Überschreitung des Hochseilers (2793 m)


Publiziert von Joesti , 29. Juni 2022 um 15:52.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:16 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-S 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:18 km

Tourstart ist der kleine Parkplatz unterhalb der Kirche in Hinterthal. Gegen 5 Uhr ging es los Richtung Bertgenhütte, zunächst an der Kirche vorbei der Strasse folgend und dann rechtsseitig den Pilgerweg an der Urslau entlang. Man kommt nun auf einen Forstweg, die Bertgenhütte ist bereits ausgeschildert, diesem folgt man in Kehren bergauf und nach den ersten etwa 3 km Einlaufen und etwa 300 HM biegt man den Schildern folgend links ab und kommt langsam in alpineres Gelände. 

Der Aufstieg zur Bertgenhütte über den alpinen Weg führt durch Latschen, Geröllbetten und einigen steileren unschwierigen felsigen Abschnitten, die Teils mit Eisengriffen ausgestattet sind. Die Bertgenhütte ist eine Selbstversorgerhütte in toller Lage. An diesem Morgen war sie unbewohnt. Ich folgte dem Weg gleich weiter zum Schneekar. Wobei diesen Juni bis zum felsigen Abschnitt nahezu kein Schnee mehr lag, ein kleineres Schneefeld war noch vorhanden, was problemlos zu umgehen war. 2019 habe ich die Tour zuletzt einmal im Juli gemacht, da waren die Schneebedingungen hier ganz anders und Grödel von großer Hilfe. Man erreicht nun den Felsabschnitt, auch hier liegt bis zur ersten kleineren Schlüsselstelle fast kein Schnee mehr.

Mit erreichen der Felswände liegt im Aufstieg ein Schneekeil, der zunächst rechtsseitig zu übersteigen und dann zu queren ist, um die kleine Schlucht hier entlang der Felswand zu überwinden. Auch wenn die Querung des Schneekeils nur ca. 5 m beträgt, empfiehlt sich trotzdem Grödel überzuziehen, da es recht steil ist! Nach Querung gehts nun durch eine Felsrinne steil hinauf und dann in einem Bogen mithilfe von Eisenstiften an der Felswand entlang wieder in Gehgelände. Der Aufstieg zu den Teufelslöchern geht nun abwechselnd in Gehgelände und leichter Kletterei, ist abwechslungsreich und einer der schönsten Abschnitte der Überschreitung. Einige Abschnitte sind seilversichert oder enthalten Eisengriffe. Meist benötigt man diese jedoch nicht, der Fels ist griffig und fest. Etwa auf der Hälfte des Aufstiegs zu den Teufelslöchern ist nochmals ein größeres Schneefeld in einem steileren Abschnitt zu queren. Der Abschnitt ist seilversichert und rechtsseitig gut zu gehen. Weiter oberhalb "versperrt" eine auslaufende Wechte den Weg. Man kann diese aber umgehen und erreicht nach kurzem Umweg wieder den gekennzeichneten Weg. 

Im oberen Abschnitt sind steilere Passagen mit einander verbundenen Eisenhaken gesichert. Diese haben sicher schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel und sind teilweise stark verbogen. Ich würde jedem davon abraten, diese zu nutzen. Bis auf einen kleinen steilen Aufstieg benötigt man sie als Hilfe eigentlich auch nicht. Zuletzt geht es noch über eine geröllige Rampe und man steht vor den eindrucksvollen Teufelslöchern. Die Kletterschwierigkeit vom Schneekar bis hierhin würde ich mit I+ bewerten.

Nach Durchsteigen des rechten Lochs bekommt man eine traumhaften Blick auf die Hochfläche des steinernen Meeres zwischen Hochkönig und Hochseiler. Auch wenn es erst halb 9 Uhr war, war der Schnee schon sulzig und kein Vergnügen.

Man folgt dem Wegweiser zum Hochseiler zunächst absteigend und links haltend durch den sulzigen Schnee. Im Vergleich zu 2019 lag hier jedoch deutlich weniger und ich nutzte, wo möglich, die schneefreien felsigen Abschnitte. Nach etwa 20 Minuten erreicht man den Gletscher, die Markierungen weisen hier wieder in den obigen Bereich des Gletschers. Die Woche zuvor hatte es Neuschnee gegeben. An den Rändern sowie entlang eines senkenförmigen Bereichs, der sich über den ganzen Gletscher zog, liefen weisse, saubere Schneebänder, die für geringe Tragfähigkeit sprachen.

