Monviso - Angst und Schweiß am Normalweg


Publiziert von Simon_B , 15. September 2017 um 00:04.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum:13 September 2017
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m

Vorgeschichte:
Die Faszination für den Monviso begann für mich vor ziemlich genau 10 Jahren, als mein Bruder und ich in den Lanzotälern unterwegs waren und wir an einem "Pausentag" von Turin aus die Felspyramide dieses Berges das erste Mal erblickten. Letztes Jahr dann waren die Anne und ich auf dem Castor - auch dort dominierte in der Ferne im Süden der Monviso die Szenerie. Zuletzt lachte uns die Felspyramide des Monviso zwei Wochen zu vor vom Gipfel des Punta Argentera an. Klar war aber auch, dass dieser Berg den absoluten Grenzbereich unseres Könnens (insbesondere meiner Höhenangst) darstellen würde und einfach alles passen müsste, um einen Versuch zu wagen. Nun waren die Anne und ich seit fast drei Wochen in den Südalpen unterwegs, wir konnten einige gute Vorbereitungstouren machen und dann passte auch noch die Wettervorhersage perfekt. Diese Chance wollten wir nutzen!

So reservierten wir zwei Plätze im Rifugio Quintino Sella und machten uns am Nachmittag des 12. Septembers auf den Weg zur Hütte. Bei strahlenden Sonnenschein konnten wir den zwar viel begangenen aber auch sehr reizvollen Hüttenaufstieg genießen. Immerhin wird direkt am Anfang die Po-Quelle passiert, später kommt man an zwei schönen Seen vorbei - beinahe drohend über allem der Koloss des Monviso. Nach gut 2 Stunden erreichten wir die Hütte, welche bereits einen tollen Aussichtsplatz auf die Poebene darstellt - insbesondere in der Dunkelheit war es faszinierend, die Lichter der Städte zu betrachten - ohne die Relationen des Tages könnte man fast vergessen, dass dies Alles 2300 Höhenmeter tiefer liegt und man nicht mal  eben in eine Bar gehen kann, um einen Absacker zu genießen - dies war aber problemlos in der vollen, aber gut organisierten Hütte möglich.

Nach schlafloser Nacht und einem spärlichen Frühstück starteten wir gegen 05:30 in Richtung Gipfel. Die Windstille und relativ milde Temperaturen versprühten bei uns erst einmal einen gewissen Optimismus. Mit Stirnlampenlicht ging es zum Ende des Sees und dort an einer Gabelung rechts in Richtung des  Passo delle Sagnette. Ein guter Pfad führte hinauf zum Klettersteig. Diesen empfanden wir als schon recht anspruchsvoll - zumindest handelt es sich um deutlich mehr als einen gesicherten Wanderweg! Kurz vor dem Pass ging so langsam die Sonne über der Poebene auf - ein wunderbarer Moment! Allerdings war es hier schlagartig mit der Gemütlichkeit vorbei - aus Westen blies uns der Sturm fast vom Pass. Nach kurzer Pause stiegen wir auf der anderen Seite hinab und folgten Pfadspuren, gelben Markierungen und Steinmännern in Richtung Monviso-Südwand. Nach passieren der Moräne des nicht mehr existenten Monviso-Gletschers erreichten wir gegen 08:30 schließlich das Bivacco Andreotti. Zugegeben, wir beide hatten bereits einige Körner bis hierher verbraucht und auch aufgrund des hier immer noch pfeifenden Windes beide im Stillen eine Umkehr ins Kalkül gezogen. Nach einer Pause im Biwak gingen wir schließlich aber weiter. Links weniger Eisreste des Sellagletschers erreichten wir schließlich das Einstiegsband der Monviso-Südwand. Den gelben Markierungen folgend ging es nun erst entlang des Bandes und danach schließlich über einen ständigen Wechsel aus zahlreichen Kletterpassagen, steilen Geröllstücken und nur wenig Gehgelände steil hinauf. Zum Glück war in der Wand vom Wind nichts mehr zu spüren. aber wir beide verspürten langsam, dass wir es eben nicht gewöhnt sind, so lange am Stück in dieser Höhe zu klettern. Kurz gesagt, die Pumpe ging ordentlich! Hinauf ließen sich die teilweise doch ausgesetzten Kletterpassagen dennoch recht gut klettern - den Gedanken an den Abstieg verdrängte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch aus gutem Grunde. Schließlich erreichten wir die angebliche Schlüsselstelle des Aufstieges, die Verschneidung "I Fornelli". Vielleicht ist es technisch die schwierigste Stelle des Aufstieges - für mich durchaus III, aber ich empfand die Passage im Vergleich zu den vorhergehenden Passagen als deutlich weniger ausgesetzt. So überwanden wir auch dieses Hinterniss und gelangten nach weiterer Kraxelei schließlich zur markanten Felsnadel "Testa dell´Aquila". Hier wusste ich aus der Literatur - nun ist es nicht mehr weit. Aber auch die letzten Stücke zum Gipfel forderten nochmals Kletterei - schließlich erreichten wir gegen 11:20 das Gipfelkreuz, wo uns der Sturm nun wieder herzlich begrüßte!

