Vogelberg über seinen gesamten Westgrat plus eine Art Geissberg-Trilogie


Publiziert von Hallodri82 , 23. Mai 2023 um 22:33.

Region: Welt » Schweiz » Solothurn
Tour Datum:23 Mai 2023
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SO   CH-BL 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 805 m
Abstieg: 805 m
Strecke:14.5

Auf meinen zahlreichen Touren mit meinen Kindern kommen mir immer wieder mal auch Ideen in den Sinn für Touren ohne die Kinder. Als ich mal Anfang Jahr mit meinen beiden Töchtern bei Temperaturen so ca um den Nullpunkt herum vom Neuhüsli zum Chessiloch/und noch knapp weiter spazierte (und wieder umkehren musste aufgrund der Temperaturen), schweifte mein Blick die ungemein steile Flanke hoch wo auf der Karte "Glatti Flue" steht. Ich sinnierte: wie schaut es eigentlich dort oben aus? Ist es eine Abbruchkante so im Stile vom Homberg? oder ist es eine Krete? Zuhause, beim Kartenstudium merkte ich dann, dass beim Chessiloch eigentlich der langgezogene Bergzug beginnt, der gewissermassen im Vogelberg "kulminiert". Eine solche "Vogelberg-Gratüberschreitung" beschäftigte mich dann einige Monate lang immer wieder mal, zumal auf Hikr es keine Berichte diesbezüglich gibt (oder ich habe sie nicht gefunden). Weil ich über den Mittag etwas Zeit hatte, stellte ich mir eine Rundtour zusammen, die noch weitere Pendenzen abhakte.

Ich stelle den PW auf dem grossen Parkplatz beim Neuhüsli ab und ein lockerer Trab bringt mich bis Chessiloch. Dort wo auf Swisstopo der letzte Buchstaben von "Chessiloch" ist, also das "h", steige ich, mich also nach Westen orientierend in die sehr steile Halde ein. Nach ca 10 Höhenmetern kommt bereits ein erster bemooster Felsriegel, den man von der Strasse aus sieht. Ich umgehe eine Nase auf einem Absätzchen Richtung Norden (zu meiner Rechten der Moos-Fels, zu meiner Linken geht es nach ca 2 Metern dann abrupt scharf runter. Nach ca 2 flachen Metern erreiche ich den eigentlichen Grat des Vogelbergs (der ganz zum Schluss ja in Nord-Süd-Richtung verläuft. T3.

Relativ lieblich geht es dann einige Höhenmetern aufwärts, eine erste ungemein beemooste Steilstufe darf in ehrlichem I-Klettern erklommen werden. Auf der anderen Seite der Steilstufe geht es wieder runter und man schreitet einige Meter auf einer relativ breiten Krete. Alsbald wendet sich der Berg gewissermassen in die West-Ost-Richtung und steilt stark auf. Auf einem relativ grasigen Abschnitt mit lichtem Baumbestand erreicht man in Bälde den ersten echten Felsaufschwung. Bis dahin ein knappes T3.

Ich umgehe die ersten ca zwei Meter in Marschrichtung links in der Hoffnung in Bälde direkt auf dem Fels hochzukraxeln. Ich inspiziere und merke, dass das für mich nicht machbar ist da mindestens in T5-Bereich. Weshalb? zu meiner Linken ein vertikaler, tiefer "Drop". Zu meiner Rechten: der Felsaufschwung. Dieser ist a) ca 40 cm breit, b) leicht geneigt, c) hat einige wacklige Steine und d) auf der anderen Seite geht es auch ca 2.5 Meter runter. Wie soll es also weitergehen? Direkt vor mir liefe ein schmales Band weiter, direkt an dem enorm abschüssigen Gelände entlang, auch nicht mit einem ausgetretenen Pfad oder so. Also übersteige ich den Felsriegel und umgehe ihn unschwierig auf der rechten Seite. T3 (das direkte Kraxeln auf dem Riegel wie gesagt tief im T5 würde ich mal sagen). Deswegen kann man diesen Riegel auch nicht als Schlüsselstelle bezeichnen, da er eine unschwierige Umgehungsmöglichkeit hat. 

