Loisachwasser für München: Besichtigung der Südkaverne unter dem Ammergauer Höhenberg


Publiziert von Vielhygler , 10. November 2023 um 22:01.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:28 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 3 m
Abstieg: 3 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:An der B2 zwischen Eschenlohe und Oberau. Parkbucht auf der rechten, westlichen Seite. Keine Gebühr. P. wird auch von Kletterern genutzt.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotels und Gaststätten allerorten
Kartennummer:DAV BY 9 Estergebirge, Wank

WO BIN ICH? An einem Ort, an dem fast jeder schon einmal...vorbeigefahren ist! Was  gibt' s hier zu sehen? Eine kleine Parkbucht. Eine imposante, graue Fassade aus gemauertem Naturstein. Ein breites, scharfkantiges Vordach aus Beton. Unter diesem ein großes, blaues Tor. Auf dem Tor steht... nichts! Na, dämmert schon was? Nein? Ok, dann schaut euch einfach das Bild an:



Dieses Tor an der B2 nach Garmisch-Partenkirchen kennt wirklich fast jeder! Aber was verbirgt sich dahinter? Ich habe herumgefragt und viele wissen das gar nicht. Dabei parkt sogar regelmäßig ein orangerotes SWM-Fahrzeug in der Parkbucht...
Ich mach' s kurz: hinter dem Tor, in den Felsen des Höhenbergs, befindet sich ein großer Kopfbehälter der Trinkwassergewinnung der Stadt München im Oberen Loisachtal. Genauer gesagt die Südkaverne bei Oberau. Und in diese Südkaverne gibt es jetzt, nach einem langen Lockdown sogar wieder Führungen! Ich habe eine davon mitgemacht und war so beeindruckt, daß ich meine Eindrücke teilen möchte. Doch vorher ein paar knochentrockene Fakten über eine sehr wässrige Angelegenheit.

Trinkwasser für München
 
Als die Residenzstadt München im 19. Jhd enorm wuchs, stieg auch der Trinkwasserbedarf rapide an. Der Blick der Stadtväter begann, in' s Umland zu schweifen. 1876 kamen Grundwasserströme der Voralpen in die engere Wahl, neben denen des Mangfalltals auch schon die an der Oberen Loisach. 1879 beschloss die Stadt, sich zunächst aus dem Mangfalltal zu versorgen. Die Bauarbeiten gingen sehr schnell voran und schon 1883 floß sauberes Quellwasser über eine 40 km lange Leitung nach München.
Aus dem Mangfalltal bezieht München heute noch 80 % des benötigten Trinkwassers.
 
Zwischen 1949 und 1972 wurde die Gewinnung des Münchener Trinkwassers um fünf Förderwerke in der Südlichen Münchener Schotterebene erweitert. Doch diese nähergelegenen Wasservorräte können sich nach einer Entnahme nur sehr langsam wieder auffüllen, vor allem wenn sehr viel Wasser entnommen werden muß wie etwa bei der Olympiade 1972.
Heute wird Wasser aus der Südlichen Schotterebene nur noch bei Bedarfsspitzen entnommen.

Seit den 50' er Jahren: zusätzliches Wasser aus dem Oberen Loisachtal
 
Die Landeshauptstadt München griff während des Wirtschaftswunders in den 50' er Jahren den schon im 19. Jhd. von Ing. Thiem gemachten Vorschlag, Trinkwasser im Oberen Loisachtal zu gewinnen, wieder auf. Mitte der 60' er Jahre wurden zwischen Farchant und Oberau vier Vertikal- und ein Horzontalfilterbrunnen gebaut, die noch immer  in Betrieb sind.
Um den Wasserfluß nach München effizienter steuern zu können, kam 1983 im Fels des Höhenbergs bei Oberau, ähnlich wie man das bei Kraftwerken macht, eine Art "Wasserschloß" hinzu. Das aus den fünf Zulaufbrunnen des Oberen Loisachtals kommende Wasser wird in zwei hintereinander geschalteten Behältern (Südkaverne und Nordkaverne) gesammelt und von der Nordkaverne aus genau reguliert in 60 km lange Fernwasserleitungen eingespeist. Durch diese unterirdisch verlaufenden Leitungen wird das Wasser mit einem Gefälle von nur 40 Metern zu einem Hochbehälter in Forstenried geleitet. Jeder Tropfen Wasser, der Eschenlohe verlässt, kommt in Forstenried an - beinahe, denn das Dorf Eschenlohe bekommt über eine "Abzweigung" Wasser aus der SWM- Pipeline.  
Das  Wasser aus dem Oberen Loisachtal trägt heute insgesamt zu 20 % zur Wasserversorgung Münchens bei.
 
Münchener Trinkwasser wird nicht aufbereitet!

