Tobel, Herbstlaub und Buntsandstein: Waldschluchten bei Wüstenrot


Publiziert von Nik Brückner , 28. Februar 2022 um 13:44. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:14 November 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:16 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Wanderparkplatz Pfaffenklinge an der K 2098 westlich von Wüstenrot
Unterkunftmöglichkeiten:In Wüstenrot - aber nur wenn man fleißig gespart hat!

Der November mit seinem unsteten Wetter machen dem schubi und mir eine gemeinsame Tourenplanung nicht leicht. Die einzig niederschlagsfreie Ecke Baden-Württembergs an diesem Wochenende ist der Nordosten. Dort, im schwäbisch-fränkischen Wald, findet man die Löwensteiner Berge, Heimat des Löwensteiners. Also nix wie hingedübelt, und gemeinsam mit ihm mal die Gegend erkundet! Am schönsten ist's ja immer mit einem Local Guide.

Hoch sind die Berge dort nicht, aber exträjmst löwig ... und steinig sowieso. Außerdem finden sich zwischen ihnen zahlreiche kleine, steil eingeschnittene Wasserläufe und nette schmale Pfaderl. Da wir unterwegs gern zu diesen Bachläufen herabgestiegen sind, empfiehlt schubi als Soundtrack zum Bericht Down By The Water von den Decemberists. Und ich schlage Andrew Roussaks neues Album "Crossing the Line", das in jenen Tagen erschienen ist, zum Hören vor. Ohne Musik geht's nicht.



Start der Tour war der Wanderparkplatz Pfaffenklinge (514 m). Von hier aus wanderten wir direkt hinunter in die - richtig - Pfaffenklinge, einen schluchtartig eingeschnittenen Tobel mit schönen Sandsteinaufschlüssen.

Zum Glück hatten wir den Löwensteiner dabei, der konnte uns zeigen, wie man von einem Aussichtskanzele hinunter in ein Felsenrund gelangen kann, wo wir die teils überhängenden Wände bestaunten.

Wieder zurück auf dem Hauptweg wanderten wir die wenigen Meter zum Silberstollen "Soldatenglück" (505 m) hinüber.

1772 erfasste ein Silberrausch die Bewohner Wüstenrots! Ein mit betrügerischer Absicht sich als Bergrat ausgebender Herr Riedel aus Sachsen hatte den naturwissenschaftlich interessierten Prälaten Oetinger aus dem nahen Murrhardt davon überzeugt, dass Erzproben aus der Wüstenroter Pfaffenklinge einen hohen Silbergehalt hätten. Oetinger setzte sich daraufhin für die Eröffnung von Bergwerken an dieser Stelle ein. Ein erstes trug den Namen "Unverhofftes Glück", ein zweites erhielt den Namen "Soldatenglück", als es Riedel gelang, Soldaten aus Ludwigsburg (darunter auch Friedrich Schillers Vater) zur Finanzierung eines weiteren Stollens zu bewegen. Noch mehr Stollen wurden in den Nachbarorten Erlach und Neulautern angelegt.

Die erhofften Silberfunde blieben allerdings aus, und nach und nach wuchsen die Zweifel an der Ehrlichkeit Riedels. Schließlich wurde der Betrüger in Löwenstein verhaftet und der Betrieb der Bergwerke wurde eingestellt. Die Stollen gelten heute Kulturdenkmale, die Pfaffenklinge steht seit 1986 als flächenhaftes Naturdenkmal unter Schutz.


Auch wir gaben bald auf, und folgten lieber dem Wanderweg hinüber zum Kirchenweg, der die beiden Orte Stangenberg und Wüstenrot miteinander verbindet. Auf diesem ging es nun hinauf nach Wüstenrot (490 m), das wir auf der Schönblickstraße (der ersten rechts) eher streiften als durchquerten. Auf der Hauptstraße angelangt, verließen wir den Ort Richtung Osten.

In der engen Kurve am Friedhof verließen wir dann auch die Hauptstraße, und wanderten zuerst ganz kurz entlang der K2100 und dann am Waldrand auf dem Steinbergweg den Steinberg hinauf.

Wir stiegen jedoch nicht zum Gipfel, sondern umrundeten diesen auf der Nordseite. Bald gelangten wir an einen Wanderparkplatz, den Wanderparkplatz Seewiese (521m). Hier befindet sich der Eingang zur Bodenbachschlucht.

