Munt Cotschen - Piz Vaüglia


Publiziert von Delta Pro , 7. März 2022 um 22:18.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberengadin
Tour Datum:24 Februar 2022
Ski Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   I 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 2130 m
Strecke:32.6 km

Die lange Tour in die Einsamkeit - Val Chamuera ganz für mich allein

Das Val Chamuera ist wohl eines der längsten und einsamsten Seitentäler des Engadins. Zwei eindrückliche Touren aus der grauen Vorzeit meines Tourenbuchs verbinden mich mit diesem Tal. 2003 umrundete ich es (so was wie arbeitshalber) fast komplett auf den Graten mit einem Biwak, und 2004 führte uns eine nicht enden wollende Skiabfahrt (mit vielen Flachpassagen) durch den Talgrund. Da wir diese Woche in Chamues-ch, am Ausgang des Tal stationiert waren, zog es mich fast schon magisch an, diese Weite nach fast 20 Jahren wieder einmal zu erkunden. Auch wenn man ehrlich eingestehen muss: Für Skitouren sind die Gipfel im hinteren Val Chamuera nur geeignet, wenn man sich die Kante geben will: Geschlagene 10 km Strecke gilt es zu überwinden, bevor es richtig hochgeht. Und das Ganze will dann mit viel Stockeinsatz in der "Abfahrt" nochmals überwunden werden. Wenn dazukommt, dass das Abenteuer - wie in meinem Fall - um 10.45 zu Ende sein muss (Familien-Verpflichtungen), dann wird es zur wahren Herausforderung, die nur mit einem Start in tiefster Nacht zu bewältigen ist. Entschädigt wurde ich aber dennoch: Wo findet man das noch in den Alpen? Ein ganzes, riesiges Tal ohne eine einzige Spur? Auf dem Gipfel ist man 15 km von der Zivilisation entfernt, sieht kein Dorf, kein besiedeltes Tal, kein Anzeichen des Menschen. Dafür lohnt sich der weite Weg ins Val Chamuera. Mit meiner Rundtour über Munt Cotschen und Piz Vaüglia konnte ich dazu doch noch ein paar gute Hänge einbinden, wenn auch die Horizontaldistanz überwog.

Startet man im Mai um 4 Uhr zu einer Skitour, wirkt das halbwegs sinnvoll. Tut man das im Februrar, dreieinhalb Stunden vor Sonnenaufgang, kommt es schon etwas absurd vor. Ich wandere zuerst ein paar Minuten durch Chamues-ch und kann bald die Ski anschnallen. Vom Ende der geräumten Strasse gibt es Fussspuren im Neuschnee, die das Vorankommen für die ersten 2 km etwas vereinfachen. Danach herrscht nur noch die frisch verschneite Einsamkeit. Der Weg ins Tal ist bzgl. Distanz effizient, aber Höhe macht man über lange Distanzen kaum. In der Dunkelheit, und weiter hinten dann im fahlen Licht des Vollmonds, ist die Stille und Weite aber unglaublich eindrücklich und fast schon schaurig schön. Etwas nach Serlas steigt das Gelände dann langsam an und bei Pt. 2124, knapp 10 km nach dem Start, geht es endlich hinauf. Hier müssen rund 100 Höhenmeter in teils recht steilem Gelände und lichtem Wald überwunden werden. Wo der Neuschnee weggeweht worden ist, ist der Schnee bodenlos und mir ist lawinentechnisch nicht 100% wohl. Darüber kommt man aber in ideales Skigelände mit angenehmer Neigung und gutem Schnee zum Spuren. Wie geplant wird es jetzt langsam hell und als ich den Sattel zwischen Parait Giavagl und Munt Cotschen erreiche, ergiesst sich ein unglaublicher Sonnenaufgang in blutrotem Licht über die Gipfel der Bernina-Gruppe. Und dies alles weit weit weg in der kompletten Einsamkeit des Val Chamuera - das ist der Stoff, aus dem Skitourenträume sind. Der steile Westkamm zum Munt Cotschen ist wie erwartet fast komplett schneefrei. Wie schon tags zuvor packe ich die Ski kurzerhand auf den Rucksack und wandere gut 100 Höhenmeter über Geröll hinauf. Dann wieder flacher in stark windgeprägten Schnee zum Gipfel - was für eine Freude, es geschafft zu haben!

Nach einer ausgiebigen Rast in der Morgensonne fahre ich ab. Etwas links finde ich knapp genug, wenn auch pickelharten Schnee für die Abfahrt. Eigentlich hatte ich mich entschieden keine weiteren Experimente mehr zu machen und ziemlich direkt runterzufahren. Doch als ich im Sattel die weiten Hänge ins Val Lavirun hinunter sehe, kann ich nicht widerstehen und ziehe spontan meine Spuren in den recht schönen Pulverschnee. Obwohl die Tour alpinistisch kaum Ansprüche stellt, ist die Abgeschiedenheit absolut genial. Auf rund 2300 m.ü.M. reicht die Neigung nicht mehr aus, und ich felle wieder an. Eigentlich will ich nur etwas aufsteigen um sinnvoll aus dem Tal zu kommen und habe mir kein Ziel gesetzt. Geradeaus sehe ich eine Geländemarke, die mir ziemlich naheliegend vorkommt und in der Sonne liegt. Nach der Querung eines tiefen Einschnitts wird mir klar, dass es dorthin deutlich weiter als gedacht ist, und es sich um den Piz Vaüglia handelt. Hm, das dürfte zeitlich nicht drinliegen, aber mal etwas weitergehen kann man ja... Endlich kann ich in der Morgensonne aufsteigen und das gibt zusätzliche Power. Via Fuorcla Chaschanella und den schönen Ostkamm erreiche ich den Gipfel schliesslich exakt zu meiner definierten Umkehrzeit - unerwartet ist immer am schönsten!

Viel Gipfelrast gönne ich mir nicht und steche in die offenen, ideal geneigten Südhänge zur Alp Timun. Oben gibt es noch recht netten Pulver, unten leider Bruchharst. Es folgt eine nordseitige Querung entlang des Sommerwegs in tiefem Pulverschnee ohne Neigung. Auch mit den Ski im Aufstiegs-Modus ist das richtig streng. Dann kann bis Serlas etwas gefahren werden, bevor es wieder flach wird. Mein Puls ist für die nächste Stunde weit über dem des Aufstiegs. 100m gleiten, 100m stossen, treten und dann wieder etwas gleiten. Aber unter dem Strich komme ich dank meiner nächtlichen Spur und dem gefrorenen Untergrund gar nicht so schlecht vorwärts, so dass ich rechtzeitig zu Hause ankomme.


Durchgangszeiten: 
Chamues-ch: 4.06
Munt Cotschen: 7.41
Piz Vaüglia: 9.28
Chamues-ch: 10.38

Tourengänger: Delta


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