Wolkentanz am Arnigrat


Publiziert von raphiontherocks , 14. Juni 2023 um 14:46.

Region: Welt » Schweiz » Obwalden
Tour Datum: 8 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Westliche Melchtaler Alpen   CH-OW 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:Ober-Mus - Wengenhorn - Wandelen - Arnigrat - Stucklichrüz - Ober-Mus

Tour: Von Ober-Mus aus im Gegenuhrzeigersinn über den Arnigrat

Route: Ober-Mus (1299m) - P. 1386m - P. 1577m - Sattel zw. Wengenhorn und Wandelen (2061m) - Wengenhorn (2099m) - Wandelen (2104m) - Arnigrat bis P. 2028m - Stockalp (1830m) - Stucklichrüz (1801m) - P. 1684m - P. 1577m - P. 1386m - Ober-Mus (1299m)

Wegbeschreibung:
Ich habe meine beiden Wanderkollegen vom Flachland aus mit dem Auto am Bhf. Sarnen abgeholt und sind dann via Flüeli Ranft auf schmaler, aber gut ausgebauten und zu meiner Erleichterung einfach zu befahrener Waldstrasse zu unserem Startpunkt an einem kleinen Parkplatz ca. 250m hinter Ober-Mus hoch gefahren. Der Wanderweg beginnt beim Kreuz der Alp und führt sogleich über eine Alpweide den Hang hinauf. Schon hier merkt man, dass dieser Weg nicht zu den oft besuchtesten gehört, er ist ordentlich zugewachsen, aber die Markierungspfosten sind in regelmässigen Abständen vorhanden und in einwandfreiem Zustand. An neugierigen Kühen vorbei geht es ziemlich direkt hinauf zu P. 1386m wo ein wortkarger Bergbauer nach seinem Stall sieht. Unser Weg führt weiter nach oben, zuerst auf einer Art Waldstrasse in einem Rank durch den Fichtenwald und verliert sich dann etwas als wir aus dem Wald herauskommen. Da ist P. 1577m aber schon sichtbar und nach wenigen Minuten erreicht. Wir machen eine kurze Trinkpause und cremen uns nochmals mit Sonnencreme ein. Auch hier werkelt ein Landwirt im Hintergrund, der Alpaufzug scheint bald bevorzustehen. Spätestens hier müssen wir entscheiden, in welche Richtung wir den Arnigrat unter die Füsse nehmen wollen. Während ich für Uhrzeigersinn stimme, da ich die Sonne lieber im Gesicht als im Nacken habe, werde ich von den anderen beiden überstimmt, da man im Gegenuhrzeigersinn mehr vom Panorama habe. Mir soll's recht sein, weiter geht's. T2, ca. 40min.

Das nächste Wegstück führt ins Täli zwischen Wandelen und Wengenhorn und verläuft leicht rechts/westlich der Rinne im Hang. Bald werden die Markierungen spärlich, der Weg ist auch nicht mehr ganz durchgehend vorhanden. Das Terrain bleibt aber noch lieblich und der grobe Wegverlauf ist schon weit im Voraus gut erkennbar und logisch. Einmal müssen wir ein kleines Bachbett überspringen und zwei, drei Mal wenige Meter über kleine Schneefelder gehen. Kurz vor dem Sattel verläuft der Weg dann im Zickzack. Ganz zuoberst sorgt ein noch ein etwas grösseres, steileres Schneefeld auf den letzten paar Höhenmeter für eine erste Herausforderung. Mit gutem Schuhprofil und auf allen Vieren umgehen wir es im noch nassen, plattgedrückten Gras links und geniessen zum ersten Mal heute den Blick in Richtung Hochalpen. Keine 10min später stehen wir auf dem Wengenhorn und machen Mittagspause. Während unseres Aufstiegs hat sich die Wetterlage bereits von "gut" zu "da könnte noch was kommen" geändert, sodass wir schnell entscheiden, den Heitlistock sein zu lassen, obwohl wir zeitmässig gut unterwegs gewesen wären. T3, ziemlich genau 2h vom Auto bis hier inkl. Pausen.

