Monti di Biasca: Sceng Lungo bis In Ólm


Publiziert von Bergmax , 14. Februar 2023 um 22:16.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:28 Januar 2023
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI 
Zeitbedarf: 3:30
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 600 m
Strecke:Biasca Bahnhof - Kirche der heiligen Peter und Paul - Sceng Lungo - In Ólm - gleicher Weg zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto zum Bahnhof Biasca. Reichlich Parkplätze (CHF 6 / Tag). Auch sehr gut mit dem Zug erreichbar.
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Ein geheimnisvoller alter Weg...

Die Idee für diese ungewöhnliche Tour kam mir beim Stöbern in der Landeskarte. Dort ist ein Weg schräg durch die Monti di Biasca bis zum oberen Wasserfall (Cascata di Santa Petronilla) eingezeichnet. Die weitere Recherche brachte recht merkwürdige Erkenntnisse. Klar, dass ich mir das mal selbst ansehen muss.

Die Wanderung beginnt unspektakulär mit einem Spaziergang vom Bahnhof durch die Innenstadt von Biasca (ca. 300 m). Schon vom Ort aus ist zu erkennen, wo in etwa der Weg durch die Steilwand verlaufen muss. Nach einer guten Viertelstunde erreiche ich die obere Kirche (St. Peter und Paul), bei der ich quasi das bekannte und beschriebene Terrain verlasse.

Die Wegspur beginnt in etwa bei einer Sitzbank an dem Bergrücken wenig oberhalb der Kirche. Sie ist von vornherein sehr undeutlich, aber die Routenführung ist klar - immer am Gratrücken entlang aufwärts. Zuerst geht es durch offenes Gelände, bald aber durch niedrigen Wald, der schon etwas mühsamer zu durchqueren ist. Zum Glück ist die Vegetation jetzt im Januar recht spärlich. In diesem Bereich darauf achten, nicht zu weit nach Süden abzudriften, sondern immer schön auf dem Rücken bleiben. Bald bemerke ich rechts von mir ein Geröllfeld, das auch in der Karte eingezeichnet ist. Hier wird der Weg auch etwas deutlicher und umgeht das Geröllfeld oberhalb. Vorübergehend weniger ansteigend quert man unterhalb der Steilwände entlang, bis der Pfad plötzlich eine Spitzkehre nach links macht. 

Wenige Meter weiter stehe ich plötzlich vor einer glatten Felsstufe und zögere. Bisher gab es praktisch keine Schwierigkeiten außer etwas Dickicht und jetzt da hoch? Die Stelle ist mir suspekt, weil teils nass und vereist, aber auch weil mir nicht klar ist, wie es danach weitergeht. Umkehr? Noch nicht! Vielleicht kann manns ja umgehen? Etwas nördlich fällt mir eine Grasrampe auf, die ich umständlich und durch Dornen erreiche. Steil, aber einigermaßen gestuft (knapp T5) kraxele ich ca. 15 Höhenmeter hoch und habe damit die Felsstelle umgangen. Direkt dort macht der Weg noch eine Spitzkehre, wendet sich also wieder nach Süden. Deshalb konnte ich den Weiterweg von unten auch nicht erkennen. Die nächsten 200 Streckenmeter sind vielleicht das Highlight der ganzen Route: ausgesetzt (gut T4) geht es direkt an der Abbruchkante entlang. Tiefblicke sind garantiert.

Danach verläuft der Pfad, der nun einigermaßen gut zu erkennen ist, weiter innen und deutlich ansteigend auf dem Sceng Lungo. Auf knapp 700 Meter Höhe wird eine kleine Gumpe gequert. Nun ist es nicht mehr weit zum Übergang auf das nächsthöhere Band und damit rückt auch die "verbotene" Parzelle In Ólm in greifbare Nähe. Wie weit werde ich wohl kommen...?

Und tatsächlich stehe ich nach einem weiteren kräftigen Anstieg plötzlich vor einer gewaltigen Absperrung. Zwei Zäune, ein Eisentor und ein Warnschild. Aber - das Tor ist auf!
Also weiter. Kurz darauf kommt dann auch noch eine Überwachungskamera - solarbetrieben. Mit gemischten Gefühlen gehe ich weiter. Vielleicht alles Relikte aus vergangenen Zeiten?
Auf ca. 800 Metern flacht der Weg merklich ab und man kommt an einem hübschen Aussichtpunkt vorbei. Einige Schritte weiter befindet sich die Bergstation der Materialseilbahn (ca. 815 m). Und wieder ein Zaun und ein Gartentürchen. Diesmal verschlossen und mit Warnschild. Hier wohnt noch jemand und was der in seinem Reich so tut, ist seine Sache. Das respektiere ich natürlich und entschließe mich zur Umkehr.

In Abstieg mache ich bei der Gumpe auf dem Sceng Lungo eine Pause. Ein schöner, absolut einsamer Platz. An der Schlüsselstelle benutze ich sicherheitshalber wieder den Weg über das Gras und durch die Dornen, obwohl die Felsstelle wohl auch gegangen wäre (ca. II). In Abstiegsrichtung fällt mir die Orientierung im unteren Bereich etwas schwerer und ich bleibe öfters mal an Dornensträuchern hängen. Dennoch ist das Gelände relativ zahm, sodass die kleinen Verhauer nicht viel Zeit kosten.

Den abschließenden Spaziergang durch Biasca nutze ich, um etwas nachzudenken über all die merkwürdigen Dinge, die ich da oben gesehen habe. Wie wohl der Wasserfall aussieht, den ich nicht verpasst hätte, wenn ich nur 200 Meter weiter hätte gehen können...?