Nach ca 10 Metern Umgehung gelange ich sofort wieder auf den Grat. Dieser ist nun auf der linken (nördlichen Seite) vertikal abschüssig und auf der rechten Seite ordentlich steil. Aber stets nie so steil, dass man nicht auch etwas nach Süden ausweichen könnte. Teilweise ist der Grat auch nicht viel breiter als 50 cm. T3.

In Bälde erreiche ich einen nächsten enorm schmalen Riegel. Auch dieser ist lediglich ca 40 cm breit, mit der selben Abschüssigkeitsthematik wie der erste. Tendenziell wirkt er "von Aussen betrachtet noch schwieriger". Ich überwinde ca 3 Meter auf allen vieren, links und rechts abschüssig (auch diese Stelle könnte allerdings rechts umgangen werden (meiner "Route" gebe ich ein T4). Danach steige ich ca 1.5 Meter ab und umgehe den enorm scharfen und abschüssigen Felsgrat auf der südlichen Seite. Die direkte Begehung täte ich wieder tief ins T5 einordnen. Beziehungsweise ich weiss gar nicht ob der Fels dort ein "Menschengewicht" überhaupt aushalten täte.

Danach geht es in solidem T2 eher lieblich weiter, bis der Grat dann (unschwierig) bis zum Bielieggli wieder etwas aufsteilt.

Kurz vor dem Bielieggli eröffnet sich ein fantastischer Blick nach Norden, in Richtung des Gebiets "Ulmet". Ich erreiche das Bielieggli und denke mir: "Mensch, da bist du aber auf einer einsamen Route unterwegs". Das Bielieggli selber eröffnet einen schönen Ausblick nach Westen, so in Richtung Gritthorn et al. Dennoch ist das Bielieggli selber nicht der aussichtsreichste Berg. Der Punkt dürfte ohnehin so ca nie besucht werden. Ein vor vielen Jahren wohl mal von Menschenhand errichteter Weg dürfte vielleicht ab und an von Baselland-Grenzgänger-Afficionados begangen werden, welche diesen Weg als Grenzersatz verwenden dürften (die Kantonsgrenze verläuft weiter nördlich in der Flanke des Schwangwalds (zumindest per Karte nicht auf offiziellem Weg). Der Weg führt ab Bielieggli konstant aufwärts, ist enorm botanisch, kleine Tännchen und Buchen wechseln sich ab, immer wieder mal höheres Gras, Totholz etc. Etwas schnaufend erreichte ich Pt 992 und somit wieder einen Hauch Zivilisation (gelber WW). T2.

Aufatmen kann ich nicht wirklich, denn der WW führt gnadenlos steil und gerade weiter bergan. Nach Pt 1078 muss ich die erste wirkliche Schlüsselstelle überwinden, nämlich eine Kuhherde, die auf dem WW sich befindet. Sie schauen mich aber eher gelangweilt an. Nach dem kleinen Wieschen beginnt einer der schönsten Abschnitte, auf schattigem Gras quert man ein schönes Wäldchen und fühlt sich echt wie in den Alpen. Auf der Schwangweid darf ich dann Mitten durch die nächste Kuhherde durch. Etwas enervierend ist es schon, aber auch diese Kühe haben wohl andere Sorgen momentan. Die Schwangweid ist wirklich wunderschön. Tausende blühende Löwenzähne und in der Ferne der im Hochnebel eingepackte Geitenberg plus die Dachsflue etc sind zu sehen. Bei Pt 1179 biege ich kurz auf dem offiziellen WW in den Wald ab und dieser spuckt mich dann wieder aus beim Wanderpass Passwang. Ehrensache, dass ich natürlich noch die Gratbegehung abschliesse und Vogelberg Westgipfel besteige (ohne Aussicht). Ich gehe weiter und nehme zum ersten Mal das südliche, gut angelegte Weglein zum Vogelberg Hauptgipfel. T2.

Der Schlussanstieg zum Hauptgipfel ist eine kurze Kraxelei in Ier-Kletterei. T3 auf dem letzten Abschnitt. In Summe gefällt mir der Normalweg durch den tollen alten Buchenwald aber dennoch besser. 

In leichtem Tschöggi laufe ich im Stile einer übergewichtigen Gemse den schönen Vogelberg-Grat runter und erreiche viel zu schnell den Sattel um Pt 1152.

Voilà, das ist sie, meine Vogelberg Westgrad-"Besteigung".