Bereits in den obersten Metern im Aufstieg zum Sattel hat man einen guten Einblick in den Arnigrat. Vom Wengenhorn oder Wandelen ausgesehen präsentiert er sich doch als ziemlich scharfer Grat. Vor allem P. 2083m zwischen dem Wandelen und dem Astelhorn sieht aus der Ferne recht anspruchsvoll aus, sodass ich zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Anspannung nicht leugnen kann. Wir sehen immer wieder Leute den Grat entlang wandern, aber verpassen es immer genau dann zu schauen, wenn sie über diese Stelle gehen. Dafür ist der Grat relativ kurz und ohne grosses Auf und Ab.

Nach einer ungefähr halbstündigen Mittagspause gehen wir via Sattel weiter zum Wandelen, dem höchsten Punkt unserer heutigen Tour. Im Aufstieg auf diesen erkundige ich mich noch kurz bei entgegenkommenden Wanderen über die schwierigsten Stellen und sie meinen es sei kein Problem und sie hätten nur ungefähr 1.5h für den Grat gebraucht. Soweit so gut. Ab dem Gipfel des Wandelen beginnt dann der Alpinwanderweg des Arnigrats. Zuerst mehr oder weniger horizontal auf einem durchgehenden Weglein in noch eher lieblichen Terrain rückt die vorher genannte Stelle schnell näher. Fast ebenso schnell wird klar, dass die "Schlüsselstelle" bei dieser Spitze nicht überkraxelt werden muss, sondern der geschickt angelegte, durchgehende Wanderweg diese Stelle mit einer S-Kurve überwindet. Abschüssig ist es hier allemal, aber überhaupt nicht schwierig. Dies gilt eigentlich für den gesamten Grat. Der Weg ist zwar schmal, aber durchgehend vorhanden und dadurch nicht schwierig, falsch gehen kann man auch nicht, aber tödlich abschüssig ist es links und rechts definitiv. In leichtem Auf und Ab, mal auf der Gratschneide, mal in der obersten Südflanke, ist P. 2028m erstaunlich schnell erreicht. Das ist auch gut so, hat sich doch inzwischen gegenüber beim Mittaggüpfi eine kleine Gewitterzelle gebildet und auch in Richtung Hochalpen scheinen bald verbreitet Regenschauer oder gar Gewitter möglich zu sein. Daher lassen wir auch das Hohmad und den Dossen, die wir bis hier noch als Ersatz für den Heitlistock offengelassen haben, sein und steigen zur Stockalp ab, die wir bald erreichen. Hier endet der offizielle Alpinwanderweg. Nach weiteren Minuten erreichen wir das Stucklichrüz und es beginnt tatsächlich schon leicht zu tröpfeln, während das Gewitter gegenüber am Pilatus ordentlich Wasser lässt. T4 auf dem Grat und bis zur Stockalp, danach T2, genau 1h auf dem Grat plus ca. eine Viertelstunde zur Stockalp.

Vom Stucklichrüz wandern wir auf dem Bergwanderweg zu P. 1684m und von dort auf der Kiesstrasse zu P. 1577m, wo wir unsere Lassoschlaufe vollenden. Hier bemerkten wir, dass nun auch von Süden ernstzunehmende Wolken über den Arnigrat ziehen, es regnet zwar nicht mehr aber auch in diesen Wolken hustet es ein paar Mal. Überraschend sind auch jetzt noch Wanderer auf dem Grat. Wir nehmen den von P. 1577m den gleichen Weg via P. 1386m und den Kühen vorbei hinab zur Ober-Mus und erreichen das Auto um ca. 15:15 Uhr. Eine halbe Stunde später lade ich meine beiden Mitstreiter in Sarnen ab. T2, 1h.

