Chrazerispitz, Muotätalgrout, Älplichopf im Calfeisental


Publiziert von rhenus , 10. Juli 2023 um 16:03.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 9 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 2300 m

An der gestrigen uHu-Tour (ums Hus umi) besuchte ich per Bike & Hike wieder mal die einsamen Grenzgipfel des Calfeisen- und Weisstannentals. Wie erwartet war ich bei diesem sommerlichen Prachtstag in den Gipfelbereichen alleine unterwegs. Die von Delta vor Jahren beschriebene spannende, etwas abenteuerliche Überschreitung in brüchigem Gestein vom Fahnenstock zum Älplichopf (T6 und II, siehe hier) liess ich jedoch sein, da ich mich dafür zu wenig fit fühlte. Wölfe des Calfeisenrudels mit 5 ihren Welpen sichtete ich keine.  

Angesichts des Hitzetags (gemessene max. 33.2° in Bad Ragaz) gings per Bike ins Calfeisental mit ihren 10 Alpen. In den Tunnels entlang des Stausees Gigerwald konnte ich wie erwartet abkühlen für die weitere Fahrt hinauf zur Sardonalp und zum Gamserälpli Untersäss (im Besitz der Ortsgemeinde Pfäfers), wo ich das Bike abstellte. Durch eine Mutterkuhherde erreichte ich das Obersäss, wo ich zu meiner Überraschung auf Raphael und Annemarie traf, die soeben am frühen Mittagessen waren. Sie mieteten die Alphütte - die sie als "Logenplatz" im Calfeisental bezeichneten - bis diese vom Älpler benötigt werde. In der Tat ist die dortige Aussicht grandios, man sieht in Längsrichtung den Gigerwaldsee, gegenüber das Trinserhorn mit dem Sardona und dazwischen den Ringel mit der Glaserrus. Raphael, der als Taminataler das Calfeisental kennt wie seinen Hosensack, erzählte, dass einzelne Mutige die steinschlaggefährdete Glaserrus sogar mit Skis befahren würden. 

Der Weiterweg führte mich östlich des Chrazerispitz auf den Sattel ca. 2380m nördlich davon. Von dort bestieg ich in wenigen Schritten diesen sehr schönen, etwas vorgelagerten Aussichtsgipfel auf 2415m (T3). Der Name Chratz soll gemäss Clubführer "steiler Hang" bedeuten. Dann nahm ich mir den Muotätalgrout vor, den ich über Rasen und Schrofen vom Pt. 2438 in einer Viertelstunde direkt über die Südflanke erreichte (T4). Dieser selten begangene, schmucklose Gratpunkt (weder Steinmannli noch Gipfelbuch) gab nun den Blick frei ins Weisstannental und zu den Glarner Alpen. Der Weiterweg dem Grat entlang schien vorderhand nicht allzu schwierig, doch ich liess bewusst den Rucksack unten, damit ich nicht in Versuchung käme. Dann ging ich runter zum Wanderweg bei der "Hinteren Chratzeri" und verfolgte diesen wunderschönen Höhenweg bis zum Pt. 2329 (auf aktueller Karte nicht mehr vorhanden) am Südostgrat des Älplichopfs. Über den SE-Grat erreichte ich den Älplichopf mit einem schmucklosen Steinhaufen auf dem höchsten Punkt (T4, kein Gipfelbuch mehr vorhanden). Der Älplichopf ist ein durchaus lohnender, prächtiger Aussichtspunkt, besonders auf das Sardona- und das Ringelgebirge. Von hier aus wäre es nicht mehr weit zum Gspaltengrat gewesen (30 Min. gemäss Clubführer), doch es winkte Kaffee und Kuchen in der Sardonahütte.

