Expect No Mercy im Schliff am Edelmannskopf
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Die Schliffe, eine geologische Besonderheit des Nordschwarzwalds, haben es mir angetan. Es handelt sich um Rutschungen und Fels-Abbrüche in steilen, wasserreichen Partien des Buntsandstein-Deckgebirges, verursacht durch einen langsamen Unterminierungs-Prozess mittels Wasser und Frost. Die meisten liegen abseits des Wegenetz, hilfreich ist hier die Amtliche Topographische Karte, Orientierung per GPS sowie etwas Resilienz hinsichtlich der erbarmungslosen Vegetation. Beim Kartenstudium fiel mir eines Tages eine ungewöhnlich lange Erosionsrinne im Nordhang des Edelmannskopf (862 m) auf. Er ist zusammen mit Siedigkopf (878 m) und Mooskopf (871 m) eine von drei Gipfelkuppen des Gebirgsstocks der "Moos", gelegen zwischen Offenburg und Oppenau. Die Rinne wird gemäß Kartensymbolen im oberen Drittel breiter und wieder schmaler, das könnte ein Hinweis auf einen Schliff sein.
Online finde ich keine weiteren Informationen zu meiner Vermutung. Und auch in den Standardwerken zu eiszeitlichen Formen im Nordschwarzwald von Fritz Fezer und Adolf Zienert ist zum Edelmannskopf lediglich der Eintrag einer Kar-Form vermerkt, diese jedoch an anderer Stelle (Südosthang) und nur schwach ausgeprägt. Also mal hochgestiefelt in den besagten Nordflanken-Kartenfund und nachgeschaut.
Expect No Mercy flüstert mir die dichte Botanik beim Einstieg in die Rinne zu. Hab' ich eigentlich meine Machete dabei?
Andere bereits besuchte Schliffe waren: derjenige am oberen Rand des
Rotengießen-Kars (800 m). Gleichfalls im Kontext eines Kars hat sich
der Schliff (880 m) am Pfälzerkopf gebildet. Ein Schliff ähnlich dem hiesigen (nämlich innerhalb des Verlaufs einer langen Rinne) ist sowohl der
Rappenschliff und eine dort benachbarte namenlose Erosionsrinne (diese wiederum innerhalb einer Kar-Form, 790 m), als auch der
Schliff im Oberen Kirchgraben (850 m). Von diesen Vieren gibt es jedoch auch nur zu Zweien spärliche Informationen im Netz zu finden.
Eine Woche zuvor war ich bereits mal auf der
Gipfelkuppe des Edelmannskopf unterwegs, hab mir auch den Beginn der Rinne dort besehen, aber die Rinne in ganzer Länge wollte ich getrent machen. Start heute dann an der Kapelle von Kalikutt, gelegen am nördlichen Fuße des Bergs. Die Herkunft des Ortsnamens ist weit weniger rätselhaft, wie man vermuten sollte. „Kutt“ bedeutet auf badisch Bodensenke, eine Art kleiner Taleinschnitt. „Kali“ soll aussagen, dass eben diese „Kutt“ kahl, das heißt nicht mit Bäumen bewachsen ist – im hiesigen Dialekt also eine „kali Kutt“. Ich steige direkt den Wiesenhang neben der Kapelle hoch und nehme den Forstweg am Waldrand rechts weiter. Im Wald an der Wegverzweigung halblinks/südwestlich weiter, aber nur kurz, dann steil links/ostwärts abgebogen und herauf nach ca. 150 m das untere Ende der Rinne gefunden. Auf der OSM entspricht das auch dem unteren Ende des namenlosen Bachlaufs hier. Wasser fliesst aber heut keines, nur weiter oben treffe ich auf ein Rinnsal. Es fängt recht harmlos an, ich nutze Tierspuren am Boden der Rinne. Diese steilt aber bald auf, die Vegetation wird dichter, und auch die Wände der Rinne wachsen nach und nach in die Höhe.
