Ein geheimnisvoller alter Weg...
Die Idee für diese ungewöhnliche Tour kam mir beim Stöbern in der Landeskarte. Dort ist ein Weg schräg durch die Monti di Biasca bis zum oberen Wasserfall (Cascata di Santa Petronilla) eingezeichnet. Die weitere Recherche brachte recht merkwürdige Erkenntnisse. Klar, dass ich mir das mal selbst ansehen muss.
Die Wanderung beginnt unspektakulär mit einem Spaziergang vom Bahnhof durch die Innenstadt von Biasca (ca. 300 m). Schon vom Ort aus ist zu erkennen, wo in etwa der Weg durch die Steilwand verlaufen muss. Nach einer guten Viertelstunde erreiche ich die obere Kirche (St. Peter und Paul), bei der ich quasi das bekannte und beschriebene Terrain verlasse.
Die Wegspur beginnt in etwa bei einer Sitzbank an dem Bergrücken wenig oberhalb der Kirche. Sie ist von vornherein sehr undeutlich, aber die Routenführung ist klar - immer am Gratrücken entlang aufwärts. Zuerst geht es durch offenes Gelände, bald aber durch niedrigen Wald, der schon etwas mühsamer zu durchqueren ist. Zum Glück ist die Vegetation jetzt im Januar recht spärlich. In diesem Bereich darauf achten, nicht zu weit nach Süden abzudriften, sondern immer schön auf dem Rücken bleiben. Bald bemerke ich rechts von mir ein Geröllfeld, das auch in der Karte eingezeichnet ist. Hier wird der Weg auch etwas deutlicher und umgeht das Geröllfeld oberhalb. Vorübergehend weniger ansteigend quert man unterhalb der Steilwände entlang, bis der Pfad plötzlich eine Spitzkehre nach links macht.
Wenige Meter weiter stehe ich plötzlich vor einer glatten Felsstufe und zögere. Bisher gab es praktisch keine Schwierigkeiten außer etwas Dickicht und jetzt da hoch? Die Stelle ist mir suspekt, weil teils nass und vereist, aber auch weil mir nicht klar ist, wie es danach weitergeht. Umkehr? Noch nicht! Vielleicht kann manns ja umgehen? Etwas nördlich fällt mir eine Grasrampe auf, die ich umständlich und durch Dornen erreiche. Steil, aber einigermaßen gestuft (knapp T5) kraxele ich ca. 15 Höhenmeter hoch und habe damit die Felsstelle umgangen. Direkt dort macht der Weg noch eine Spitzkehre, wendet sich also wieder nach Süden. Deshalb konnte ich den Weiterweg von unten auch nicht erkennen. Die nächsten 200 Streckenmeter sind vielleicht das Highlight der ganzen Route: ausgesetzt (gut T4) geht es direkt an der Abbruchkante entlang. Tiefblicke sind garantiert.
Danach verläuft der Pfad, der nun einigermaßen gut zu erkennen ist, weiter innen und deutlich ansteigend auf dem Sceng Lungo. Auf knapp 700 Meter Höhe wird eine kleine Gumpe gequert. Nun ist es nicht mehr weit zum Übergang auf das nächsthöhere Band und damit rückt auch die "verbotene" Parzelle In Ólm in greifbare Nähe. Wie weit werde ich wohl kommen...?
Und tatsächlich stehe ich nach einem weiteren kräftigen Anstieg plötzlich vor einer gewaltigen Absperrung. Zwei Zäune, ein Eisentor und ein Warnschild. Aber - das Tor ist auf!
Also weiter. Kurz darauf kommt dann auch noch eine Überwachungskamera - solarbetrieben. Mit gemischten Gefühlen gehe ich weiter. Vielleicht alles Relikte aus vergangenen Zeiten?
Auf ca. 800 Metern flacht der Weg merklich ab und man kommt an einem hübschen Aussichtpunkt vorbei. Einige Schritte weiter befindet sich die Bergstation der Materialseilbahn (ca. 815 m). Und wieder ein Zaun und ein Gartentürchen. Diesmal verschlossen und mit Warnschild. Hier wohnt noch jemand und was der in seinem Reich so tut, ist seine Sache. Das respektiere ich natürlich und entschließe mich zur Umkehr.
In Abstieg mache ich bei der Gumpe auf dem Sceng Lungo eine Pause. Ein schöner, absolut einsamer Platz. An der Schlüsselstelle benutze ich sicherheitshalber wieder den Weg über das Gras und durch die Dornen, obwohl die Felsstelle wohl auch gegangen wäre (ca. II). In Abstiegsrichtung fällt mir die Orientierung im unteren Bereich etwas schwerer und ich bleibe öfters mal an Dornensträuchern hängen. Dennoch ist das Gelände relativ zahm, sodass die kleinen Verhauer nicht viel Zeit kosten.
Den abschließenden Spaziergang durch Biasca nutze ich, um etwas nachzudenken über all die merkwürdigen Dinge, die ich da oben gesehen habe. Wie wohl der Wasserfall aussieht, den ich nicht verpasst hätte, wenn ich nur 200 Meter weiter hätte gehen können...?
Schwierigkeiten und Gehzeiten
Biasca Bahnhof - St. Peter und Paul: T1, 20 min pro Strecke
St. Peter und Paul - Sceng Lungo - In Ólm: meist T3, Schüsselstelle knapp T5 (15 Höhenmeter) und T4; hin 1 h 30 min, zurück 1 h
Lange Kleidung ist wegen der Dornen sehr ratsam!
Fazit - im derzeitigen Zustand nur für Abenteurer zu empfehlen. Vielleicht ändert sich das ja irgendwann...
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