Der Grasweg bis zur Alpwirtschaft Vogelberg ist heute ein Traum. Bis dahin alles T2. Der Hund begrüsst mich recht unsympathisch, das erstaunt mich etwas hatte die Beiz heute ja offen und ist die Wirtschaft ja einigermassen touristisch. Etwas uncool. Der Weiterweg mit Blick ins Bogental und darüberhinaus wie immer traumhaft. Heute mit Tausenden Blumen und den Hügeln im Nebel. Rasch bin ich oben auf dem Schattbergpass. T2. Zu den Ketten: hier auf Hikr, sowie auch jedes Mal, wenn ich mit Kollegen unterwegs bin, machen sich alle lustig über diese Ketten, da der Weg zwar sehr spannend "aus dem Fels gehauen" wirkt, aber ungefährlich ist. Ich gehe aber davon aus, dass diese Ketten nicht wegen Absturzgefahr dort sind sondern wegen Ausrutschgefahr. Das Gebiet Wasserfallen vermarktet sich ja seit jeher als "Ganzjahres-Wandergebiet" und auch ich war dort im Winter schon mehrmals oben und war froh um die Ketten, während ich über die vereisten Kalkfelsen gestiegen bin.

Sodann via Grauboden (immer wieder sehr schön) auf dem offiziellen WW bis zur Ulmethöchi. T1 (ab Grauboden), Abstieg vom Pass ist T2.. Kurz vor der Ulmethöchi dann standardmässig IMMER die Kuhherde auf dem WW. Frage an die Experten: was sind die farbigen gezackten Ringe, welche alle Rinder dort tragen?

Die Nervosität steigt bei mir nun spürbar an. Weshalb? Ich möchte gerne die drei Geissberge "besteigen". Weil diese aber in einem, für Jura-Verhältnisse, riesigen Gebiet liegen ohne Wanderwege-Netz bedeutet das: Bauernhof-Gebiet und Weidegebiete. Ich passiere den Hof Ulmet, auf welchem ich niemanden antreffe und darf dann bis zum Pt 961 wieder an einer Kuhherde vorbei. Da hatten sie wohl Hunger, denn lautes Muhen war die Norm. Die Kühe grasten allerdings relativ hoch oben gegen die Ämmenegg, ausser einer einzigen Kuh am Wegesrande. Und diese Kuh war fast unfassbar gross. Sie muht etwas aber ansonsten war es das. Ich biege dennoch erleichtert ab Richtung Geissberg (Reservoir). Die Sonne ist aus dem Hochnebel raustegreten und prügelt nun gnadenlos auf mich runter. Perfekt für einen Aufstieg auf einem geraden Weg in einer Wiese ohne Bäume. Bis zum Reservoir, dann war zum Glück wieder Wald angesagt. T1. Der Aufstieg dann auf einem "man-made" Weglein, unschwierig bis zum Gipfel des Höch Geissberg. Dort gibt es gewissermassen einen Hauptgipfel und dann führt ein schön angelegtes Weglein raus auf einem ausgesetzten Vorgipfel auf dem Felsen den man von der Ämmenegg her so prominent sieht. Dieser Vorgipfel ist aber genügend breit, so dass er nicht wirklich gefährlich ist. T2, allerhöchstens T3, für Erwachsene, aber mit Kindern wäre ich dort oben massiv vorsichtig. Aussicht: genial nach Norden zur Ämmenegg und nach Westen zum Hirnichopf und weiter hinten liegenden Güpfen.

Ein Pfädli führt sodann weiter nach Südwesten, Vorsicht mitten auf dem Pfad ist ein Stacheldraht. Ich folge dem Weglein nicht lange, denn alsbald überquere ich die wunderschöne Blumenwiese auf welcher die Kantonsgrenze BL/SO verläuft, und zwar auf ihrem breiten Kamm, welcher leicht westlich der Grenze auf SO-Boden liegt. Ich besuche noch kurz den aussichtslosen und namenlosen Pt 1017, den ich mal frech "Süd Geissberg" taufe. Ich empfehle dem geneigten Leser die Wiese nur bis zur Mitte zu überschreiten und sodann nach Westen direkt den eingezeichneten Pfad bei Hinger Geissberg zu finden.

