Der Beginn der Schöpfung


Publiziert von rojosuiza , 28. September 2022 um 22:56.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:21 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 

 
Die Erde war wüst und leer...
 
rojosuiza gerät urplötzlich in den Anfang der Schöpfung. Die Erde ist wüst und leer. Plötzlich fliegen – weit, weit unten auf dem Gletschervorfeld – vier prächtige Himmelsvögel auf. Sie sind von leuchtendem Weiss und tiefem Schwarz. Es folgen bald auch die ersten Spuren von Boden-Tieren, und schliesslich von Menschen. Schon hat der Wandersmann  die ersten Verse der Schöpfungsgeschichte hinter sich; es ist nicht nur Licht,  es ist das Leben zurückgekehrt… Noch klammert es sich fest am rauhen Untergrund fest, aber es ist! Und dort vorne, ja, dort wird es schon frecher und lauter, das Leben. Es endet Wüste und Einöde.
 
Wie kommt man nur dazu, so etwas zu schreiben auf einer Bergwanderung? – Was hat man zu erreichen versucht, und was hat man bekommen? – Wie kommt man an den Anbeginn der Zeit? – Nun, man schliesse sich dem Berghelden rojosuiza an. Der steigt von Täsch bergan, nach Arigscheis. Er folgt dem Weg, bis der Weg sich langsam zerfädelt im Gelände und sich schliesslich verliert. Steil sucht der Bergwanderer seinen Weg nach oben, in grossen Steinblöcken und kleinerem Geröll. Es liegt schon lange hier, Flechten leben darauf. Er müht sich immer weiter hinauf, manchmal eine kleine felsige Barriere übersteigend. Hier wächst allerhand Zeugs, in Miniaturausgabe meist. Es zieht plötzlich vorbei die wahre Herrschaft dieses Ortes: Steinböcke! In Minuten überquerend rojosuizas Kuhle, immer bergauf, eine Strecke, wofür der Bergheld Stunden bräuchte.
 
Keuchend kommt rojosuiza an auf 2900 Metern Höhe. Hier öffnet sich der Blick auf den Gletscher und auf den herbeigewünschten Übergang. rojosuiza steht dem Gletscherwulst gegenüber, den er ein Mal erfolgreich überwunden hat, und der ihn das nächste Mal hinabschleuderte in eine Spalte, eine Kuhle im Eis. Der Gletscher ist weiter geschwunden, aber es scheint, als ob die Wulst jetzt steiler geworden sei, als sie vorher je war.
 
Auf dem selben Weg zurück also, wie das letzte Mal? – Wie froh ist der Bergheld, dass er das nicht tut. Zurück nach Täsch geht er zwar, aber der Weg ist anders und neu. Denn Neugier packt den Knaben. Wo die Landeskarte noch Eis verspricht, ist inzwischen fast alles aper – dort unten beim Gletschersee wittert er eine Passage. Am liebsten würde er sich über die Steinehaufen hinabstürzen wollen in die milde Kuhle dort unten – aber wenn es dann zu einem Steilabbruch käme? – Also will er vorsichtig sich hier oben vortasten, immer leise und vorsichtig das Gelände im Auge behalten, damit man im Notfall wieder zurückschwenken könnte auf die Aufstiegsroute.
 
Die 600 Meter Höhenunterschied sind wie aufgeteilt, in Blöcke von je 300 Metern. Aus dem oberen Block sieht man den unteren nicht; auch der Übergang ist nicht einzusehen. Man verbietet sich das einfache Hinabspringen also, direkt zum Schmelzseelein hinab. Vorsichtig tastet man sich nach vorne, um von höherer Warte erst einmal hinabsehen zu können.
 
Schliesslich meint man, genug zu wissen. Immer weiter hinab reicht der Blick. Ist das dort nicht der Beginn einer steilen Seitenmoräne, die sich weiter unten scheinbar immer weiter mässigt, bis sie schliesslich ausläuft in dem gemütlichen Moränelein, wo die ersten Junglärchen gerade erst ansässig geworden sind. Dort, auf 2300 Metern, würde er dann, gemütlich spazierend, wieder auf den Weg zurückkehren. Geht es so? – Es geht fast so.
 
