Kurzbericht 

Stieregrat und Kaiseregg - für einmal mit Ski


Publiziert von lorenzo , 14. April 2022 um 23:37.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:13 April 2022
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-FR   CH-BE 
Zeitbedarf: 8:15
Aufstieg: 1620 m
Abstieg: 1620 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit Pw über Düdingen, Zollhaus und Sangernboden zum Parkplatz Spitz (1192m) im Muscherenschlund
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:LK 1226 Boltigen; Swisstopo Skirouten; www.gipfelbuch.ch

Den Stieregrat und die Kaiseregg hatte ich auf Gratwanderungen schon mehrmals besucht, und von Skibefahrungen der Kaiseregg NW-Flanke und des N-Couloirs sowie verschiedener Couloirs unter dem  Stieregrat hatte ich schon auf www.gipfelbuch.ch gelesen. Bei der winterlichen Anfahrt nach Plaffeien oder Skitouren im Muscherenschlund war mir indessen schon wiederholt die unregelmässig weiss gemusterte N-Flanke des Stieregrats aufgefallen, und ich hatte mich gefragt, ob eine Befahrung mit Ski wohl möglich wäre? Nachdem Beat letzten Sonntag von seinem letzten Clou mit Ädu am Stieregrat berichtet hatte, entschied ich mich, endlich einen Versuch in der N-Flanke zu wagen, und dabei wenn möglich auch noch der Kaiseregg einen Besuch abzustatten.

Dass es mit der markanten Erwärmung und bei Föhn und Saharastaub am folgenden Mittwoch keinen Pulverrausch, wie ihn die beiden geniessen konnten, mehr geben würde, schien offensichtlich zu sein. Dafür warnte SLF für das Gebiet nur oberhalb von 2200m vor mässiger Gefahr für trockene Lawinen, allerdings mangels genügender Abstrahlung vor kleinen bis mittleren Nass- und Gleitschneelawinen schon ab den Morgenstunden. In der Hoffnung, dass das Gröbste schon abgegangen war, und die N- und NW-Exposition der avisierten Flanken mit geringerer Sonneneinstrahlung ihren Beitrag zur Risikoverminderung leisten würde, überliess ich mich einmal mehr erwartungsfroh der "Verlockung des Ungewissen".

Noch am Dienstag Abend spähte ich vom Balkon zum Stieregrat, in dessen oberer N-Flanke grössere zusammenhängende Firnfelder sichtbar waren, während sich die untere Hälfte hinter dem westlichen Ausläufer der Pfyffe meinen Blicken entzog. Mittwochmorgen bei der Anfahrt sank das Thermometer von 13 Grad verheissungsvoll Grad um Grad, blieb dann aber im Muscherenschlund bis zum Spitz bei 4 Grad stehen, und beim Zustieg waren weder die Schneereste neben der Alpstrasse, noch die zunehmend geschlossene Schneedecke auf der Geissalp gefroren. Dafür konnte ich in der unteren Flankenhälfte einige vielversprechende mehr oder weniger direkte Linien zur oberen ausmachen. Aber was nützt es, über die Ladung zu streiten, wenn das Schiff sinkt (Hieronymus)? So schlimm war es dann aber doch nicht, als ich bei der ins Auge gefassten Einstiegsrampe ankam. Der Schnee war zwar noch immer nicht gefroren, die oftmals nur dünne Nassschneeschicht lag aber auf kompaktem Altschnee, der sich zudem als griffig und trittfest erweisen sollte.

So gelangte ich relativ "bequem" durch eine untere Mulde und über eine Rippe zum N-Couloir, wo ich mich entschied, direkt, statt in einer längeren E-Schlaufe (die spätere Abfahrtsroute, siehe 1. Foto) 
hochzusteigen. Abwechselnd auf Trittschnee und Grasschrofen erreichte ich bald den Grat und über diesen, auf Fels und Schneewällen balancierend den Gipfel des Stieregrats. Nach einer kurzen Pause mit trotz Dunst eindrücklichem Panorama und pulswirksamen Tiefblicken fuhr ich statt durch das N-Couloir, das unregelmässig eingeschneit war und mir wegen möglichen Nassschneerutschen zu gefährlich erschien, behutsam und nur harmlose Lockerschneerutsche auslösend über die markante, vom Gipfel gut einsehbare Schrägrampe nach E zu einer oberen Mulde und durch diese und das obere von zwei Bändern nach W zurück zum unteren N-Couloir. Bei der Ausfahrt durch dieses riss mich trotz aller Vorsicht ein kleiner Nasschneerutsch ca. 20 Hm hinunter zu eine Abflachung. Dabei verlor ich beide Stöcke und konnte nur noch einen wieder finden. Sei's drum - bis zur Einstiegsrampe behalf ich mich mit dem Pickel, ab dort mit einem dürren Tännchenstamm, bis ich während entspannten Schwüngen auf dem darunterliegenden schönen N-Hang einen leichteren Ast fand.