Die durch abgestürztes Totholz und ihre Enge recht unzugängliche Schlucht ist eine Stubensandsteinklinge, in der eine bunte Farn- und Moosflora anzutreffen ist. In ihr fließt der Bodenbach als ein bis zwei Meter breites Gewässer, und stürzt immer wieder einige Meter tief über teils überhängende Felskanten.

Die 
Bodenbachschlucht übertrifft viele der zahlreichen Klingen in der Gegend an Schroffheit. Ein schmaler Pfad führt durch die Schlucht an zahlreichen Felsnischen des für die Gegend typischen Stubensandsteins vorbei.

Am unteren Ende der Bodenbachschlucht (468m) angekommen, steht man am Zusammenfluss von Bodenbach und Dentelbach. Auch der Dentelbach kommt aus einer wilden Waldschlucht herunter: aus der Tobelschlucht. Diese wollten wir natürlich auch sehen. Wir stiegen also am Dentelbach entlang links zur Tobelschlucht hinauf

Der Dentelbach entspringt im oberen Teil der zunehmend engen Tobelschlucht. Die Waldschlucht ist eine enge und felsige, für die umgebende Keuperberglandschaft typische Klinge. Der Bach fließt hier durch Felsen hindurch knapp einen Kilometer weit westwärts, bis er mit dem Bodenbach zusammenfließt.

Wir zwogen, wie gesagt, nach links ab, auf einen breiten Weg, und folgten diesem, bis er in einer Linkskurve den Dentelbach überquert. Hier nahmen wir einen kleinen Pfad in die Tobelschlucht hinein. Diese wird auch gleich eng, und Pfad und Bach schlängeln sich bald durch eine Art Felsportal hindurch. Dahinter geht's durch ein V-förmig eingeschnittenes Tal weiter hinauf. Bald steht man am Hohlen Stein (493m), einer Art Grotte oder Halbhöhle unter bis zu vier Meter hohem, überhängendem Fels.

Der Hohle Stein am Dentelbach ist zusammen mit der ganzen Tobelschlucht  als Naturdenkmal geschützt.

Sodann stiegen wir rechts am Hohlen Stein ein wenig ausgesetzt weiter hinauf, auf die nächste Stufe der Tobelschlucht. Hier befindet sich ein kleiner aufgelassener Steinbruch.

Auch dieser alte Steinbruch ist zusammen mit der Tobelschlucht  als Naturdenkmal geschützt. Hier entspringt auch der Dentelbach. Wie schon der Hohle Stein erlauben auch die Wände des Steinbruchs einen Blick "in" den Stubensandstein der Gegend.

Über Steinstufen an einer letzten Felskante ging es nun aus der Schlucht heraus. Dort, oberhalb der Tobelschlucht, befindet sich ein Grillplatz an einem zugewachsenen Tümpel (499m).

Hier legten wir eine gemütliche Pause ein, bevor der Löwensteiner sich verabschieden musste. Er lief zurück Richtung Wüstenrot, Schubi und ich aber machten uns wieder auf den Weg, um unsere Runde zu vollenden.

Wir wanderten nun wieder die Tobelschlucht hinunter, vorbei am Hohlen Stein (493 m), und zurück zu der Stelle, an der Dentelbach und Bodenbach zusammenfließen. Hier folgten wir dem Talweg geradeaus, passierten den Wanderparkplatz Bodenbachschlucht/Tobelschlucht (406 m) und die K1819, stets weiter bachabwärts wandernd. Der Pfad im Tal ist recht schön, schlängelt sich durch den Talgrund und steigt bald in den rechten Hang hinauf, wo er schließlich auf den Giesswasenweg stößt. Diesem folgten wir nun zum südlichsten Punkt unserer Tour, wo er sich nach rechts (Nordwesten) ins Lautertal wendet. Bald gelangten wir in den kleinen Ort Neulautern (360m).

Im Ort überquerten wir die Wüstenroter Straße (L 1090), und wanderten am Café Waldeck noch ein Stück weiter Richtung Nordwesten, bevor wir den ersten Abzweig nach rechts nahmen, um in den Wald und auf die Höhe hinaufzugelangen. Dort überquerten wir den Armenschlagweg, und gelangten an einem Schützhüttl auf den Lohmüllerweg, dem wir nun in nordöstlicher Richtung folgten. Bald gelangten wir an den Wellingtonienplatz (508 m), wo sich eine überdachte Grillstelle befindet.

