Monviso (3.841 m) - der König aus Stein

VORBEMERKUNGEN
Der Monviso stand schon lange auf meiner Tourenliste, spätestens seit ich unter https://www.hikr.org/tour/post145738.html die Liste der höchsten Alpinwanderberge über 3.600 m veröffentlicht habe. Eine vollständige und gute Tourenbeschreibung findet sich z.B. unter https://www.alpenvereinaktiv.com/de/tour/monviso-oder-monte-viso-3841m-normalweg-ueber-suedwand/33922410/. Ich mag hier nur ein paar Updates geben zur heutigen Situation.
Die Schwierigkeit bewerte ich als glattes T6 und somit ist der Monviso ein wahrhaftiger Alpinwandergipfel (der vierthöchste der Alpen!). Die Hauptschwierigkeit ist die knapp 500 Höhenmeter zählende Südwand, in der sich alle Kletterstellen befinden. Tatsächlich sind die Kletterstellen alle in bombig festem und meist gutgriffigen Gestein, fast nie ausgesetzt; also alles sehr, sehr gutmütig! Ich zählte drei Kletterstellen im oberen IIer Grat, die schwerste davon ('I Fornelli') wird in der Literatur als III- angegeben. Fast alles ist hernach auch konzentriert abzuklettern; ich fand zwei neuere und sehr solide Haken; einer davon war unnötig, der andere dient dem Abseilen oberhalb 'i Fornelli' - das Angebot habe ich sehr gerne angenommen.
Der winzige Sellagletscher ist mittlerweile komplett abgeschmolzen. Im Spätsommer dürfen Pickel, Steigeisen und Stiefel daheim bleiben; Halbschuhe tun es daher auch!
Sehr unangenehm empfand ich den Klettersteig zum Passo delle Sagnette; hier sind fast 200 Höhenmeter an Ketten zu bewältigen - und das nachts im Dunkeln. Im Abstieg macht das Ganze kaum mehr Spaß!
Orientierungsprobleme gibt es überhaupt gar keine; man folgt den roten Strichen bis zum letzten Abzweig und dann den gelben Markierungen. Oft gibt es mehrere Möglichkeiten; manche Kletterstellen lassen sich umgehen; auch 'i Fornelli' ließe sich dem Vernehmen nach im Steilschutt umgehen. Im Abstieg darf jeder spontan selber entscheiden, ob das Abklettern oder das Umgehen angenehmer ist.
Der Helm wird die ganze Zeit getragen (auf dem Klettersteig und in der Südwand). Eine Schlinge im Gurt erlaubt die Selbstsicherung am Klettersteig und kann ein wenig das mulmige Gefühl verdrängen. Der Klettersteig wird zur Kategorie B gezählt und ist durchaus gut frei begehbar.
Die Hütte ist halt groß und italienischer Standard - das gehört einfach dazu, auch wenn man es nicht wirklich genießen kann.
Ach ja, der Italiener kennt keinen 'Monte Viso' - hier gibt es nur den 'Monviso'!

DIE TOUR
Der Hüttenaufstieg vom Pian del Re (2.020 m) ist bestens markiert, breit getreten und dauert 2-2,5 Stunden, bis man am Rifugio Quintino Sella (2.640 m) steht. Der Weg mit seinem drei Seen und der urtümlichen Landschaft vor dem Colle di Viso (2.650 m) ist durchaus reizvoll! 
Am nächsten Morgen steht das Thermosfrühstück bereit und jeder entscheidet selbst, wann er loszieht. Wer die piemontesischen Wolken kennt, verschiebt den Aufbruch nicht weit nach hinten, Am 01.09.2021 hat sich ein Aufbruch um 4:15 als praktikabel bewährt.
Es geht etwa 40 Höhenmeter gen Süden, dann an einem Steinmann der Beschilderung 'Viso' und 'Sagnette' folgend ernst sanft, dann steiler hinauf und dann über den Kettensteig (denn eigentlich ist das gar kein richtiger Klettersteig mit ehrlichem Drahtseil!) zum Passo delle Sagnette (2.989 m) - knapp 1,5 Stunden ab der Hütte.
Nun geht es knapp 100 Höhenmeter hinab, dann nach rechts durch eine Steinwüste und später den gelben Markierungen folgend bis zum großen Steinmann auf dem Moränenwall. Weiter über die Moräne und einen Rücken hinauf, scharf rechts abbiegend in einer Steilstufe bis zum Bivacco Andreotti (je nach Literatur 3.225 m oder 3.277 m), das man nach einer weiteren guten Stunde erreicht.
Auf stets eindeutigem Weg geht es in weiteren 20-30 Minuten zum Wandfuß auf etwa 3340 Metern. Hier bleiben dann die Stöcke im Depot (und auch Pickel und Steigeisen, wenn man blöd genug ist, diese mitzuschleppen (wie wir!)).
Wir haben für die Kletterei hinauf zum Gipfel gut 2 Stunden benötigt; das sollte auch in etwa der Richtwert sein, doch die Aufstiegszeiten variieren stark. Spaß macht der Aufstieg auf jeden Fall, denn es ist wirklich eine ganz tolle Route durch die Südwand!
Sofern die Wolken einem keinen Strich durch die Rechnung machen, ist die Aussicht so, wie der Name des Berges es verheißt: einfach weitsichtig und großartig!!
Der Abstieg ging sogar schneller als der Aufstieg. Wie geschrieben, macht es durchaus Sinn, 'i Fornelli' abzuseilen, doch klettern viele Aspiranten diese Stelle auch frei ab. Man beachte noch, dass der Monviso gerne Wolken und Gewitter anzieht; bei uns hatten wir zum Glück Sonne bis zum Passo delle Sagnette,
Zurück ging es wie schon morgens, doch nun mit etwas mehr Licht. Der Abstieg ist etwa eine Stunde kürzer als der Aufstieg, doch gegen Ende eher zäh. Das Bier vom Fass (Moretti) an der Hütte schmeckt nach der Tour wirklich hervorragend!
Der Rückweg zum Pian del Re (2.020 m) ist dann in 2 weiteren Stunden (oft - wie bei uns - in Wolken) erledigt. Das Gebläse im Auto bringt dann sehr wunderliche Gerüche aus dem Fußraum empor... ;-)

FAZIT
Eine der großartigsten Touren, die ich kenne. Ich komme gewiss wieder, denn ich habe die Tour schon einem guten Freund versprochen!