem Westgrat des Durrecks zu folgen. Er war von anfang an ziemlich schmal, und schon beim ersten Abstieg warteten leichte Kletterstellen auf uns (I). Er wurde anschließend steiler, ausgesetzter und schwieriger (II), doch nach kurzer Zeit standen wir vor einem kleinen Abbruch. Hier war die sehr steile Nordflanke die einzige Möglichkeit. Über steile Blöcke stiegen wir ausgesetzt in der Flanke ab (II+), und querten gleich danach wieder zum Grat zurück. Nach einem kurzen, leichteren Gratstück (I), wurde der Grat wieder schärfer. Nach einem kurzen Reitgrat (II) kam der nächste Abbruch, der aber überraschend leicht an der Gratkante bzw. wenige Meter nördlich davon überwunden werden konnte (I, eine kurze Kaminpassage II). Nun waren wir in der Scharte zwischen Durreck und Zwieselnöckl. Der kurze NO-Grat zum Zwieselnöckl war nun deutlich brüchiger, aber auch einfacher (I). So konnten wir dieses ohne größere Probleme erreichen.

Hier schlug mein Tourenpartner vor, zu versuchen, über den Südgrat und anschließend durch die östliche Flanke abzusteigen. Auch wenn ich von dieser Idee nicht sehr begeistert war, versuchten wir es trotzdem, weil am Südgrat weiter unten ein Steinmännchen zu sehen war. Gleich zu Beginn war über eine steile, griffige Platte in eine Scharte abzuklettern (II, stellenweise brüchig). Wir stiegen über eine zwei Meter hohe Stufe auf (II), und waren nun östlich vom Grat in einer steilen, grasdurchsetzte Flanke. Richtig wäre es nun gewesen, die Flanke nach Süden bis zum Grat zu queren. Wir machten jedoch einen Fehler, und stiegen durch die Flanke ostseitig ab (II, stellenweise rutschig). Da am unteren Ende eine Platte ansetzte, mussten wir in eine markante Rinne wechseln. In die Rinne zu kommen, war jedoch nicht einfach, weil dazu ein Überhang an geeigneter Stelle überwunden werden musste. Den ersten Versuch brach ich ab (wäre ein 4. Schwierigkeitsgrad im Abstieg gewesen - wenn auch nur 3 Meter über dem Rinnenboden). Weiter oben probierte ich es erneut: Ich setzte mich auf einem kleinen Felsvorsprung hin. Da meine Beine nicht bis in die Rinne reichten, sprang ich vorsichtig ab. Im Aufstieg wäre diese Stelle jedoch sehr anspruchsvoll gewesen. Der Abstieg durch die Rinne war leicht (I, brüchig), schon bald gelangten wir zu einer glatten Platte. Auf Reibung stiegen wir kurz ab, und querten dann nach rechts ins Schuttgelände.

Nun befanden wir uns wieder unmittelbar unterhalb vom Grat. Beim Rückblick sahen wir Steinmänner am Grat, also war der Abstieg durch die Rinne falsch. Wir stiegen wieder über eine 2-Meter-Stufe auf (I), und befanden uns nun in jener Flanke, die östlich nach unten führen sollte. Nach anfänglich leichtem Gelände standen wir plötzlich wieder oberhalb von glatten Platten. Vorsichtig auf Reibung stiegen wir ab, wir hielten auf die Verschneidung am südlichen Rand zu. Diese war dann kurz doch zu steil, also mussten wir diese Stelle links umgehen. Hier war die Platte kurz ziemlich steil, und darunter mussten wir unterhalb von einem ziemlich losen Block zurück in die Verschneidung. Die letzten Meter in der Verschneidung waren wieder recht steil, also rutschte ich auf dem Hosenboden ab. Im Aufstieg dürfte diese Stelle viel anspruchsvoller sein (vermutlich kurz III).

Nun waren alle Schwierigkeiten gemeistert. Wir stiegen nach Süden querend über einen steilen Geröllhang ab. Dort erreichten wir einen Grasrücken. Über diesen stiegen wir ab, dabei querten wir immer wieder nach links, bis wir die Aufstiegsroute wieder erreicht hatten. Da wir auch nun keinen Steig ausmachen konnten, mussten wir uns weglos wieder den 300 Meter hohen Hang mit Almrosen, Blöcken und langem Gras hinabquälen. Unterhalb folgten wir dem Steiglein, bis wir wieder bei den E-Bikes waren. Zum Abschluss wartete noch die Abfahrt bis nach Rein, wo wir um 15:30 ankamen.

Erwähnenswertes:

1. Der Normalweg zum Durreck ist relativ einsam, und nicht ganz einfach. Die plattige Schlüsselstelle ist ziemlich unangenehm. Allerdings ist sie nicht ausgesetzt, deswegen würde ich diesen Aufstieg mit T5+ bewerten. Bei nassen Verhältnissen ist diese Stelle jedoch deutlich schwieriger. Der Schlussanstieg zum Gipfel ist leichter, dafür jedoch stellenweise luftig.

2. Der Gratübergang vom Durreck zum Zwieselnöckl ist schwieriger. Die Kletterei erreicht den Schwierigkeitsgrad II+, und das Gelände ist sehr ausgesetzt. Die schwierigste Stelle ist die nordseitige Umgehung des oberen Abbruchs. Wegen des guten Felses macht die Kletterei jedoch ziemlich viel Spaß. Die Scharte zwischen den Gipfeln kann unter Umständen auch von Norden über eine Felsstufe und anschließend sehr steilen Schutt erreicht werden. Das wäre aber sehr mühsam und nicht ungefährlich. Die Rinne, die von der Scharte südseitig hinabstürzt, sollte gemieden werden.

3. Unser Abstiegsweg vom Zwieselnöckl hinunter ist wohl noch einen Ticken anspruchsvoller, als der Verbindungsgrat vom Durreck her. Besonders die Platte mit der Verschneidung im unteren Teil ist nicht allzu lustig, weil sie ziemlich steil ist. Aber auch der Südgrat vom Zwieselnöckl beinhaltet Kletterstellen im 2. Schwierigkeitsgrad, wobei der Fels nicht mehr ganz so gut ist. Im Aufstieg ist dieser Weg wohl noch unangenehmer. Wer die Platte vermeiden will, muss dem Grat noch ein wenig weiter folgen (angeblich II), und dann westseitig ins Pojental absteigen. Der Rückweg nach Rein ist dann allerdings sehr lang. 

4. Der Verbindungsgrat vom Zwieselnöckl zum Großen Moosstock ist sehr lang, angeblich aber im 2. Schwierigkeitsgrad schaffbar (ohne Gewähr).

5. Ob das Zwieselnöckl vom Klausnock aus über den Grat erreichbar ist, ist unklar.

6. Im Winter sind beide Gipfel nur sehr anspruchsvoll erreichbar.

7. Das Seil hilft nur am Verbindungsgrat zwischen den Gipfeln, und beim Abstieg über den Südgrat vom Zwieselnöckl. An den anderen anspruchsvolleren Stellen ist Sichern nur schwer möglich.

8. Die Tour ist nicht allzu lang und damit an einem halben Tag machbar.

9. Wer den Schwierigkeiten gewachsen ist, kann sich auf einen tollen Tag im Hochgebirge freuen. Die Fernsicht ist bei gutem Wetter fantastisch, auch die Gipfel in der Nähe machen eine gute Figur. Desweiteren kann man sich auf einen einsamen Tag einstellen - ganz besodners beim Abstieg übers Zwieselnöckl. Diese Tour kann definitiv als Geheimtipp betrachtet werden.

Tourengänger: BigE17


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