Schluchten und Wasserfälle, Felsen und Römertürme bei Murrhardt


Publiziert von Nik Brückner , 26. November 2021 um 06:51. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:26 April 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 550 m
Strecke:18 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:In Murrhardt

Murrhardt! Na wenn da in der Nähe nicht der Löwensteiner wohnt! Dort soll es Schluchten und Wasserfälle, Felsen und Römertürme geben - die müsste er doch eigentlich kennen. Und tatsächlich: Er hat Lust mitzukommen, auch wenn er diese Highlights wahrscheinlich schon seit seiner Kindheit in- und auswändig kennt. Tut er auch, trotzdem Lust, prima, Tom Doncourt and Mattias Olsson's Cathedral, eingelegt, und los geht's!


Start dieser Tour war im Ortskern von Murrhardt (291m), einem hübschen Örtchen mit einem ungewöhnlichen Namen.

Ungewöhnlicher Name, ja, aber schon nicht mehr so ungewöhnlich, wenn man weiß, dass Murrhardt an der Murr liegt. Das ist ein murmelnder Bach, der sich murmelnd durch Murrhardt murmelt. Der Name der Murr wiederum geht auf ein Wort für Moor oder Sumpfland zurück. Der zweite Bestandteil "-hardt" bedeutet 'Bergwald, bewaldeter Hang'. Der Name bedeutet demnach etwa 'Weidewald an der Murr'.

Wir wanderten durch den hübschen Ortskern Murrhardts. Hier stand einst ein Römerkastell.

Die Anfänge des Stätdchens liegen nämlich in der Römerzeit. 161 n. Chr. wurde die römische Reichsgrenze - der Limes - aus dem Neckartal nach Osten verlegt, auf die Höhen des Schwäbischen Waldes. Die Römer errichteten Kastelle, um die herum sich bald kleine Siedlungen - sogenannte Kastellvici - bildeten. Diese Vici waren die Keimzellen späterer Siedlungen.

Das gilt auch für das Kastell der 24. Kohorte, das man im Südosten der heutigen Altstadt nachweisen konnte. "Vicus Murrensis" - so der lateinische Name für das Dorf hier - gehörte zur römischen Provinz Germania superior und dürfte damals von einer keltisch-germanischen Mischbevölkerung bewohnt gewesen sein.
Wegen späterer Überbauung ist aus dieser Frühzeit aber leider nichts mehr zu sehen.

Aber im Mittelalter wird Murrhardt dann greifbar, anhand einiger bedeutender mittelalterlicher Bauten. Am prominentesten ist die Stadtkirche Murrhardt (ehem. St. Januarius).

Die evangelische Stadtkirche geht auf die Klosterkirche St. Januarius eines im 9. Jh. hier gestifteten Benediktinerklosters zurück. In ihrer heutigen Form besteht sie seit dem 15. Jh., seit 1867 dient sie als Stadtkirche. Von besonderer Bedeutung ist die um 1230 an die Kirche angebaute Walterichskapelle. Sie gilt als eines der bedeutendsten Werke spätromanischer Architektur und Bauplastik in Süddeutschland.

Das Kloster
St. Januarius, das die Stadt über 1000 Jahre hinweg prägte, geht auf das 8. Jh. zurück: Schon um 750 stiftete der Frankenkönig Pippin die Urzelle St. Trinitatis. 788 wurde dann eine Mönchszelle "Cellula Murrahart" im Besitz der Bischöfe von Würzburg erstmals erwähnt. 816/817 schließlich gründete der Abt Walterich, finanziell unterstützt von Kaiser Ludwig dem Frommen, das Kloster St. Januarius. Daneben wuchs schließlich ein Dorf.

Walterich stammte aus dem fränkischen Hochadel. Manche Historiker sehen in ihm einen illegitimen Sohn Karls des Großen (und damit einen Halbbruder Ludwigs des Frommen). Walterich spielte an Ludwigs Hof eine wichtige Rolle, er war unter anderem Teilnehmer an Reichsversammlungen und kaiserlichen Gesandtschaften. Auch soll er der Beichtvater Ludwigs gewesen sein. Walterich starb 840 und wurde in St. Marien (der heutigen Walterichskirche) in Murrhardt beigesetzt.

Bald nach seinem Tod begann man, Legenden um Walterich zu stricken: Der Abt sei ein wundertätiger Mann gewesen und habe über die Jahre hinweg viele Kranke geheilt. Er wurde deshalb vom Volk als Schutzherr der Gebrechlichen verehrt und sein Ruf verbreitete sich so weit, dass eine Wallfahrt zu seinem Grab entstand. Die Bemühungen des Klostervogts Berthold von Wolfsölden bewirkten schließlich um 1226/27 eine Seligsprechung, heiliggesprochen wurde Walterich aber nicht.