In den Löwensteiner Bergen trifft man immer wieder auf über hundert Jahre alte Wellingtonien, Mammutbäume aus Amerika, deren Samen König Wilhelm 1865 erworben hatte, um sie in der Wilhelma anzupflanzen. Überschüssige Sämlinge verkaufte man an Gemeinden und Privatleute. So kommt es, dass auch in diesen Wälden die exotischen Bäume stehen.

Die Wüstenroter Wellingtonien sind mit fast 45 Metern Höhe und bis 165 Zentimetern Durchmesser die höchsten und dicksten Bäume im Forstbezirk Löwenstein. Sie werden hier zwar nicht so hoch wie in ihrer Heimat, das Dickenwachstum der eingebürgerten Bäume ist allerdings ungebrochen: Die Wellingtonie ist die Baumart mit dem größten Massenzuwachs in Süddeutschland. Ein einziger Baum würde genügend Holz zum Bau eines Einfamilienhauses abgeben. Das Holz ist nur leider zu weich und zu leicht für Konstruktionszwecke.
 
Die Wüstenroter machen trotzdem etwas aus ihren Wellingtonien: Es gibt hier einen Grillplatz, einen Bolzplatz und ein Wassertretbecken. Für Fit- und Well(ington)ness ist also gesorgt.
 
Wir zwogen hier links ab, und kamen bald am Morija-Denkmal (507m) vorbei.
 
Das 1962 von den Marienschwestern aus Darmstadt-Eberstadt errichtete Denkmal soll Christen dazu aufrufen, Gott auch auf unverständlichen Wegen zu vertrauen, und ihm Opfer des Glaubens und der Liebe zu bringen. Sein Name bezieht sich auf das biblische Land Morija, in das Abraham gehen sollte, um seinen Sohn Isaak zu opfern. Morija ist außerdem der Name des Bergs in Jerusalem, auf dem Salomo den ersten Tempel errichtete.

Ein kurzes Stück weiter wendet sich dieser Weg nach rechts, und führt zum oberen Ende der Himmelsleiter (482 m), einer steilen Treppe in Form eines bearbeiteten Baumstamms, die in die nächste Klinge hinunterführt. Hier stießen wir wieder auf den Kirchenweg, und in bekanntem Terrain wanderten wir auf dem Hinweg wieder zurück, am Silberstollen (505m) vorbei zum  Wanderparkplatz Pfaffenklinge (514m)



Schubis Fazit:

Die Löwensteiner Berge sind vielleicht keine Sensation, aber alles andere als monoton. Die kleinen, steil eingeschnittenen Tobel machen eine Tour dort recht abwechslungsreich. Im Herbst ist es aufgrund des hohen Laubwald-Anteils auch supergut bunt (egal bei welchen Wetter). Hingucker im Oberlauf einiger Schluchten sind im Hang herauserodierte Buntsandstein-Trümmer. Lesson learned: feuchtes Laub ist erstaunlich griffig-trittfest, ganz anders als trockenes. T3/I nur, falls man Weglos-Hampeleien wie wir machen will, sonst T2.


Niks Fazit:

Hod scho bassd. Es mag in der Gegend schönere Touren geben (z. B. diese hier), aber viel mehr zählt, mal wieder was mit Freunden unternommen zu haben. Herzlichen Dank an den Löwensteiner, der sich hier wirklich auskennt wie in seiner Wanderjackentasche!



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Kommentare (4)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 28. Februar 2022 um 14:13
Schöne Eindrücke trotz mittelprächtigem Wetter.
Danke fürs Zeigen

Und ich kann das bestätigen: Feuchtes Laub ist griffiger wie Trockenes!

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Februar 2022 um 16:54
Wie jetzt ... mittelprächtig?!?
Solange es keine Ambösse regnet ist uns jedes Wetter Recht.

Nyn hat gesagt: RE: jedes Wetter Recht.
Gesendet am 28. Februar 2022 um 17:00
Kann ich teilweise zustimmen^^

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Februar 2022 um 18:27
So is des, Markus!


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