Nach der doch recht aufregenden Pflicht am Stieregrat freute ich mich auf eine erholsame Kür an der Kaiseregg. Wie zu befürchten war, brach der erste Ast bei der Querung des N-Rückens von P. 2074. Zwar fand ich einen geeigneten Ersatz, der aber beim Aufstieg über den NW-Hang unter dem Metzgertrittenpass auch brach, wo längst keine Stauden mehr wuchsen. So war ich froh, für das steile Schlusscouloir wieder auf Pickel und Steigeisen wechseln zu können, die mir dann auch am abwechslungsreichen NE-Grat gute Dienste leisteten, obwohl hier der Schnee erwartungsgemäss aufgeweichter war als in der NW-Flanke. Während einer kurzen Pause genoss ich nochmals das verdunstete Panorama und testete die mit Lawinenschnur zusammengebundenen beiden Asthälften, die natürlich nicht hielten. So begnügte ich mich mit einer Asthälfte, womit, wie mit einem Dirigerstock, die Abfahrt durch das kurze griffige NW-Couloir, die Querung zum N-Couloir und die genussvolle Abfahrt durch dieses auf sulzartigem Mischschnee erstaunlich rhythmisch und harmonisch gelangen...Auch der "Langlauf" in gemächlichem Auf und Ab über die Geissalp sparte mitunter dank der Ausschau nach weiteren möglichen Routen zum Stieregrat nicht mit Kurzweil, und schon bald empfing mich unterhalb der Schneegrenze wieder der grünende Frühling mit seiner Alpenblumenpracht, anmutigem Vogelgesang und dem betörenden Rauschen des mit Schmelzwasser üppig gefüllten Geissalp- und Muscherenbachs.


Stieregrat N-Flanke
Aufstieg: vom Spitz (1192m) auf der Alpstrasse oder bei genügend Schnee auf der Skiroute über Gantrischli (1323m) nach Schönenbode und weiter bis zur Kurve bei ca. 1380m. Nach SSE über Weide und Geröll Richtung Zieb zu einer markanten Rampe bei ca. 1760m (Einstieg) und noch mit Ski über diese hinauf bis zu ihrem oberen Ende bei ca. 1860m, 1h 30min, WS. Zu Fuss entweder W über Stufen und Bänder oder bei genügend Schnee E davon durch eine Rinne in eine breite Mulde, durch diese nach SE ansteigend auf eine Rippe, und über diese weiter nach SE ansteigend zum markanten N-Couloir. Durch dieses, einige Steilstufen (mehr oder weniger überschneite Gras- und Felsschrofen) überwindend und zuletzt durch eine enge felsige Rinne (45-50 Grad) hinauf zum E-Grat, und über diesen (Stellen I) auf den Gipfel (2160m), 1h 15min, WS (Hochtourenskala). Insgesamt 2h 45min.

Abfahrt: vom Gipfel (2160m) auf dem E-Grat zurück zur nächsten Scharte, und über die ausgeprägte Schrägrampe zum oberen N-Couloir. Bei guten Verhältnissen durch dieses (45-50 Grad) hinunter zur Aufstiegsroute. Sonst das obere N-Couloir und eine Rippe querend (45 Grad) nach E in eine Mulde, durch diese weniger steil nach NE und N, und zuunterst durch die westliche von 2 Rinnen auf das obere breite Band, das, zuletzt leicht ansteigend, zurück zum unteren N-Couloir führt. Nun entlang der Aufstiegsroute zurück zur Einstiegsrampe und über den N-Hang (35 Grad) hinunter zum Fahrweg bei ca. 1535m, 1h, SS.

Kaiseregg
Aufstieg NE-Grat: vom Fahrweg bei ca. 1535m nach WSW, den Wald S umgehend, über die Geissalp zum Ausläufer des N-Rückens von P. 2074, der N umgangen wird. Nun zuerst nach SW, dann nach S ansteigend bis ca. 1920m, und die letzten 100 Hm zu Fuss durch ein Couloir (45 Grad, Ketten) nach SE zum Metzgertrittenpass (2027m), 1h 15min, WS und T4. Weiter zu Fuss über den mehrfach gestuften NE-Grat auf den Gipfel (2185m), 30min, T4. Insgesamt 1h 45min.

Abfahrt NW- und N-Couloir: vom Gipfel (2185m) zu Fuss über den SW-Grat in Kürze zur übernächsten Scharte, durch das NW-Couloir (40 Grad) bis ca. 2070m, und auf Bändern z.T. leicht ansteigend nach NE zum NW-Grat. Einfahrt nach E in das N-Couloir, durch dieses (40 Grad) hinunter zur Zustiegsroute, und auf dieser mit leichten Gegenanstiegen zurück, 1h 45min, S-.

Verhältnisse: bei leichtem Föhn und Saharastaub mild, aber diesig und reduzierte Abstrahlung. Durchgehende Schneedecke oberhalb ca. 1400m: 5-20cm nur stellenweise am Schatten angefrorener Nassschnee auf durchfeuchtetem, aber tragendem und trittfestem Altschnee. Unter dem Stieregrat alte Zustiegs- und Abfahrtsspuren. Portage auf der Strasse und stellenweise auf Geissalp, in der Stieregrat N-Flanke, ab ca. 100Hm unter dem Metzgertrittenpass und über den Kaiseregg NE-Grat. Zuoberst (ausgesetzt) und zuunterst (wegen fehlendem Stock) in der Stieregrat N-Flanke fuhr ich kurz mit dem Pickel ab.

Material: Helm, Pickel und Steigeisen zusätzlich zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6 Uhr Start, 8.45 Stieregrat, 10.15 Geissalp, 12.15 Kaiseregg, 14.15 retour. 

Bemerkung: nur bei sicheren Lawinenverhältnissen und gutem Grip!

Tourengänger: lorenzo


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