Jakob Kubli Gedächtnisführe (Tschingelhörner) und Martinsloch


Publiziert von trecime , 19. September 2021 um 14:17.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 5 September 2021
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: 5b (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-GR   Segnas-Vorabgruppe 
Unterkunftmöglichkeiten:Segnespass-Hütte (Segnes Mountain Lodge)

Die Besteigung des Gross Tschingelhorn (Glarus/Graubünden) ist bei Hikr bisher nur vom Segnespass aus beschrieben worden. Im Kletterführer «Glarner Alpen» findet sich eine alternative Route über die 2007 eingerichtete «Jakob Kubli Gedächtnisführe», bei der man von der Glarner Seite aus gesehen links vom Martinsloch direkt auf den Sattel nördlich des Gross Tschingelhorns gelangt. Dabei steigt man geologisch zunächst durch Flysch, dann durch eine Scholle aus Jurakalk, in deren Mitte ein weiteres Band aus Flysch tektonisch eingeschuppt ist, bevor man über dem Sattel in Verrucano gelangt, der bis zum Gipfel reicht. Die geologische Situation erklärt sich durch die Überschiebung der Helvetischen Decken auf autochthonen Flysch und spielte eine Schlüsselrolle beim Verständnis des Deckenbaus der Alpen. Leider bedingt diese geologische Situation auch extrem brüchiges Gestein, das unseren Nerven stellenweise arg zusetzte und auch eine objektive Gefahr bedeutet, die nicht zu unterschätzen ist.
 
Der Zustieg befindet sich deutlich höher als der direkte Weg zum Martinsloch und ist nach dem Foto im Kletterführer leicht zu finden. Allerdings befindet man sich bereits während des Zustiegs in bröckeligem Flysch, sodass schon vor dem ersten Haken im Kalk Konzentration geboten ist. Diesen erreichten wir nach einem eher gemütlichen Start von der Segnespasshütte gegen ca. 10 Uhr. Da die Route vormittags im Schatten liegt und es auf der Höhe recht frisch ist, ist ein früherer Start auch nicht unbedingt empfehlenswert. Die erste Seillänge (3b) ist trotz der schlechten Felsqualität problemlos, aber es ist unbedingt darauf zu achten, die ersten Expressen zu verlängern (Alpinexpressen verwenden). So musste ich beim der dritten Haken wieder absteigen und die unteren Expressen aushängen, da die Seilreibung zu stark wurde. Der erste Stand besteht aus zwei nicht verbundenen Bohrhaken einige Meter unterhalb des Flyschbandes. Die zweite Seillänge (5b) quert zunächst das Flyschband und ist dort technisch nicht schwierig, aber im brüchigen, schuttbedeckten Gestein saugefährlich, da sich für mehr als 20 m kein Bohrhaken findet. Bricht einem hier ein Griff oder Tritt aus, sieht es schlecht aus. Im oberen Bereich erreicht die zweite Seillänge wieder Kalk. Bohrhaken sind hier grosszügig gesetzt, aber technisch wird es deutlich schwieriger, und leider sind die Kalke durch die tektonische Beanspruchung kleinsplittrig und brüchig und die Absätze voll mit losem Schutt. Ich war froh, dass Christian hier vorgestiegen ist und auch gleich die dritte Seillänge (5a) übernahm, die etwas leichter war als die vorige, aber sehr brüchig blieb. Übrigens benötigt man für Seillängen 2 und 3 fast die gesamte Länge der 50 m Seile. Oben angekommen muss man durch schuttiges Gelände ohne Sicherungsgelegenheit zum Sattel absteigen, von wo man zum Tschingelhorn aufsteigen oder zum Martinsloch hin abseilen kann. Der Weg zum Gipfel ist laut Kletterführer «nicht schwierig» (T5), lässt sich aber kaum sichern. Da unser Bedarf an unsicherem Aufstieg bereits gedeckt war, wendeten wir uns den Abseilständen zu. Insgesamt gibt es drei davon: Eine grosse Stange, die am leichtesten zu erreichen ist und zur Glarner Seite hin herunterführt, etwas tiefer und rechts (mit Blick nach Glarus) eine Stange mit einer Umlenkrolle und daneben zwei Bohrhaken, sowie zwei Bohrhaken, die zur Bündner Seite hinleiten. Um letztere zu erreichen, muss man ein Stück weit absteigen, kann diesen Abstieg aber von einem Bohrhaken aus sichern.
 
Wir entschieden uns für die grosse Stange, wo wir noch die Seile bargen, die eine vorige Seilschaft nicht abziehen konnte. Auch wir brauchten später viel Kraft beim Abziehen unserer Seile, möglicherweise ein Grund für die Einrichtung des zweiten Abseilstandes. Das Abseilen bot noch einmal Nervenkitzel, da der untere Bereich überhängt und von oben nicht einsehbar ist. Die Abseillänge beträgt die vollen 50 m, dann befindet man sich auf dem Flyschband nördlich vom Martinsloch. Die Querung ins Martinsloch hinüber führt wiederum über viel losen Schutt und brüchiges Gestein und ist nicht ungefährlich. Ab dem Martinsloch hat man dann ein Fixseil bis in sicheres Gelände hinein zur Verfügung.
 
Zusammenfassend kann man sagen, dass es eine grossartige, aber durch das brüchige Gestein objektiv gefährliche Tour ist. Zu schreiben, dass der Fels «eher mässig» sei (Kletterführer Glarner Alpen), ist unserer Meinung nach eine Untertreibung.  Möglichkeiten, mobile Zwischensicherungen zu legen, gibt es praktisch nicht, was v.a. in der zweiten Seillänge und am Ausstieg potenziell gefährlich ist. Unser Fazit: eine wilde Tour, aber wir waren froh, unten wieder heil angekommen zu sein.
 

Tourengänger: trecime


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Kommentare (2)


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DonMiguel hat gesagt: Schömne Tour!
Gesendet am 30. September 2021 um 15:53
Gratuliere zur Tour! Habe diese Kletterei genau aus diesem Grund vor mir her geschoben, das Ganze ist sehr splittrig und brüchig..:) Danke für den ausführlichen Beschrieb. Gruss Don

trecime hat gesagt: RE:Schöne Tour!
Gesendet am 6. Oktober 2021 um 23:06
Danke für Deinen Kommentar! Es freut mich, wenn der Bericht hilfreich ist. Herzliche Grüsse, Michael


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