Überschreitung Meiggelenstock 2415m

Heute nutze ich einen kurzen Heimaturlaub für den Besuch des Meiggelenstocks. Lange habe ich den Berg verschmäht, gar bescheiden erschien er mir inmitten der mächtigen Urner Bergwelt. Datsächlich ist das ein formidabler Aussichtsbalkon hoch über dem Reusstal; hier lassen sich prima Pläne für richtige Bergtouren schmieden... Erreichen lässt er sich ab Wassen als Rundtour oder mit Abstieg nach Göschenen. Auch als Kurztour ab Salbithütte macht er eine gute Figur. Dabei drängt sich beim Blick auf die Karte die Überschreitung ab/zur Bandlücke geradezu auf. Hinweise zur Machbarkeit habe ich weder im Führer noch auf Hikr gefunden. Spontan habe ich's dann trotzdem probiert - und es ging, irgendwie.

Gemütlicher Start kurz vor zehn Uhr vom Dorfplatz in Wassen (916m). Die lärmige Passstrasse habe ich in Kürze hinter mir gelassen und kann mich derart auf den steilen Anstieg durch den Dofbannwald nach Rieteren fokussieren. Es darf geschwitzt werden im feuchtfröhlichen Klima, dafür fliegen die Höhenmeter nur so dahin. Vor der Hütte bei Rieteren, wo ein Einheimischer den Morgen und die Einsamkeit geniesst, gibt's eine kurze Pause. Der Weiterweg durch die Lawinenverbauungen ähnelt einem Spiessrutenlauf, im durchaus positiven Sinne. Zu Füssen des Höreli hat man das Gros der Höhenmeter geschafft und aussichtsreich quert man der Felswand entlang. 

Noch lassen sich die Wolken Zeit mit der angekündigten Auflösung und so bin ich meist zu spät für das perfekte Foto. Vorbei am Chli See, wo ich kurzzeitig den Weg verliere, und weiter zum Gross See - was für ein toller Biwakplatz. Und wie es scheint recht beliebt beim Wandervolke. Ein kurzer Gegenabstieg bringt mich zu den Rohrplatten und erinnert mich an die vom letzten Wettkampf lädierten Knie. Spontan entscheide ich mich für den Abstecher zur Bandlücke (2357m). Oben auf dem Grat kommen Erinnerungen auf an eine grossartige Skitour (klick). Und natürlich kann ich der Versuchung nicht widerstehen, direkt Richtung Meiggelenstock weiterzusteigen, trotz Turnschuhen und feuchten Verhältnissen.

Der Felsgrat ist wild und scharf und bald zwingen mich senkrechte Türme zu einem Ausweichmanöver nach Norden. Beim Wiederaufstieg zum markanten P. 2449 ist das nicht mehr nötig (T5). Aber wie wird das im Gegenabstieg sein? Zunächst turne ich luftig über Gratblöcke, muss aber im unteren Bereich aufgrund senkrechter Abbrüche erneut in nordseitige Rinnen ausweichen (mind. T5/II). Mit meinem Schuhwerk, der Nässe und der geprellten Rippe fühlt sich das eher wie T6 an. Immerhin, der kurze Wiederaufstieg zum Meiggelenstock (2415m) ist praktisch geschenkt, anregende Blockfelshüpferei.

Die Pause verlege ich aufs vorgelagerte Gipfelkreuz. Der Tiefblick ins Reusstal lässt wirklich keine Wünsche übrig, da kann manch höherer Nachbar nicht mithalten. Der Abstieg über Rohr zurück nach Wassen zieht sich, weil sich der Weg über weite Strecken recht rau präsentiert. Kilometermässig etwas kürzer wäre die Variante durch den Bruchwald nach Wattingen. Bloss vergäbe man sich dadurch den wirklichen tollen Blick aufs Dörfchen Wassen mit seiner St.-Gallus-Kirche.