Der Hanibal P.2882, ein dem Galenstock vorgelagerter Pfeiler aus vorzüglichem, rot-braunem Granit, trohnt im Sidelengletscher und ist bekannt für seine erstklassigen Plaisir-Klettereien. Mit dem "Hanimoon" (6a+) konnten wir eine Route einrichten, die sich durch homogene Schwierigkeiten auszeichnet, dies bei toller Felsqualität und viel Abwechslung: von Reibungspassagen über steile Wandkletterei zu Rissen und Verschneidungen ist alles dabei, garniert mit einer athletischen Passage zur einmaligen Quarzleiter im Ausstieg.
Prolog
Am Anfang war... was war am Anfang? Es ist nicht ganz einfach zu bestimmen, wo die Geschichte dieser Erstbegehung beginnt. Hmm, vielleicht so: eines Tages lernte ich eine formidable Klettererin namens Kathrin kennen. Wir verliebten uns und heirateten eines späteren Tages. Zur Hochzeit schenkte uns mein Schwiegervater eine neue Akkubohrmaschine, und von den Arbeitskollegen grosszügig mit Bergsport-Gutscheinen ausgestattet, konnten wir uns viele Bohrhaken kaufen.
Eines noch späteren Tages wurde meine Frau schwanger. Die Zustiegslänge, multipliziert mit dem Schwierigkeitsgrad, durfte die relative Zunahme des Bauchumfangs nicht mehr überschreiten. Wir beschränkten uns also auf gemütlichere Plaisirklettereien und wiederholten so irgendwann die Route "Elefantenrüssel" am Hanibal P.2882.
Da wir links dieser Route formidables Fels- und Routenpotenzial sichteten, und meine Frau je länger je weniger einem ausgiebigen Päuschen am Stand abgeneigt war, entstand die Idee, den Plan in die Tat umzusetzen. Beim Einrichten einer Route schuftet ja vor allem der Vorsteiger, während sich der Seilzweite am Stand gemütlich am Panorama erfreuen kann.
Der erste Bohrtag
Am 18.9.2009 zogen wir alsdann das erste Mal vom Refuge Furka los. Ganz Gentleman, wie es sich gehört, war das Gepäck zwar nicht unbedingt volumen-, aber doch gewichtsmässig vor allem auf meinem Buckel. Seile, Karabiner, zwei Bohrmaschinen, Hammer, Bohrhaken und vor allem: der Bleiakku!
Das Präsent vom Schwiegervater, eine Bosch Uneo, ist schön leicht, sehr handlich und durchaus nützlich. Die Akkukapazität reicht aber für blosse 5 Löcher. Es versteht sich von selbst, dass dies eine ineffiziente Bohrerei ergibt. Deshalb wurde meine gute alte, inzwischen akkulose Hilti reaktiviert. Und zwar mit einem von meinem Freund Bast(l)i konstruierten Bleigel-Akku. Mit dem kann man bohren bis die Ohren wackeln, dafür ist er auch knapp 10 Kilo schwer!
Also, insgesamt waren 40kg in meinem Sack, aber die Vorfreude auf die Route gab entsprechend Auftrieb. Los ging es ins Ungewisse, über schöne Platten zu einer glatten Stelle. Schön schleichen, und weiter ging's. Weiter oben in der ersten Seillänge steilen sich die Platten auf, der Fels ist dafür auch mehr mit kleinen Käntchen gespickt: 5c+, schön homogen, super!
Die zweite Seillänge führt zuerst einige Meter einem klettertechnisch gemässigten, aber geologisch interessanten Quarzband entlang. Dann geht es gerade hoch, ein erster Aufsteher wird überwunden und jetzt: auf kleinsten Tritten stehend muss ich einen Haken bohren, den Muskelkater in den Waden, verursacht von dieser Aktion, spüre ich 3 Tage später noch!
Flott und hübsch geht's voran zum ersten Steilriegel. Was wartet hier? Einmal gut hinstehen, ein Zug in die Schulter und es ist geritzt. Um es mit der Bohrmaschine zu klettern ist es mir aber zu steil und anstrengend. Also ohne hoch, und sie dann am Hilfsseil aufziehen. Doch es klemmt. Wieder runter, wieder rauf. Es klemmt immer noch. Inzwischen kann ich die Stelle so gut, dass ich sie auch mit der Maschine klettern kann.
Während der Vormittag sonnig war, wird das Wetter nun immer garstiger. Ich schlage mich mit einigen Runouts zum nächsten Standplatz durch. Ich finde, dass die Situation für Kathrin nicht mehr zumutbar ist, lasse sie ab und schicke sie zum aufwärmen in die Sidelenhütte. Im Toprope selbsgesichert bringe ich im Nieselregen die noch fehlenden, nur gekennzeichneten, aber noch nicht gebohrten Haken auf den ersten zwei Seillängen an. Dann geht es nach Hause.
