Östliche Cirspitze 2538m - Mit Hand und Fuß

...und Knie! Dazu später mehr.
Es war nur eine Frage der Zeit, wann Dandl und ich eine Kennenlerntour machen. Seine Berichte zeigen, dass er ähnliche Unternehmungen wie ich schätzt, die Chemie könnte stimmen!? Endlich leistet Manuel und mir ein weiterer Pustertaler Bergkollege auf Hikr Gesellschaft und wir sind nicht mehr die Einzigen, die Tourenberichte aus der Region publizieren.
Er schlägt die Östliche Cirspitze vor und das lass ich mir nicht zweimal sagen, ein Gipfel, den ich schon seit Jahren im Auge habe. Dandl kennt die Route und ich vertraue ihm, auch wenn man zum Kennenlernen einfachere Gipfel wählen könnte!?
Noch mehr Gedanken als über unsere Tour mache ich mir über den neuen Tourenpartner. Ich bin etwas heikel und wähle meine Begleitung sehr zurückhaltend aus, man weiß ja nie, wer einem da gegenübersteht!?
Doch schon auf den ersten Blick sind meine Bedenken verflogen. Dandl strahlt eine entspannende Ruhe und zurückhaltende Souveränität aus, das gefällt mir sehr gut. Der Rest sollte Formsache sein!? Auch das Wetter spielt mit, gemütlich steigen wir an der Jimmihütte vorbei der Östlichen Cirspitze entgegen. Die Route ist gut einsehbar und schon stehen wir an der ersten Schlinge unter der Südostrampe.
Dandl klettert routiniert vor, die Kommandos sitzen, was er macht, hat Hand und Fuß. Auch die erste Stelle IV- nehmen wir locker, es könnte so glatt laufen!? Doch am dritten Stand fragt er mich nach seiner Schlinge und den Karabinern. Ich starre verdutzt, gehörten die nicht zur eingerichteten Route? Aber in welcher Kletterroute hängen schon nagelneue Vladkarabiner, unsere Kommunikation ist noch nicht automatisiert. Wie könnte sie auch, nach gerade mal 2 Stunden Kennenlernzeit!? Zurücksteigen ist jetzt nicht mehr möglich, also lassen wir das vergessene Material hängen, zählen unsere Restkarabiner und steigen weiter.
Der Kopf ist kaum frei von dem Missgeschick, da nähern wir uns schon der Schlüsselstelle der gesamten Tour. Die Route quert nach außen an die Kante um eine maximal ausgesetzte Platte herum, im 4. SG! Für Dandl business as usual, für mich grenzwertig. Beim Nachsichern starre ich minutenlang zwanghaft auf die haarsträubende Stelle, das Kopfkino läuft!
"Kannst nachkommen!", ich bin dran! Das Unheil nimmt seinen Lauf, vor lauter "Schiss" quere ich nicht weit genug an die Kante und steige zu früh im plattigen Fels an. So kann man den Schwierigkeitsgrad schnell über IV steigern, mir gehen die Tritte aus und ich hänge minutenlang blockiert mit Herzrasen in der Wand. Es bleibt mir nur ein kräftiger Ruck aus den Armen mit den Knien als Reibungsunterstützung, nicht gerade Lehrbuchklettern!
Am Stand versorge ich notdürftig die blutenden Schürfwunden, Dandl schüttelt innerlich wohl den Kopf. Keine Zeit für langes Lamentieren, es folgt eine weitere, aber deutlich weniger ausgesetzte Stelle IV und die spektakulär exponierte letzte Querung, vielleicht das Highlight der Tour!? Alles bleibt im Bereich II/III aber rechts zieht die Wand senkrecht in die Tiefe, reine Nervensache.
Am Ausstieg reichen wir uns die Hand zur gemeinsamen Kletterpremiere und steigen kurz auf den Gipfelfelsen (I), sowie zum westlichen Nebengipfel. Von dort zeigt sich die Östliche Cirspitze noch beeindruckender. Was für ein einzigartiges Ambiente, ich bin begeistert, Danke Dandl!
Aber natürlich ist damit die Tour nicht zu Ende, denn erstens braucht es noch vier knackige Abseiler und zweitens fehlen uns drei Karabiner und eine Schlinge. Dandl kennt die Abseilstände, ohne Zwischenfälle erreichen wir die Schotterrinne am Fuß des Ostgrats und denken nach! Wir beschließen, die ersten drei Seillängen bis zum vergessenen Material nochmal anzusteigen und von dort abzuseilen!?
Doch die Rettung naht in Form von drei Nachsteigern. Schnell haben wir ihnen unser Missgeschick erklärt, sie werden das Material einsammeln und gegen drei Freigetränke ;-) an der Jimmihütte abgeben, Danke Hermann! Damit ersparen sie uns eine abenteuerliche Abseilstrecke und einen weiteren, zurückgelassenen Karabiner.
Der Kopf ist frei, die Spannung weicht und an der Terrasse bei Jimmi genießen wir das Leben. Die Sonne lacht, der Strudel schmeckt, herrlich. Der erste gemeinsame Ausflug ist geschafft, es könnten weitere folgen, sobald meine Kniewunden verheilt sind ;-)