Schwierigkeit: Der Schwierigkeitsgrad dieser Wanderung definiert sich vor allem über das Gelände, in dem der Weg auf dem Arnigrat verläuft. Die Gratschneide ist deutlich steil genug damit ein Absturz an den meisten Stellen tödlich enden würde und der Weg, wenn auch praktisch durchgehend als Pfad vorhanden, ist derart schmal, dass er auch in der Horizontalen keinen Fehltritt verzeiht. Ein frühzeitiges Abkürzen ist auf dem Arnigrat nicht möglich, aber dieses Teilstück ist letzten Endes ziemlich kurz. Diese Faktoren rechtfertigen meiner Meinung nach bereits die Klassifikation als T4, auch wenn die Wanderung auf dem SAC-Portal komischerweise mit T3+ eingestuft wird. Die Markierung ist aber stets weiss-blau-weiss, auch der Abstieg zur Stockalp, der dann definitiv nicht mehr alpin anmutet. Die technischen Herausforderungen sind praktisch nichtexistent, Sicherungen wie Ketten oder Seile sind nirgends installiert. Da ich diese Wanderung unter dem Strich etwa gleich schwer wie den Oberbauenstock oder den Druesberg empfand, bleibe ich bei meiner T4 à la "definitiv alpin, aber nicht mehr".

Wegzeit: Auto ab (10:05 Uhr), Auto an (15:15 Uhr). Geschätzt eine Stunde für Pausen und Fotostopps. Der eine Kollege hat mit seiner Apple Watch eine "Verstrichene Zeit" von 5h 3min, eine "Gesamtzeit" von 3h 59min und eine "Zeit in Bewegung" von 3h 18min gemessen. Swisstopo zeigt 4h 50min reine Gehzeit an.

Anforderungen: Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und gutes Schuhwerk (mindestens Trekkingschuhe, besser Wander-/Bergschuhe) sind ein Muss. 

Bedingungen: Zuerst trocken, schön und nicht zu warm, dann zunehmend instabil, bewölkt mit Gewitterneigung. Eindrücklich war die Gewitterzelle am Pilatusmassiv schon: zuerst sonnig (Start), dann Sturzregen mit Donner als wir am Arnigrat waren, dann wieder sonnig als wir beim Auto ankamen und als ich auf der Heimfahrt vor dem Sonnenbergtunnel ein letztes Mal in den Rückspiegel schaute war es am Pilatus wieder rabenschwarz. Es ist immer wieder eindrücklich, wie volatil und unvorhersehbar das Wetter in den Bergen sein kann, trotz Wetterapp und den Technologien des 21. Jahrhunderts.

Cheers,
raphiontherocks







Tourengänger: raphiontherocks


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Kommentare (7)


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Wanderer82 hat gesagt:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 11:16
Ich denke, die Einstufung in T3 oder T4 hat nichts damit zu tun, ob man irgendwo tödlich abstürzen könnte. Das kann man auch auf T2-Wegen problemlos.Tatsächlich empfand ich den Arnigrat auch eher so wie den Lisengrat, der genau zwischen T3 und T4 liegt. Faktoren wie möglicher Schnee oder Nässe werden in der Bewertung nicht berücksichtigt, da man eigentlich immer von guten Bedingungen ausgeht. Es sei denn auf einem Weg liegt in den meisten Fällen noch Schnee oder es ist normalerweise immer feucht und rutschig.

raphiontherocks hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 20:08
Also das stimmt nur teilweise. Das Gelände fliesst sehr wohl in die Einstufung eines Wanderwegs mit ein, es wird sogar explizit in der SAC-Wanderskala festgehalten. Unter T4 steht dort "Gelände bereits recht exponiert", was auf den Arnigrat definitiv zutrifft. Natürlich kann man auch auf einem T2 abstürzen, aber es braucht dort deutlich mehr bis es so weit kommt, während auf einem Alpinwanderweg eine Unachtsamkeit, ein Straucheln oder eine Synkope schon ausreichen kann. Ich denke, in Anbetracht aller Faktoren geht das T4 in Ordnung. Auch die wbw-Markierungen und Swisstopo sehen das so. Wieso der SAC die Route auf dem Tourenportal als T3+ führt ist mir schleierhaft. Den Lisengrat kenne ich nicht, der ist auf Swisstopo rot markiert, ich könnte mir vorstellen dass der Weg viel häufiger begangen wird und deshalb vielleicht etwas besser ausgebaut, breiter und evtl. mit Sicherungen versehen ist? Mit den guten Bedingungen hast du natürlich vollkommen recht, das war mehr als Ratschlag von mir gedacht, sich den Weg nicht bei schlechtem Wetter zuzumuten.