Dieser Abschnitt (Beginn des genannten Pfädleins bis zum Ende der Wiese östlich dem Vorder Geissberg) ist wirklich wunderschön. Die Gegend ist enorm einsam. Dies wird ersichtlich, beim Kartenstudium: Fernab von Bauernhöfen, Fahrstrassen und Wanderwegen ist man dort. Die Wiese ist wunderschön. Eine Blumenpracht. Zudem ist es aussichtsreich in Richtung Westen (Hirnichopf etc). Der schmale Trampelpfad windet sich lieblich die Wiese hinunter. Das ist wirklich ein echter Geheimtipp. T2.

Ich besteige sodann noch den Vorder Geissberg über seine moderat steile Ostflanke. Ist der Weg nicht wirklich schön, so wird man kurz darauf belohnt mit einem kleinen Gipfelfelschen, welches man in ordentlicher Ier-Kletterei erklimmen darf. T3. Aussicht oben nicht wirklich berauschend, da baumbestanden, aber die Mini-Kletterei entschädigt. Auf dem Westkamm kann man sodann runter marschieren, maximal T3, eher T2 wohl, bis man effektiv wieder auf den Forstweg trifft.

Der Forstweg danach ist dann nicht wirklich der Knaller, aber er liefert was er liefern muss: Höhenverlust. T1. Ich erreiche die Weggabelung auf Höhe 880 ca und setze den Weg fort in Richtung Süd-Osten. T2. Dort wo der Weg im Wald einen rechten Winkel macht, von Richtung Süden in Richtung Süd-Ost, wird es nochmals spannend. Zuerst eine scharfe Linkskurve, rechts ist es abschüssig. Dann führt der Weg auf einem schmalen Steiglein über und dann unter den auf der Karte eingezeichneten Felsen hindurch. Dieser Weg ist fast durchgehend mit einem Seil gesichert, aber es erschliesst sich mir nicht ganz weshalb. Rechts zwar schon abschüssig, aber nie vertikal und weg ist sicher 80cm breit oder so. T2 oder vielleicht T3. 

Bei Birchmatt endet dann das Pfädlein mit einem letzten Geländer. Ich folge nun zuerst dem Strässchen, welches wieder auf den offiziellen WW trifft bei Pt 666 und danach geht es zurück nach Neuhüsli. T1.

Fazit: Das war eine sehr einsame Tour. Insbesondere der erste Abschnitt bis nach dem Bielieggli und die Geissberge. Aber es war auch unglaublich schön. Die Tour ist geeignet für explorative Wanderer, welche sich wohl fühlen in einsameren Gefilden und auch für Wiesen-Afficionados. Etwas enervierend waren die vielen Kuhherden und das Geissberg-"Massiv" ist halt eben nicht wirklich zugänglich auf dem offiziellen WW-Netz (Danke an dieser Stelle an den Hof Ulmet).


 

Tourengänger: Hallodri82


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Gratwanderer hat gesagt: danke!
Gesendet am 30. Mai 2023 um 08:01
danke für die wunderschöne idee. der grat ist wirklich traumhaft. ich habe mich meist rechts vom grat gehalten und bin, wo möglich, direkt dem verlauf gefolgt. da pfingstsonntag war, lag der passwang natürlich im epizentrum der ausflügler, aber ab der ulmethöchi und hof ulmet mit pfadilager war wieder seelenruhe.

Hallodri82 hat gesagt: RE:danke!
Gesendet am 30. Mai 2023 um 14:24
Sehr gerne geschehen. Hast du die gleiche Route genommen? Glg!

Gratwanderer hat gesagt: RE:danke!
Gesendet am 30. Mai 2023 um 14:37
ja. im chessilochaufstieg vielleicht einen deut weiter westlich, da der hund nicht so gerne klettert, ansonsten genau die selbe route. den 120grad abzweig zum birchmattwegli hab ich noch um ein paar meter überlaufen. als nächstes möchte ich über den kompletten schattberggrat begehen - mal sehen.

Hallodri82 hat gesagt: RE:danke!
Gesendet am 30. Mai 2023 um 15:23
Ah super. Der Schattberggrat ist ja auf Hikr vom Osteinstieg bis zum Wanderpass gut dokumentiert, ab dann bis Dachsflue aber deutlich weniger. Bin vorm ersten Teil immer zurück geschreckt weil ich Angst habe Steine auf den Wasserfallen WW runter zu treten…


Kommentar hinzufügen»