Schwierigkeiten und Gehzeiten

Biasca Bahnhof - St. Peter und Paul: T1, 20 min pro Strecke
St. Peter und Paul - Sceng Lungo - In Ólm: meist T3, Schüsselstelle knapp T5 (15 Höhenmeter) und T4; hin 1 h 30 min, zurück 1 h

Lange Kleidung ist wegen der Dornen sehr ratsam!

Fazit - im derzeitigen Zustand nur für Abenteurer zu empfehlen. Vielleicht ändert sich das ja irgendwann...


Tourengänger: Bergmax


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

ABoehlen hat gesagt: Grossartig!
Gesendet am 15. Februar 2023 um 14:01
Hallo Max

Ganz toller Bericht; präzise dokumentiert und reich bebildert! Herzlichen Dank!

Ich habe gehofft, dass dann die Erinnerungen alle zurückkommen, aber leider ist das nicht der Fall. Nur die Schlüsselstelle; an die kann ich mich jetzt wieder besser erinnern, wo ich die Bilder sehe. Diese Felsstufe hatte ich damals irgendwie überklettert, war ja im Mai nicht mehr vereist und nass auch nicht. Vermutlich war der Weg vor knapp 23 Jahren insgesamt noch weniger von der Vegetation bedrängt – so wie du das schilderst, ist es wohl derzeit nur noch im Winter möglich, überhaupt durchzukommen. In ein paar Monaten ist sicher alles völlig überwuchert.

Was dieses offene Tor betrifft: Entweder stand es damals auch offen, oder es existierte noch nicht. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

Noch eine Verständnisfrage: Diese «Materialseilbahn» muss in Wirklichkeit eine private Personenseilbahn sein, oder? Denn wie sonst sollten die Bewohner dieser geheimnisvollen Liegenschaft ihr entlegenes Daheim sonst erreichen…

Beste Grüsse
Adrian

Bergmax hat gesagt: RE:Grossartig!
Gesendet am 15. Februar 2023 um 21:52
Danke für die lobenden Worte, Adrian! Freut mich sehr.

Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass diese Seilbahn Personen transportieren darf. Allerdings bin ich bin kein Experte in der Materie. Die Frage des Zugangs ist jedenfalls berechtigt. Personen: Hubschrauber? Essen (und schlimmeres): Seilbahn?

Viele Grüße

Max

ChristianR hat gesagt:
Gesendet am 15. Februar 2023 um 20:02
Schön erkunden !

Auf der Karte von 1968 im Maßstab 1:50000 sehen wir, dass ein Pfad „In Olm“ mit „Cantoi“ verbindet.

ABoehlen hat gesagt:
Gesendet am 15. Februar 2023 um 20:42
Sehr interessant! Da ich in der Schweiz immer nur die LK25 benutze (auch alte Ausgaben) ist mir diese Verbindung nie aufgefallen. Da die LK50 noch viel weiter zurückreicht, lohnt es sich wirklich, auf der Suche nach alten Pfaden, diese mit zu berücksichtigen!

Diese Verbindung müsste also vom Aufstiegsweg nach Negressima etwas oberhalb der Stelle abbiegen, wo ich vor 23 Jahren diese Aufnahme machte. Da mir das nicht bekannt war, habe ich natürlich nicht darauf geachtet.Der Weg war aber zumindest als einzelnes Fragment sogar noch bis in die 90er Jahr in der LK25 eingetragen, allerdings sehr unauffällig: https://s.geo.admin.ch/9d81f3035e.

Wäre in der Tat spannend, ob dort noch ein Durchkommen ist. Selbst wenn: Die Querung des Baches dürfte herausfordernd sein, auch wenn nicht immer so viel Wasser runterkommt wie im Mai 2000.

Habe jetzt den «Clubführer Tessiner Alpen 3» von Giuseppe Brenna noch durchstöbert, der zahlreiche Pfade auf den Monti di Biasca beschreibt. Leider ist dieser nicht darunter. War er dem Autor nicht bekannt oder beim Erscheinen des Buches (1996) bereits vollkommen unpassierbar?

Bergmax hat gesagt: RE: Variante
Gesendet am 15. Februar 2023 um 22:06
Diese Variante wird in dem Dokument, welches ich im Forum verlinkt habe

(https://kipdf.com/eine-woche-in-cava-unterwegs-in-der-val-pontirone-und-den-monti-di-biasca_5ac8fcb71723dd2b48e4a88b.html)

als T5 bezeichnet.

"R43.03 Variante über In Olm* (P.810) zur Bèdra del Vent (P.852) und zur Route nach Nadro, T5: Route heute nicht mehr gangbar, weil der Besitzer der Liegenschaft In Olm* den Durchgang an obligatorischen Passagen widerrechtlich sperrt. Die Abzweigung in Richtung In Olm* findet sich auf Q.790 wenig nach dem Anfang des Bandes über der Val Alta."

Außerdem: "Ein zweiter Zugang zweigt etwa auf Q.810 vom Weg nach Negressima ab."

Wäre die Zone nicht gesperrt gewesen, hätte ich dies vielleicht im Abstieg probiert...

Viele Grüße

Max

ChristianR hat gesagt: RE: Variante
Gesendet am 16. Februar 2023 um 09:57
Gemäss Katasterplan des Tessins beschränkt sich das Privateigentum auf den nördlichen Teil des Wildbachs «Ri della Froda».

Ein Verbot aus dem südlichen Teil ist daher effektiv illegal (aber vielleicht gibt es eine Vereinbarung mit der Gemeinde, die wir nicht kennen).


Kommentar hinzufügen»