Wanderer82 hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 20:30
Ja, ich geb dir recht. Das Gelände fliesst natürlich ein.Aber die Tatsache, ob man irgendwo tödlich abstürzen kann, ist natürlich nicht entscheidend, höchstens wie gross auf Grund der Schwierigkeit und Exponiertheit des Geländes das Risiko ist, das stimmt.

Der Lisengrat war früher mal als T4-Referenz angegeben, jetzt ist es keine Referenztour mehr und, wie du gesehen hast, rot-weiss markiert. Meines Empfindens nach liegt er aber genau zwischen T3 und T4. Eine bestimmte Markierung ist auch kein Garant dafür, dass ein Weg besonders schwierig / gefährlich oder nicht ist. Es gibt auch Wege, da will er Kanton einfach, dass sie blau-weiss eingetragen werden, obwohl sie nur T3 sind. Und im Wallis gibt es einen Weg auf "La Routia", den ich als gegen T5 in kurzen Passagen einstufen würde, der trotzdem rot-weiss markiert ist.

Aber wenn man mit T bewertet, spielt die Markierung im Prinzip sowieso keine Rolle, da es, wie oben ausgeführt, nicht konsequent gemacht wird mit den Markierungen.

raphiontherocks hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 20:55
Hm ok das mit dem Kanton wusste ich definitiv noch nicht. Ich dachte, Wanderwege Schweiz o.Ä. wäre für die Markierung verantwortlich, aber es wäre ja typisch Schweiz wenn jeder Kanton sein eigenes Süppchen kocht und das letzte Wort haben muss^^

Wanderer82 hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juni 2023 um 21:11
Für die Markierungen sind wohl schon Organisationen verantwortlich. Aber es gibt Wege, die will der Kanton einfach nicht mehr so intensiv unterhalten, die waren vorher rot-weiss, dann macht man sie einfach blau-weiss. Anscheinend sieht da dann die Haftung bei Unfällen ein wenig anders aus, darum wird das gemacht.

Hallodri82 hat gesagt: Einschätzung
Gesendet am 16. Juni 2023 um 14:14
Lieber Raphi

Möchte nicht schimpfen, aber mit den Hinweisen "ein Absturz" wird wohl tödlich sein", kann ich derart qualifiziert irgendwie nicht wirklich viel anfangen.

Man sollte wirklich auch noch eintragen, wie wahrscheinlich denn ein solcher Absturz ist. Wenn ich auf dem Bahnsteig bin und neben mir donnert der Güterzug vorbei dann ist ein Absturz auch tödlich, aber ich bin ja auf dem Perron und stürze nicht. Natürlich ist auf einem Arnigrat der Weg schmal, aber eine Person die grade aus zu gehen vermag, die kann diesen Weg doch gut begehen?

Ich meine es ist doch etwas anderes wenn man auf einem Bianco-Grat unterwegs ist (nicht dass ich das jemals machen würde), auf welchem man sich nicht nur fortbewegen kann indem man "einfach" geradeaus geht oder zB wenn ich hier verschiedene Referenz T6-Touren lese (wo man wirklich auch Technik braucht um überhaupt vorwärts zu kommen in ausgesetztem Gelände).

Liebe Grüsse


raphiontherocks hat gesagt: RE:Einschätzung
Gesendet am 16. Juni 2023 um 20:25
Logisch, aber man kann auch tot aus dem Bett fallen. Schlussendlich ist das Gelände einfach einer der vielen Parameter, die in die Einstufung einer Wanderroute einfliesst. Am Arnigrat dürften das Gelände und der damit bedingte schmale Weg die einzigen Argumente für ein T4 sein und m. M. n. den feinen Unterschied zum Mythenweg oder Schwägalpweg auf den Säntis (beide T3), deren Routen zwar auch in steilem Gelände verlaufen, aber breiter und besser ausgebaut sind. Es müssen nicht alle T4-Kriterien gemäss SAC-Skala erfüllt sein, um eine T4-Bewertung zu rechtfertigen. Offensichtlich stuft auch Wanderwege Schweiz (WWS) den Arnigrat mit T4 ein, denn sonst wäre er nicht wbw markiert. Letzten Endes ist mein Bericht eine Erfahrungsbericht und lässt als solchen einen gewissen Diskussionsspielraum offen.


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