Ich zog die Grödel über und versuchte zunächst, am markierten Bereich den Gletscher zu queren. Offensichtlich hatte es hier vor kurzem jemand versucht, war tief eingesackt und umgekehrt, die Spuren zeigten das deutlich. Mir erging es nicht anders, ich sackte sofort tief ein, brach ab und kehrte zum Fels zurück. Der Neuschnee lag nur locker auf und es war schlicht zu warm momentan. Ich versuchte es weiter unten entlang der Senke rechtsseitig des helleren Schneebandes. Es war steil und trotz Grödel kam ich anfangs ins Rutschen. Also nahm ich mir mehr Zeit für stabile Trittstandplätze und Stocktests. Im weißen Band der Mulde sackte der Stock wie erwartet tief ein, nach oben war also kein Ausweichen möglich, nach unten kommt nach wenigen Metern das Blankeis. Langsam ging es voran bis zu einem kleinen Geröllfeld. 2019 gab es einen Felssturz und einige größere Blöcke sind hier zum liegen gekommen. Diese überquerte ich soweit wie möglich und von dort ging es wieder auf den Gletscher in direkter Richtung nach oben. Man erreicht hier nach etwa 15 m eine weitere senkenförmige Längsausrichtung. Dieser folgte ich bis zum Hochseiler. Die Randkluft bis zum markierten Einstieg in den Fels sah nicht vertrauenserweckend aus, auch hier waren Bereiche mit Neuschnee bedeckt, die deutlich abgesackter waren als der Altschnee. Ich suchte mir daher eine stabil aussehende Passage weiter vorne, um an den Fels zu kommen und überquerte die Randkluft nach kurzem Standtest zügig mit einem großen Schritt.
Ich war nun am Fels, zur Markierung wären es noch etwa 20 m gewesen, dazu bot der Fels hier nicht genug Griffe. Ich kletterte daher direkt aufwärts, man muss dann zwangsläufig auf das querende markierte Band mit dem Weg stoßen. Hier ging es aber nicht direkt weiter, ein überhängender Bereich mit einer größeren Spalte rechtsseitig verhinderte den direkten Weg. Ein Griffversuch zeigte auch, dass das Gestein hier locker war, zu heikel! Ich umging den Bereich nach links und querte den Überhang von dort recht luftig und nach etwa drei weiteren Griffen war ich dann im Band des Normalweges. Ich würde diesen Teil als Schlüsselstelle der ganzen Überschreitung bezeichnen. Ich war hier bereits, aber so schwierig empfand ich den Einstieg zum Hochseiler noch nie. Aufgrund der abweichenden Route vom markierten Weg bewerte ich diesen Teil mit der Schwierigkeit II+. 

Der weitere Aufstieg bis zum Kreuz ist nun nicht weiter schwierig, der Weg durch den Kamin ist mit Stahseil und Griffen gesichert, auch der Übergang von dort gen Gipfel ist seilversichert. Von dort sind es nur noch wenige Gehmeter und man steht am Kreuz. Kurz vor 10 Uhr stand ich am Gipfel.

Man hat hier einen traumhaften Ausblick über die ganze Region, zu den Hohen Tauern und über die Berchtesgadener Alpen vom Hochkönig zur Schönfeldspitze bis Watzmann und co. Vom Westen zogen Regenwolken auf, da ab 11 Uhr leichter Regen angesagt war (Gewitter erst zum Nachmittag), verbrachte ich nicht sehr lange Zeit am Gipfel. 

Der Abstieg erfogt nun auf der andere Flanke des Hochseilers über den Mosshammersteig zur Torscharte. Zunächst leicht absteigend über den breiten Gipfelrücken, der immer schmaler bis hin zum Grat wird. Hier folgt man dann den Markierungen und steigt über eine steile Felsstufe ab, die mit zwei Eisenstiften entschärft wurde. Der weitere Abstieg erfolgt durch alpines steiles Gelände,zum Teil schottrig und dadurch anstrengend, sichere Tritte zu finden. An einigen Stellen werden nochmal die Hände benötigt. Es regnete leicht, was angenehm war, den schottrigen Abstieg aber nicht einfacher machte. Nach etwa 45 Minuten kommt man dann in reines Gehgelände und erreicht den Rücken der Torscharte. Hier war bestes Bergwetter und ich genoss nochmal eine Pause. Im Abstieg zog dann das erste Gewitter auf und um halb 12 fing es an. Viel früher als vohergesagt, aber auch ein Blick gen Himmel hätte nicht geholfen, es zog von Westen auf, die Gebirgskette des Steinernen Meeres behindert hier die Fernsicht. Es war ein leichtes Gewitter und im Anschluss wieder bestes Bergwetter. Der weitere Abstieg ist unschwieriges T2/T3-Gelände, allerdings sind es noch gut 7 km von der Torscharte nach Hinterthal. Man passiert einen Abschnitt, in dem vor Felssturz gewarnt wird und den man zügig queren soll. 

Etwa 2 km vor Hinterthal zog das nächste Gewitter rein, kurz angekündigt mit heftigen Böen und im Anschluss krätigen Platzregen. Ich passierte das Naturdenkmal der Triefen von Hinterthal, hier tritt Grundwasser in einer Schicht zwischen wasserundurchlässigen Schichten aus und ist eigentlich ein interessanter geologischer Wegpunkt, angesichts des Platzregens aber nicht so spektakulär heute. :-)

Gegen 13:30 Uhr erreichte ich wieder den Parkplatz, die Überschreitung ist eine abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tour mit mehreren Highlights unterwegs! Bei den jetzigen Bedingungen am Gletscher und Einstieg zum Hochseiler würde ich die Tour jedoch nicht mehr alleine machen! 

Nachtrag: Leider gab es mittlerweile an der Schlüsselstelle, der Querung des Gletschers mehrere schwere Unglücke, einer davon endete tödlich. Der Hüttenwirt des Matrashauses postet  regelmässig Infos über die Bedingungen dort auf der Facebookseite des Matrashauses und warnt aktuell aufgrund der Bedingungen eindringlich davor, die Stelle ohne passende Ausrütung zu begehen (Stand 18.08.23). Bitte beherzigt das bei eurer Tourplanung, der tödliche Unfall kurz nach meiner Begehung hat mich sehr beschäftigt!  



Tourengänger: Joesti


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Kommentare (2)


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BergfloHD hat gesagt: Gletscherquerung
Gesendet am 23. August 2024 um 09:09
Schöner Bericht!
Ergänzend möchte ich allen Lesern raten, den Gletscher komplett zu meiden, aufgrund der Schmelze endet der eingezeichnete Weg 10m über dem Gletscher über einem Abbruch.
Am besten direkt von dem Teufelslöchern absteigen, unterhalb des Gletschers queren (Vorsicht Steinschlag) und orografisch links vom Gletscher aufsteigen

Joesti hat gesagt: RE:Gletscherquerung
Gesendet am 15. November 2024 um 06:31
Danke für den Hinweis!


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