"Grödeln wären gut gewesen!" denke ich mir in der ersten Steilpartie mit losem Erdreich. Diese jedoch liegen vergessen im Kofferaum ... Erste kleinere herausstehende Felspartien werden passiert und im Rinnenboden taucht neben Blockwerk auch blankgeschliffener Buntsandstein auf, das Wasser hat seine Sediment-Schichten schön stufig herausgewaschen, so wie ich es hier im Nordschwarzwald schon öfter gesehen habe. Dann wiederum folgen Fels-Stufen direkt in der Rinne, die zu überkraxeln auf direktem Weg zunehmend unmöglicher wird: ich muss sie an ihren seitlichen Enden umkraxlen, oft mit Jungfichten-Griffen und -Tritten. Als nächstes treffe ich auf ein gemauertes Sperrwerk, das hier wohl vor Urzeiten mal eingezogen wurde, um den Ort vor in der Rinne herabrollenden Blöcken zu schützen. Im Rappenschliff bei Bad Griesbach gibt's das auch, ist da aber deutlich neuer. Und auf der Rückseite noch nicht komplett aufgefüllt, wie es hier am Edelmannskopf der Fall ist. Offenbar hat man in Kalikutt keine Furcht mehr vor Steinschlag.
Dahinter folgen einige felsige Stufen, die aber vermutlich nur nach reichlich Niederschlag zusammen mit dem kleinen Bach in der Rinne einen Wasserfall zaubern. Überhaupt sehe ich heute fliessendes Wasser nur spärlich in ihrem mittleren Abschnitt. Aber eben diese Kraft des Wassers hat nun nah oberhalb – tatsächlich! – einen Schliff in das Terrain gearbeitet, sogar mehrstufig und recht breit ausladend. Nach weiterem Heraufsteigen sowie einer West-Umgehung erschliessen sich mir die Dimensionen: vier versetzte Stufen, in der vertikalen Ausdehnung ca. 40 m. Zwischen den beiden oberen Stufen eine kesselartige Arena von circa gleicher Breite. Wunderschön! Und von der Mitte aus hat man die Rinne runter einen tollen Fernblick in die nordwärts gelegenen Schwarzwälder Berge, mit der Hornisgrinde als ferne Krönung.
Die blanken Stufen der Schliffarena bieten praktisch keine Griffe oder Tritte, also muss ich sie umgehen, mit viel Gewurschtel die Rinnenränder herauf. Kleine Bäume und Wurzeln helfen als Griffe. Nachdem ich schliesslich oberhalb der obersten Stufe wieder runter in die Rinne gekraxelt bin, bewundere ich dort nochmals eine höhere Version des oben beschriebenen Fernblicks und wende mich der Fortsetzung der ansteigenden Rinne zu, direkt steil geht es weiter. Erneut schieben sich Felswände ins Blickfeld, diesmal aber nicht in Falllinie der Rinne, sondern an ihren Seiten. Eine wilde Szenerie. Teils ist es gestuft, und ich überlege, dort herauf aus der Rinne auszusteigen. Allerdings ist nicht alles fest und viele Tritte habe zu viel Erd-Auflage. Das Vorankommen innerhalb der Rinne erfordert gleichfalls Kraxelei mit Try and Error sowie Rütteln und Antreten. Auch im Rinnenboden ist viel Geröll und lose Erde, aufgrund der Steilheit der Rinne verfestigt sich hier kaum etwas, ständig rutscht wohl Material nach. Das sieht man auch an den frostgesprengten Ausbrüchen in den rahmenden Felsen. Dahinter folgt eine niedrigere Fallstufe und schliesslich geht die Rinne ins Hangniveau des Waldgeländes über, lieblich bewachsen mit Waldgras.
Ich verlasse nah am Gipfel des Edelmannskopf die Rinne seitlich, GPS zeigt mir die Richtung zum Ende einer östlich-nahen, zugewucherten Rückegasse. Sie bringt mich zu Forstwegen, die ich nun noch in laaangem Zickzack herab laufe, runter nach Kalikutt und zu meinem wartenden Wagen.
Fazit: Ein schönes Abenteuer. Interessant, wie die Kräfte der Erosion zusammen mit der Zeit eine überraschend heftige Zerklüftung im ansonsten harmlos-sanften Edelmannskopf herausgearbeitet haben.
Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen
Online finde ich keine weiteren Informationen zu meiner Vermutung. Und auch in den Standardwerken zu eiszeitlichen Formen im Nordschwarzwald von Fritz Fezer und Adolf Zienert ist zum Edelmannskopf lediglich der Eintrag einer Kar-Form vermerkt, diese jedoch an anderer Stelle (Südosthang) und nur schwach ausgeprägt. Also mal hochgestiefelt in den besagten Nordflanken-Kartenfund und nachgeschaut.
Expect No Mercy flüstert mir die dichte Botanik beim Einstieg in die Rinne zu. Hab' ich eigentlich meine Machete dabei?