Die romanische Walterichskapelle ist die bedeutendste Baumaßnahme des Klosters im 13. Jahrhundert. Sie wird in die Jahre 1230 bis 1240 datiert. Die Kapelle war nicht die Grablege Walterichs, aber sie diente der Verehrung des Klostergründers, wahrscheinlich im Rahmen der Wallfahrt zu dem als wundertätig geltenden Walterich. Lange Zeit hatte man die Kapelle für Walterichs Grablege gehalten, als bei Grabungen 1952 und 1963 jedoch sein Grab in der heutigen Walterichskirche entdeckt wurde, war das widerlegt. Die Walterichskapelle war also wohl eher ein Memorialbau oder ein Oratorium.


Wir besichtigten die Kapelle, durchwanderten einen kleinen Park und stiegen als nächstes die Treppen zur Walterichskirche hinauf.

Zurück in die Römerzeit. Hier auf dem Walterichsberg, an der Stelle des Walterichgrabs, stand zu römischen Zeiten ein Mithrastempel. Daneben erhob sich eine Jupitersäule. Mithras war ein von römischen Soldaten häufig verehrter Gott. Von diesem Heiligtum sind einige Reste erhalten, unter anderem die einzige nördlich der Alpen gefundene Darstellung der kapitolinischen Wölfin mit Romulus und Remus. Heute natürlich im Museum.

Hinter der Kirche passierten wir einen Parkplatz (306m) und den Murrhardter Friedhof (333m). Jenseits des Friedhofs nahmen wir einen Wiesenweg nach Westen, der und zunächst zum Großgartenweg, und dann weiter zum Prälatenweg brachte. Auf diesem blieben wir für etwa einen halben Kilometer, dann nahmen wir einen steilen Weg rechts hinunter zum Ausgang der Hörschbachschlucht.

Der Hörschbach ist ein lediglich fünf Kilometer langer Bach, der in Murrhardt in die Murr mündet. Er ist in der Gegend recht bekannt, durch zwei Wasserfälle, den unteren Vorderen und den oberen Hinteren Wasserfall. Des Löwensteiners Sonntagsausflug.

Erstes Highlight: der Vordere Hörschbachwasserfall (340m).

Am Vorderen Wasserfall stürzt der Hörschbach über eine erosionsresistente Schicht des Gipskeupers fünf Meter in einer der für die Gegend typischen Hohlkehlen in die Tiefe.

Und dann ging's hinein in die Hörschbachschlucht.

Der Bach fließt aus südlicher Richtung durch eine etwa zwei Kilometer lange, enge Schlucht. Neben ihm verkäuft ein schmaler, unbefestigter Pfad, der nicht wirklich unterhalten wird, und teils über umgestürzte Bäume sowie auf Steinen hinüber und herüber führt. Ziemlich abenteuerlich. Trotzdem (oder deswegen) ist hier viel los, insbesondere an Wochenenden, verbindet er doch den Vorderen mit dem Hinteren Wasserfall. Des Löwensteiners Sonntagsspaziergang.

Bald erreicht man den Hinteren Hörschbachwasserfall (425m), der mindestens genauso schön ist wie der Vordere.

Hier fällt der linke (im Aufstiegssinn aber rechte) der beiden Hörschbach-Quellbäche über eine harte Kieselsandsteinbank zunächst drei Meter und dann in mehreren Kaskaden nochmal weitere neun Meter in die Tiefe. Unten trifft er auf den zweiten Quellbach, der über seinen eigenen, etwas kleineren Wasserfall in die Schlucht stürzt. Oberhalb des ersten Wasserfalls befindet sich ein Staubecken, das man mit einer kleinen Klappe entleeren kann. So lässt sich auch bei Niedrigwasser ein ordentlicher Wasserfall erzeugen.

Kurz nach dem Wasserfall wanderten wir links hinauf zum Waldrand, wo wir erneut links abbogen. Am Waldrand entlang ging es nun hinunter zum Gasthof zum Wasserfall (450m) an der Hörschhöfer Sägmühle (452m).

Das starke Gefälle des Hörschbach-Quellbachs an dieser Stelle bot eine gute Gelegenheit zur Errichtung einer Sägemühle.

Wir folgten kurz der Straße nach links, und bogen dann gleich rechts in den Wald hinein. Uns stets geradeaus haltend, gelangten wir nach etwa 650 Metern auf den Grenzsteinweg. Ein wunderbarer kleiner Wanderpfad, dem wir nun nach rechts folgten, um den Hoblersberg herum. Der gut markierte Grenzsteinweg passiert in der Folge die Murrquelle (515m) und überquert danach beim Wanderparkplatz Hoblersberg die L1119. Wir folgten dem Grenzsteinweg noch für einen knappen Kilometer bis zum letzten Linksabzweig vor dem Waldrand, und nahmen diesen, um zum Murrhardter Felsenmeer (450m) am Rissberg zu gelangen.

