Bielleser Höhenweg: Vom Rifugio Barma zum Rifugio della Vecchia


Publiziert von LeiOaEisn , 19. November 2023 um 13:32.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:10 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4- (S-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:12 km
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Barma, Capanna Renata, Rifugio del Lago della Vecchia

Der Grat zwischen dem Colle della Barma und dem Colle della Vecchia ist der längste und anstrengendste Abschnitt des Bielleser Höhenwegs. Aber gerade diese lange Bergtour auf einem einsamen und abwechslungsreichen Grat macht die Tour zu etwas Besonderem.

Ich ging vom Rifugio Barma allein Richtung Colle della Barma los (T2), die anderen aus der Gruppe folgten der Alta Via 1 (AV1). Zügig ging es zur Punta della Barma hinauf (T3), von wo aus ich im klaren Morgenlicht praktisch den gesamten Kamm von der Colma del Mombarone bis zur Dufourspitze, etwa der Verlauf unserer zweiwöchigen Tour, überblicken konnte.

Beim Abstieg wird der Weg alpiner (T4). Wer sich an die blauen Markierungen in der linken Flanke hält, hat es leichter, direkt auf dem Grat sind einige knackige Kletterstellen (> II). Auf dem Weg zur Punta Lej Long gibt es einige steile Aufschwünge, oft versichert (bis C) und man muss sich manchmal orientieren, ob man noch auf der blau markierten Route ist. Manchmal habe ich mich gefragt, ob der Pfad mit den Seilen tatsächlich der einfachste Weg ist oder ob es nicht elegantere Varianten (zumindest im Aufstieg) gibt.

Zur Punta Gran Gabe geht es zügig hinüber, hier ist hauptsächlich Gehgelände. Der Abstieg zum Colle della Gragliasca führt allerdings wieder mit versicherter Kletterei über mehrere Türme. Damit ist das erste Drittel geschafft. Hier stösst auch eine Begleitung zu mir, die auf der AV1 abgekürzt hatte.

Zu zweit gehen wir zur Punta Gragliasca hinauf, wo uns zum ersten Mal der Biellese-Nebel erreicht.
Kleiner meteorologischer Exkurs:
Das inneralpine Aostatal (und seine Seitentäler) im Westen heizen sich schneller und stärker auf als das mit der Poebene verbundene Cervo-Tal im Osten. Dadurch entsteht ein thermischer Wind von Ost nach West über den Grat, vor allem aber über die Pässe. Die aufsteigende feuchte Luft kondensiert auf der Ostseite und bildet dort die Wolken; auf der Westseite steigt sie wieder ab und der Nebel verschwindet.
Zusätzlich spielt wohl auch der Westwind in der Höhe eine Rolle, vor allem bei höheren Gipfeln. Der Westwind kreiert eine Art Sog auf der Ostseite der Gipfel, wodurch die Luft dort aufsteigt und eine Wolke bildet ("banner cloud"). Das kann man sogar in grösserem Massstab am Monte Rosa beobachten, wo der Effekt mutmasslich die Gewitteranfälligkeit (bei Westwind) östlich des Massivs durch starke Aufwinde erhöht.


Hinter der Punta della Gragliasca geht es hauptsächlich gehend, mit etwas Handeinsatz, weiter auf dem Grat. Dann kommt man zu einem steilen, versicherten Aufstieg mit einem deutlichen Klemmblock darin (D). Diese Stelle ist unserer Meinung nach die Schlüsselstelle des gesamten Bielleser Höhenwegs und kam für uns in dieser Schwierigkeit absolut überraschend. Wir schafften es schliesslich unter grossem gemeinsamem Kraftaufwand und Heraufreichen der Rucksäcke, beide hinauf zu kommen. Hier haben sich der mitgenommene Klettergurt und die Bandschlinge (zum Hinaufziehen) gelohnt. Neben einem Klettersteigset für manche Passagen ist an dieser Stelle auch ein Prusik zur Sicherung am Fixseil sinnvoll.
Umgehen lässt sich die Stelle kaum, entweder (links) über extrem steiles Gras oder mit grossem Umweg über mässig steiles Gras bei eher schwieriger Orientierung.

Weiter geht es meist über Gehgelände, aber auch wieder unterbrochen von versicherten Kletterpassagen zum Monte Pietra Bianca. Hauptsächlich gehend geht es hinab zum Colle del Lupo.

Im letzten Drittel des Tages geht es über den Monte Cresto. Der Aufstieg verläuft teilweise durch grasige Schrofen mit schlecht sichtbarem Weg. Zum Schluss hatten wir aber endlich das Gefühl, auf einem "richtigen" Gipfel zu stehen und nicht nur auf einer weiteren Graterhebung. Der Nebel gab sogar die Sicht auf den Lago della Vecchia frei.

Vom Hauptgipfel geht es nun noch teils versichert hinüber zum Nebengipfel, wo der schöne Nordgrat darauf wartet, abgeklettert zu werden. Die Kletterstellen auf diesem Blockgrat sind nicht versichert (T5, teils ausgesetzte Ier-Kletterstellen). Erst ganz zum Schluss kommt noch eine steile versicherte Passage, die - diesmal zum Glück nur im Abstieg - nicht mehr viel Kraft erfordert.

Hinter dem Passo delle Tote muss man sich im Blockgelände noch einmal konzentrieren, um sich nicht wie ich eine Narbe am Bein zu holen, und erreicht schliesslich den gut ausgebauten AV1. Vom Colle della Vecchia geht es ziemlich flach zum Lago und Rifugio della Vecchia hinab (T2). Man kann wohl auch etwas abkürzen, aber dann kommt man nicht am schönen See vorbei.

Das Rifugio del Lago della Vecchia ist eine kleine und für die malerische Lage überraschend einsame Hütte zum Übernachten. Wie bei den meisten anderen Hütten bekommt man aber auch hier gute piemontesiche Küche, ausserdem gibt es Trinkwasser im Brunnen davor.

In einem Führer in der Hütte fanden wir ausserdem die Cresta di Canabà als Abstiegsalternative vom Monte Cresto. Sie ist schwieriger (II) und führt vom Gipfel nach Nordosten fast direkt zum See.
Für den Fall schlechten Wetters empfiehlt sich, komplett auf der AV1 zu bleiben, was etwa genauso viele Höhenmeter ergibt, aber technisch leichter und viel weniger exponiert ist. Der Höhenweg östlich des Grats (über Colle d'Irogna und Colle Canaggio) ist schwieriger und weniger gepflegt.

Auf diesem Abschnitt kann man am besten nachvollziehen, warum der Bielleser Höhenweg eher von Nord nach Süd gegangen wird: Der Aufstieg zum Monte Cresto am Grat ist schöner, und die schwierigste versicherte Stelle muss nur im Abstieg bewältigt werden. Nichtsdestotrotz ist es andersrum auch schön!

Übersichtsbericht: Bielleser Höhenweg extended
Vortag: Über den Monte Mars zum Rifugio Barma
Folgetag: Vom Rifugio della Vecchia zum Rifugio Rivetti

Tourengänger: LeiOaEisn


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