Der Abstieg vom Älplichopf führte mich über den unschwierigen Grat in Richtung Älplijoch bis ca. 2590m, dann querte ich eine Schutthalde nach Osten und stieg entlang einer Rippe bis unter eine Felsstufe ca. 2450m, von der ich wieder zum Südostgrat querte. Dann überschritt ich die viel Wasser führenden Gletscherbäche des "Chline Gletschers" und stieg zur Sardonahütte hinauf. Zu meinem Bedauern hatte sich in der Zwischenzeit ein solcher Durst aufgebaut, dass ich den angepeilten Kuchen verschmähte und stattdessen in kurzer Zeit einen sauren Most leerte. Ich versprach aber der Hüttenwart-Tochter Christa Jäger, dass ich den Kuchen noch dieses Jahr probieren werde. Der Abstieg zur Sardonaalp (im Besitz der Pol. Gde Zizers) und zum Velo führte auf einem neu angelegten Weg über das Schafälpli nördlich der Sardonahütte. Im August 2022 ereignete sich nämlich am Trinserhorn ein grosser Felssturz. In Erwartung weiterer Abbrüche musste der Wanderweg aus der Gefahrenzone verlegt werden. Angesichts der Hitze im Tal pressierte ich nicht auf dem Nachhauseweg und verspeiste in der Beiz in St. Martin erneut einen sehr feinen, garnierten Wurstsalat.

Historisches
Über die Erstbesteigung des Älplichopfs, des Muotätalgrouts und des Fahnenstocks finden sich in der alpinen Literatur keine Angaben. In der 1850 publizierten Eschmannkarte werden hiezu die erstaunlich genauen, kotierten Punkte 2640 (für den Älplichopf) und 2615 (für den Fahnenstock) auf dem "Muttenthalergrath" aufgeführt. Walter Gröbli erwähnt in seiner Besteigung des Fahnenstocks vom 2. Aug. 1889 das dortige stattliche Steinmannli, das er den Vermessern der Eschmannkarte in den 1840-er Jahren zuschreibt (Jahrbuch des SAC, 1889 - 1890, S. 38). Vermutlich wurde auch der Älplichopf in der 1840-er Jahren von den Vermessern möglicherweise zum ersten Mal bestiegen. Zum Muttentalergrat findet sich im Jahrbuch des SAC von 1917 auf S. 231 die vermutete erste vollständige Begehung des Grats: "September 1917. Herr F.W. Sprecher allein vollführte die erste vollständige Überschreitung des Grates vom Fahnenstock (2615m) bis zum Älplichopf (2640m). Höchst interessante Gratwanderung. Viel Kletterei, aber nicht besonders schwierig."  

Wolfsland Calfeisental
Wölfe des im Jahre 2022 gebildeten Calfeisenrudels - nach erfolgter Auflösung des Calandarudels - sichtete ich bei meiner Tour keine. Wie aus der Lokalpresse bekannt wurde, hat das Calfeisenrudel nämlich dieses Jahr zum zweiten Mal nach 2022 sechsfachen Nachwuchs bekommen. Die Wolfshöhle befindet sich im nahen Umfeld der Alphütte Tristel 1992m der Alp Schräa. Dort verbringt heuer die 20-jährige Hirtin Lorena Ritter aus Plons/Mels zusammen mit ihren 125 Tieren den Sommer. Die Pfäferser Alp Schräa wird als Rinder- und Mutterkuhalp genutzt und beherbergt im Dachgeschoss der Schräawieslihütte 1732m unbewirtete Schlafstellen der SAC-Sektion Piz Sol. Die junge Hirtin  ist verständlicherweise äusserst beunruhigt über die Nähe der Grossraubtiere und sorgt sich um die Sicherheit der Herde und um ihre Sicherheit, so als sich beispielsweise das ganze Rudel bis 20m vor die Hüttentüre begab. Bereits im August 2022 wurde in der nahe gelegenen Alp Brändlisberg im Calfeisental ein einjähriges Rind von einem oder mehreren Wölfen gerissen. Da das Calfeisental-Rudel auf der Weisstanner Alp Gafarra im laufenden Sommer trotz Umzäunung und Herdenschutzhunden über 8 Schafe gerissen hat, wurde im August 2023 von den zuständigen Behörden eine bis am 31.3.2024 gültige Abschussbewilligung für die Erlegung von 3 Jungwölfen erteilt. Die 3 Welpen sollen idealerweise in einer Rudelsituation geschossen werden, damit die anderen Grossraubtiere den Ort und die Anwesenheit eines Menschen mit einer Gefahr für sie verbinden und folglich eine Abschreckung erfolgt. 

Tourengänger: rhenus


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