Pitla Cir 2520m - Eine bunte Welt

Langsam nähert sich das bunte Volk dem Grödner Joch. Aus aller Herren Länder treffen sie ein, Wanderer, Biker mit Benzinmotor, Biker mit Elektromotor und natürlich Autofahrer. Aber es gibt sie auch noch: Radfahrer mit Muskelkraftantrieb und sogar Massen davon. Solche Massen, dass sie den Verkehr auf der Passstraße erheblich beeinträchtigen können. An bestimmten Tagen im Jahr sind die Pässe sogar für den Verkehr gesperrt, neben dem Sellaronda Bike Day gibt es inzwischen auch noch den Dolomites Bike Day!
Wir gehören heute der Spezies Klettersteiggeher an und entsprechend ziehen wir zur Kleinen Cirspitze, gemeinsam mit vielen anderen Ferratisti. Es hat sich eine neue Bergsportdisziplin entwickelt, manche haben sich nur auf Klettersteige spezialisiert und hängen überall ihr Set ein wo ein Stahlseil verläuft.
Auch wir haben die Karabiner dabei und schon ziehen wir uns der Kleinen Cirspitze entgegen. Mit B/C bewertet gehört der Klettersteig zu den mäßig schwierigen, ist bestens versichert und teilweise neu angelegt. Entsprechend turnt hier ein buntes Publikum herum und Wartezeiten sind einzuplanen. Heute hält sich der Andrang noch in Grenzen und wir erreichen den Gipfel in Normzeit.
Exkurs1:
Als ich vor einigen Jahren einem erfahrenen Bergsteiger von den Klettersteigschwierigkeitseinstufungen erzählt habe, hat er mich ganz erstaunt angeblickt. Für ihn war das neu, Klettersteig war für ihn Klettersteig, über verschiedene Schwierigkeiten hatte er bis dato gar nicht nachgedacht!?

Nach der Kleinen Cirspitze bin ich natürlich nicht ausgelastet und hänge, wie wohl die meisten anderen auch, noch die Große Cirspitze an. Vom Gipfel gibt es einen vorbildlichen Abstiegsweg, so kommen sich die Begeher nicht in die Quere und nach ca. 100 Höhenmetern führt ein Steig Richtung Osten zur Nachbarin. Zuerst steigt man in einer gerölligen Schucht ein Stück an und dann quert ein verstecktes Band in die Südflanke. Eigentlich unschwierig und mit Drahtseil gesichert, ist der Felsen von den vielen Begehungen aber so speckig, dass ernsthaft Vorsicht geboten ist.
Und kaum sichtet er ein Drahtseil, holt der moderne "Ferratista" sein Klettersteigset heraus und hängt die Karabiner ein, ein Reflex!? Gut, dass ich eine Gruppe reifer Französinnen noch vor der Stahlseilpassage überholen kann, wer weiß, ob mein Sprit für Überholmanöver gereicht hätte.
Exkurs2:
Eine leicht übergewichtige Dame will gerade den Zebrastreifen queren, als ein junger Mopedfahrer nur um Haaresbreite an ihr vorbeifährt. Sie ruft ihm erschrocken zu: "Junger Mann, hätten sie nicht ein Stück um mich herumfahren können?" Der junge Mann ruft zurück: "Ich weiß nicht, ob mein Sprit dafür gereicht hätte!?"

Mein Sprit reicht noch locker für die größte der Cirspitzen und ich stelle mich kurz neben all die anderen Aspiranten und höre dem bunten Sprachengemisch zu. Doch ich habe eine Verabredung an der Frarahütte und schon bin ich wieder verschwunden.
Mit der gebotenen Vorsicht schleiche ich mich durch das schottrige Geläuf abwärts und stelle mich an der Stahlseilpassage hinter einer Gruppe mit Kleinkindern an. Die kurze Verzögerung genieße ich, meine Begleiterinnen sind noch lange nicht am Treffpunkt und ich schaue mir entspannt die bunte Gesellschaft vor mir an. Als auch der letzte FC Bayernfan ausgeklinkt ist, steige ich hurtig ab, bis ich aus der Steinschlagzone bin, andere tragen den Helm hier lieber am Rucksack spazieren!?
Von unten dröhnen schon die Motorräder, ich steige meinen Begleiterinnen ein Stück entgegen und gemeinsam stehen wir bald wieder am Grödnerjoch, bereit für ein erfrischendes Kaltgetränk und ein Stück Kuchen. Wir genießen den herrlichen Ausblick im Weltnaturerbe und bei der Abfahrt staunen wir über die bunte Blumenwelt. Neben den obligatorischen Feuerlilien säumen heuer auch Massen von Türkenbundlilien die Hänge direkt neben der Straße, das bunte Volk auf zwei Rädern hat für solche Nebensächlichkeiten natürlich keine Blicke.