Damit hat München europaweit eine Ausnahmestellung. Das Wasser wird permanent beprobt, doch Chlor muß nur in ganz wenigen Einzelfällen zugesetzt werden. Damit dies auch so bleibt, müssen die Landwirte in den Gewinnungsgebieten sauberer arbeiten als anderswo. Natürlich gibt es Streit. Einige Gemeinden fühlen sich von der Millionenstadt geschurigelt. Zu allem Überfluss verkauft München auch noch Wasser gewinnbringend an Gemeinden in seinem Speckgürtel weiter. Ja, wo samma denn! Natürlich wird dergleichen, wie unlängst wieder, "gerichtsmassig", aber dem Vernehmen nach gibt es jetzt einigermaßen wasserdichte Verträge bis 2045...
Obwohl sich das Münchener Trinkwasser ausgezeichnet eignen würde, verwenden die angestammten Münchener Brauereien  für ihr Bier ausschließlich "besonders reines" Wasser aus eigenen Tiefbrunnen und bilden sich darauf eine Menge ein. Doch es geht hier eher um' s Image als um die gesundheitliche Unbedenklichkeit, schließlich besteht das nach dem bayerischen Reinheitsgebot in München gebraute Bier längst nicht nur aus sauberem Wasser, sondern auch noch aus a bissl was anderem, leider. Schmeckt trotzdem, die frisch gezapfte Maß Glyphosator!

 
Die Besichtigung... 

...der südlichen der beiden unter dem Höhenberg gelegenen Kavernen sowie eines der Brunnenhäuser bei Oberau erfolgt regelmäßig im Rahmen von sachkundigen Führungen, die für Schulklassen, Firmen usw...durchgeführt werden. Ich habe mich einfach telefonisch bei den SWM erkundigt, wann es denn wieder soweit wäre und hatte Glück mit einer Begehung durch einen Firmenbetriebsausflug zwei Tage später, der ich mich anschließen konnte.
Es wird von den Teilnehmern per Unterschrift gefordert, auf Fotos zu verzichten, doch das betrifft nur das Verbot eines etwaigen unfreiwilligen Abbildens eines Teilnehmers durch einen anderen. Die Anlagen selbst dürfen durchaus fotografiert werden, die Wassergewinnung im Loisachtal ist ja kein Geheimnis. Das gilt auch für die Lage und das Aussehen des Brunnenhauses in Oberau. Der Standort (siehe in der Legende "WW") ist dem Bayernatlas zu entnehmen, überdies ist das dekorative Brunnenhäusl auf der Webseite der SWM abgebildet.
Die sehr informative Führung dauerte etwa 1,Std und die  Besichtigung des Brunnenhauses incl. der Anfahrt noch einmal 1 Std.

Hinweis: Techniknostalgiker, die einem Vintage-Feeling frönen wollen, werden leider nicht auf ihre Kosten kommen. Wir sind, "ästhetisch" gesehen, in der Höhenberg-Kaverne mit Edelstahl, Beton, Glas usw. schon in den 80' er Jahren! Dennoch fand ich die Ausdehnung und den "Look" der Anlage sowie des Brunnenhauses außerordentlich reizvoll.

Enttäuschender Hinweis für Liebhaber ausgefallener Touren: Der Druckstollen zwischen der Süd- und der Nordkaverne ist durchgehend für Wartungsarbeiten begehbar. Es wäre Wanderern, die Reizüberflutungen meiden wollen, also theoretisch möglich, den Höhenberg auf einer Druckstollenwanderung von 2, 7 km. Länge gewissermaßen zu...unterschreiten. Praktisch sehen sich die SWM derzeit außerstande, diesen Wanderwunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Schade, ich wäre sofort dabei!


Alles weitere  zeigen die Bilder und deren Kommentare, viel Vergnügen!

Tourengänger: Vielhygler


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Kommentare (5)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2023 um 09:59
Hallo Andreas, danke für den außerordentlich interessanten Bericht. Ich bin auch schon oft daran vorbei gefahren und habe mich gefragt, was sich hinter dem Tor verbirgt. Dass es sich um einen Teil der Trinkwassergewinnung für München handelt, hätte ich nicht gedacht. Viele Grüße!

Vielhygler hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. November 2023 um 11:53
Hi, Stefan, freut mich, daß es dich interessiert hat! Mit dem Vorbeifahren ist es mir ebenso gegangen wie dir, viele Jahre lang....
VG Andreas

Max hat gesagt:
Gesendet am 13. November 2023 um 13:51
Hallo Andreas,
danke für den informativen Bericht. Ich hab' immer gedacht, das Tor an der B2 hätte etwas mit dem Kalten Krieg zu tun.
Die Technik-Bilder erinnern mich an Infrastrukturprojekte der SWM vor über 30 Jahren, bei denen ich zu tun hatte....lang ist's her...
Viele Grüße,
Max

Vielhygler hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. November 2023 um 22:10
Servus Max,
ein ganz kleines Schild ist am Tor angebracht mit dem Symbol einer Kamera: "Videoüberwachung". Noch kleiner steht da auch noch: "SWM Technik". Aber ich habe in all den Jahren nie dort angehalten und geschaut.
VG Andreas

rojosuiza hat gesagt:
Gesendet am 27. November 2023 um 12:20
Bravo! eine spannende Wanderung.


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