Das Felsenmeer ist ein ausgewiesenes Naturdenkmal und Geotop. Es befindet sich an einem etwa sechzig Meter hohen Steilhang, direkt unterhalb einer zehn Meter hohen und etwa 100 Meter breiten Felswand. Das Ganze ist ein altes Bergsturzgelände: Die teils lieferwagengroßen Sandsteinblöcke sind aus der Felswand ausgebrochen, den Hang hinuntergerollt, und haben so ein kleines landschaftliches Od geschaffen.

Wir stiegen durch das Felsenmeer hinunter zum Römersee (410m), und waren damit schon mitten im Thema des letzten Abschnitts unserer Wanderung: beim Limes.

Am Römersee gelangten wir auf einen breiten Waldweg, dem wir nun nach rechts folgten, bis zur K1805 (Köchersberger Straße). Dieser entlang ging es hinunter ins Tal, dort kurz an der L1066 nach links, und an den ersten Häusern den ersten Weg nach rechts, über die Murr. Bald kann man die Bahnlinie unterqueren, dann befindet man sich im Ortsteil Obere Schafscheuer (315m). Hier wanderten wir auf dem Linderstweg und dem Fehlackerweg hinauf in den Wald, und im Zickzack bis zur hübsch gelegenen Lindersthütte (438m). Direkt oberhalb befindet sich der Limes-Wachtposten 9/98 "Linderst" (444m).

Wp 9/98 ist einer der der vier römischen Wachtürme auf dem Bergrücken "Linderst". Vom Turm ist nur noch ein kleiner Rest erhalten. Anhand dieses Rests konnte man feststellen, dass der quadratische Turm eine Seitenlänge von 3,75 Metern aufwies.

Knapp nördlich konnte man auch eine Abfallgrube freilegen, in der man neben Holzkohle, Münzen und einer größeren Menge Keramik auch eine bronzene Gewandnadel, einen Schuhlöffel sowie einen Grill samt Drehspieß fand. Haben sich dort wohl Döner gemacht, die alten Römer. Das stammt vermutlich nicht alles von der Wachturmbesatzung; die ungewöhnliche Nähe von 9/99 und 9/97 (die nicht sichtbar sind) legt vielmehr nahe, dass es hier einen kleinen Grenzverkehr zum nahegelegenen Vicus Murrensis gegeben haben könnte. Interessant! Erinnerte mich an meinen Viertager entlang dem Odenwaldlimes 2014.


Wir wanderten hinauf auf die Höhe, und auf der Nordseite wieder hinunter. Dort befindet sich der Wachtposten 9/96 "Heidenbühl" (398m).

Hier befinden sich zwei konservierte Turmreste nebeneinander. Der westliche der beiden Türme fiel offenbar einem Brand zum Opfer (unvorsichtig gegrillt vielleicht?), daraufhin errichtete man unmittelbar daneben einen Neubau. Unversehrte Steine des zerstörten Turms konnten dabei bequem für den neuen Turm wiederverwendet werden. Dabei scheint große Eile geboten gewesen zu sein, denn das Fundament des neuen Turms ist weit weniger sorgfältig gebaut als das des alten. Oh, und was das Grillen angeht - die Turmbesatzung hat die Ruinen des ersten Turms als geschützte Feuerstelle genutzt - auch hier ist wieder ein Dönerspieß erhalten.

Im Gegensatz zu Wp 9/98 ist von dem älteren der beiden Türme noch einiges zu sehen. Man hat das Gebäude bis zu einer Höhe von sechs Metern aus den originalen Mauersteinen rekonstruiert. Das Fundament des zweiten Turms wurde konserviert.


Wir stiegen nun hinter zum Maienweg, und wanderten auf diesem nach rechts Richtung Murrhardt. Hier passiert man eine schöne Streuobstwiese. Beim ersten Haus ging's dann nochmal nach links in den Wald (Linderst), und dort auf einem hübschen Serpentinenweg hinunter nach Murrhardt (291m).


Fazit:

Tolle, sehr abwechslungsreiche Runde in einer Gegend, in der ich sie offen gestanden nicht erwartet hätte. Die Gegend um Murrhardt ist auf jeden Fall eine Reise wert. Und eine Rundwanderung. Mindestens eine. Herzlichen Dank an den Löwensteiner, der die Runde mit mir gedreht hat, obwohl er sie vermutlich schon tausendmal gegangen ist.

Tourengänger: Nik Brückner, Löwensteiner


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