Der zweite Bohrtag
Fünf Tage später sind wir wieder am Refuge Furka. Kathrin hat am Vorabend Adrian, notabene unseren Trauzeugen, zur Mit(schlepp)arbeit motivieren können. So ist mein Rucksack entsprechend leichter und auch im Aufstieg zum zweiten Stand können wir das Gewicht besser verteilen. So kann ich diese beiden Seillängen sogar gleich rotpunkt klettern, und bin begeistert: super Kletterei, die 2. Seillänge ist wohl etwa 6a+!
Kathrin und Adrian richten sich am Stand gemütlich ein, ich folge dem orangen Pfeiler, später einer Rissschuppe und einer Verschneidung. Auch hier: tolle, homogene Kletterei im 6a-Bereich. Adrian betätigt sich inzwischen als Dokumentarfilmer, und nimmt in seinem Werk auch gleich noch die Rolle als Komiker ein: ich kann seinen Erstling nur empfehlen!
Der dritte Stand ist erreicht, Adrian kommt am ersten Standbohrhaken nach. Er ist jetzt Bohrlehrling und kann den Stand mit dem zweiten Haken komplettieren. Das gemütliche Plätzlein am dritten Stand kommt nicht nur meiner Sicherungsmannschaft, sondern auch mir sehr recht. So behalten die beiden den Mumm, als mein Fortschritt in der Crux (6a+) etwas langsamer vonstatten geht.
Einige steile Moves führen in der vierten Seillänge auf eine Platte mit nur mässigen Griffen - mit der Hilti und dem Bleiakku geklettert ist das sehr unangenehm. Wie nützlich erweist sich da das Schwiegervater-Geschenk: ich ziehe eines meiner 5 Jokerlöcher für den heutigen Tag, klettere bequem mit der nur 1.1kg wiegenden Uneo am Gstältli und bald ist die Sache geritzt, der vorletzte Stand erreicht.
Da sich die Sonne hinter dem Gross Furkahorn verabschiedet ist Schluss für heute. Wir deponieren sämtliches Bohrmaterial an diesem, dem vorletzten Stand und seilen ab. Am Einstieg werden dann auch noch Seile, Karabiner, Schuhe und Gstältli versteckt, so dass sich mir der Weg zurück zum Refuge Furka in einer subjektiv ganz neuen Kürze präsentiert.
Der dritte Bohrtag
Adrian muss nach Hause, doch Kathrin und ich greifen am nächsten Tag erneut an. Nun sind schon 4 Seillängen Zustieg zur Baustelle zu bewältigen. Ohne Gepäck ist es jedoch einfach zum Geniessen, ich kann gleich die Rotpunktbegehung der beiden neuen Seillängen erledigen und mich an der tollen Kletterei erfreuen.
Der Gipfel ist zwar schon nahe, steile Klettermeter warten aber noch. Die Schwierigkeiten sind hier wiederum sehr anhaltend im 6a-Bereich, so dass etliche Bohrhaken plaziert sein wollen. Diese fantastische Seillänge gipfelt in einem athletischen, doch äusserst gutgriffigen Wulst, der zu einer einmaligen Quarzleiter führt. Die letzten 15 Meter führen über Knobs, die gross wie Schuhschachteln sind!
Gleich bei der Hanibank kann ich den letzten Stand einrichten. Bevor Kathrin nachkommt, seile ich mich nochmals ab, um diese letzte Seillänge ebenfalls noch rotpunkt zu klettern. Geschätzte Schwierigkeit: etwa 6a. Bald sind wir aber beide oben, nun beginnt die Büroarbeit. Ins Gipfelbuch wird fein säuberlich ein Topo gezeichnet.
Glücklich und zufrieden seilen wir ab. Am Einstieg gibt's noch zu tun: Kathrin beschriftet den Einstieg mit gekonnter Hand, ich baue einen soliden Steinmann, der den Einstieg markiert. Die nächsten Wochen wird dieser mit Sicherheit überstehen, ob er dem Winter gewachsen ist, wird sich zeigen.
Es dunkelt schon ein, bis wir fertig sind und die Route nun endgültig den ersten Wiederholern überlassen können. Im Schein der Stirnlampen steigen wir, ein letztes Mal schwer bepackt, an die Passstrasse ab und feiern kurz darauf mit einem feinen Nachtessen unsere Erstbegehung.
Die Route ist fertig!
Ihr Name ist "Hanimoon", warum? Nur wenige Monate nach der Hochzeit befinden wir uns definitiv noch im Honeymoon. Mit der zur Hochzeit geschenkten Maschine gebohrt, von den Gästen mitfinanzierte Haken installiert und mit dem Trauzeugen als Dokumentarfilmer ist das die richtige Wahl. Und da sich aussprachlich keine Unterschiede ergeben, passen wir für eine Route, die am Hanibal zur Hanibank in Hanicity führt, natürlich auch die Schreibweise entsprechend an.
Ich wünsche allen Wiederholern viel Vergnügen. Sämtliche weiteren Informationen sind dem Topo im PDF-Format zu entnehmen. Fragen, Anregungen und Feedback sind jederzeit willkommen.
PS: Ich bin gespannt, wer als ErsteR die Route klettert und auf hikr.org dokumentiert.
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