Über grössere und kleinere Blöcke gelangt der Wanderer erfolgreich auf die erste, ganz frische neue Schwemmebene. Hier mag bei viel Wasser auch eine Art Seelein liegen. Er zieht nach vorne dem Abbruch zu. Da ist sie, die Seitenmoräne beginnt. Der Tropf denkt sich den Anfang schwer, da die Moräne steil ist, und das Ende leicht, läuft die Moräne dort doch gemütlich aus. Es ist genau umgekehrt.
 
Am Anfang zwar steil, aber gut begehbar. Zwischendurch kurze, felsigere Passagen, und dort zeigt sich, dass das Gelände mitnichten jungfräulich ist: kurze Wegspuren! Dann wieder Moräne; so ein paar Mal im Wechsel. Jetzt, jetzt kommt die Kür nach der Pflicht. Milder neigt sich die Krone der Moräne. Doch die Rechnung geht nicht auf.  Die Moräne ist an der Nordseite angefressen vom Wasser. So unsicher wird die Stabilität, dass man immer mehr in die Flanke gezwungen wird, bis man schliesslich ganz auf das freudvolle Hinunterspulen auf dem Sandhaufen verzichtet. Grosse und kleine Steinbrocken, eine kleine Schwemmebene, schliesslich ein veritabler Felssturz – riesige Blöcke, fantastische Gesteine! – den es zu umgehen gilt. rojosuiza ist abgemattet vom letzten Stück auf, um, unter der Moräne, aber jetzt folgt der zweite Teil der kleinen Schwemmebene. Hier läuft er ruhig und entspannt weiter, in dem untiefen, trockenen Bachbett. Dort vorn weiss er schon den Weg!
 
Weiss er den Weg? – Auf neue aufsteigen auf die obere Etage, wo er den Weg schon kennt, das will er nicht. Gegensteigungen am Abend, wie verhasst sind sie mir! Gerade nach vorne soll es gehen, zum unteren Stichweg will er. Nur, das Gelände onduliert wild unter mir, grosse Steine, kleine Steine, hinein und hinaus geht es, und schon die nächste Rille vor mir. Der Rote Punkt der Landestopografie sagt: fast! und rojosuiza möchte am liebsten platzen: Wo kommt denn der Scheissweg eindlich einmal! Endlich sagt der Rote Punkt: Du bist auf dem Weg. Wirklich, wahr- und wahrhaftig, aus dem Nichts schält sich der Weg hervor. Mehr noch: hier hat eine gute Seele ihr Werk getan und der Weg ist sogar mit einer Privatmarkierung markiert. rojosuiza dankt dem Markierer.
 
Schon einmal nach wildem Gestolper durch unwegsames Gelände wegsam auf einem Pfad gelandet? – Zwar einlullend und den Verstand wenig fordernd, doch so leicht, so leicht ist das Vorwärtskommen jetzt. Wo der Bergheld stur geradeaus gezottelt wäre, da steigt der Weg gar leicht an, über ein felsiges Hindernislein hinweg, sinkt danach wieder ab, als ob nichts gewesen. So kräftesparend wie es nur möglich ist, bringt der Weg rojosuiza zurück nach Arigscheis.
 
Dank dem Exkurs ins neue Land dort oben zwischen 2900 und 2300 Metern am Rande des früheren Hohlichtgletschers singt eine helle Freude im Köpfchen des Berghelden. Das Überschreiten des Passes Richtung Trifthütte, es ist misslungen. Man ist auf dem Rückmarsch nach Täsch auf der selben Route, wie man gekommen ist. Aber diesen Blick, diesen Blick in die Urgeschichte, nie hätte man den missen wollen…     

Tourengänger: rojosuiza
Communities: Alleingänge/Solo


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Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

ChristianR hat gesagt:
Gesendet am 29. September 2022 um 10:27
Encore une des dernières régions préservées de la Mattertal. Ces endroits deviennent hélas de plus en plus rares...

rojosuiza hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. September 2022 um 11:15
Ils existent encore, est tout est presque deserté en autumne...


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