Andere bereits besuchte Schliffe waren: derjenige am oberen Rand des




Eine Woche zuvor war ich bereits mal auf der

"Grödeln wären gut gewesen!" denke ich mir in der ersten Steilpartie mit losem Erdreich. Diese jedoch liegen vergessen im Kofferaum ... Erste kleinere herausstehende Felspartien werden passiert und im Rinnenboden taucht neben Blockwerk auch blankgeschliffener Buntsandstein auf, das Wasser hat seine Sediment-Schichten schön stufig herausgewaschen, so wie ich es hier im Nordschwarzwald schon öfter gesehen habe. Dann wiederum folgen Fels-Stufen direkt in der Rinne, die zu überkraxeln auf direktem Weg zunehmend unmöglicher wird: ich muss sie an ihren seitlichen Enden umkraxlen, oft mit Jungfichten-Griffen und -Tritten. Als nächstes treffe ich auf ein gemauertes Sperrwerk, das hier wohl vor Urzeiten mal eingezogen wurde, um den Ort vor in der Rinne herabrollenden Blöcken zu schützen. Im Rappenschliff bei Bad Griesbach gibt's das auch, ist da aber deutlich neuer. Und auf der Rückseite noch nicht komplett aufgefüllt, wie es hier am Edelmannskopf der Fall ist. Offenbar hat man in Kalikutt keine Furcht mehr vor Steinschlag.
Dahinter folgen einige felsige Stufen, die aber vermutlich nur nach reichlich Niederschlag zusammen mit dem kleinen Bach in der Rinne einen Wasserfall zaubern. Überhaupt sehe ich heute fliessendes Wasser nur spärlich in ihrem mittleren Abschnitt. Aber eben diese Kraft des Wassers hat nun nah oberhalb – tatsächlich! – einen Schliff in das Terrain gearbeitet, sogar mehrstufig und recht breit ausladend. Nach weiterem Heraufsteigen sowie einer West-Umgehung erschliessen sich mir die Dimensionen: vier versetzte Stufen, in der vertikalen Ausdehnung ca. 40 m. Zwischen den beiden oberen Stufen eine kesselartige Arena von circa gleicher Breite. Wunderschön! Und von der Mitte aus hat man die Rinne runter einen tollen Fernblick in die nordwärts gelegenen Schwarzwälder Berge, mit der Hornisgrinde als ferne Krönung.
Die blanken Stufen der Schliffarena bieten praktisch keine Griffe oder Tritte, also muss ich sie umgehen, mit viel Gewurschtel die Rinnenränder herauf. Kleine Bäume und Wurzeln helfen als Griffe. Nachdem ich schliesslich oberhalb der obersten Stufe wieder runter in die Rinne gekraxelt bin, bewundere ich dort nochmals eine höhere Version des oben beschriebenen Fernblicks und wende mich der Fortsetzung der ansteigenden Rinne zu, direkt steil geht es weiter. Erneut schieben sich Felswände ins Blickfeld, diesmal aber nicht in Falllinie der Rinne, sondern an ihren Seiten. Eine wilde Szenerie. Teils ist es gestuft, und ich überlege, dort herauf aus der Rinne auszusteigen. Allerdings ist nicht alles fest und viele Tritte habe zu viel Erd-Auflage. Das Vorankommen innerhalb der Rinne erfordert gleichfalls Kraxelei mit Try and Error sowie Rütteln und Antreten. Auch im Rinnenboden ist viel Geröll und lose Erde, aufgrund der Steilheit der Rinne verfestigt sich hier kaum etwas, ständig rutscht wohl Material nach. Das sieht man auch an den frostgesprengten Ausbrüchen in den rahmenden Felsen. Dahinter folgt eine niedrigere Fallstufe und schliesslich geht die Rinne ins Hangniveau des Waldgeländes über, lieblich bewachsen mit Waldgras.
Ich verlasse nah am Gipfel des Edelmannskopf die Rinne seitlich, GPS zeigt mir die Richtung zum Ende einer östlich-nahen, zugewucherten Rückegasse. Sie bringt mich zu Forstwegen, die ich nun noch in laaangem Zickzack herab laufe, runter nach Kalikutt und zu meinem wartenden Wagen.
Fazit: Ein schönes Abenteuer. Interessant, wie die Kräfte der Erosion zusammen mit der Zeit eine überraschend heftige Zerklüftung im ansonsten harmlos-sanften Edelmannskopf herausgearbeitet haben.
Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen
Tourengänger:
Schubi

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