Ja, es war wirklich ein einmaliges Panorama - aufgrund der totalen Dominanz des Monviso im Vergleich zur Umgebung regelrechte Flugzeugperspektive! Im Süden konnten wir den Alpenbogen bis zum Beginn des Apennins verfolgen, im Norden war mit einigen Wolken verziert die Mont-Blanc-Gruppe zu erkennen. Der Blick in den Dunst der Poebene - absolut eindrucksvoll. Aber so ganz konnten wir Beide diesen Moment nicht genießen. Wir spürten, dass wir hier leicht über unserem Limit aufgestiegen waren - ich kann für mich sagen, dass ich schon ganz schön fertig war. Es war klar, dass der Abstieg nicht nur lang sein würde, sondern das Abklettern noch mal richtig schwierig werden würde und lange Zeit höchste Konzentration erfordert.

Auch wegen des Windes begannen wir nach etwa 20 Minuten Gipfelrast schließlich mit dem Abstieg. Nun bestätigten sich meine Befürchtungen: Mit Blick in die Tiefen und bereits geschafft vom Aufstieg kletterten sich viele Passagen nicht mehr angenehm. Die Stelle "I Fornelli" seilten wir ab - zwei andere Passagen konnten im Abstieg gut durch Geröllrinnen umgangen werden. Aber ich merkte, dass es bei mir bei den zahlreichen weiteren Kletterstellen mit dem souveränen und sauberen Klettern vorbei war - nicht ungefährlich in dieser Wand! Schließlich erreichten wir nach langen 2:30 Stunden - genauso lange wie im Aufstieg! - schließlich wieder das Biwak - Zeit für eine Pause! Es war mittlerweile 14:30 und wir eigentlich schon am Ende! Mittlerweile kalkulierten wir das Rifugio als Tagesziel ein und stiegen nun durch das Geröll und Moränengelände zum Pass ab - wenigstens diese Passage konnten wir zügig und problemlos bewältigen. Nun folgte der Klettersteig - in guter Form hätte ich hier keine größeren Probleme, aber heute ließ ich mich kraftlos und unkoordiniert wie ein absoluter Anfänger die Ketten hinab - ein Klettersteigset wäre hier absolut vernünftig gewesen, wurde aber aus Gewichtsgründen weggelassen... Schließlich erreichten wir geschafft, aber heil und glücklich das Rifugio gegen 17:15. Mit den Gedanken an unsere schöne Ferienwohnung, einem heißen Bad und einer schnarchfreien Nacht entschieden wir uns dann doch noch für den Abstieg und erreichten schließlich gegen 20:00 in der Dämmerung unser Auto am Pian del Re.

Fazit:
Wer als bergbegeisterter Mensch den Monviso sieht, wird regelrecht dazu provoziert ihm aufs Haupt klettern zu wollen. Das verleitet dazu, die eigenen Grenzen bis aufs Äußerste auszutesten. Wir sind hier als Flachland-Tiroler (max. zwei mal im Jahr Hochgebirge) definitiv an unsere Grenzen gekommen. Wir beide haben einige Bergerfahrung, sind Ausdauersportler und gehen auch ab und an etwas klettern. Dennoch hat uns vor Allem die Länge der Kletterei und des anspruchsvollen Geländes (Kletterei+Klettersteig) zugesetzt. Ich gebe zu - im Nachhinein würde ich es als nicht mehr ganz vernünftig bezeichnen, das wir die Sache bis zum Gipfel durchgezogen haben! Und gerade deswegen war es für uns auch hinten raus kein Genuss mehr, sondern eine große Herausforderung. Sachlich betrachtet, hatten wir optimale Bedingungen - keinerlei Schnee, oder Eisberührung (die in der Literatur genannten Firnfelder in der Wand waren nicht mehr existent) und absolut sicheres Wetter. Die Markierungen in der Wand helfen bei der groben Routenwahl, dennoch gibt es oft mehrere Möglichkeiten rechts und links der gelben Striche, so dass nicht immer klar ist, ob man auf der günstigsten Route ist. In der Wand gibt es nur wenig Gehgelände und meiner Ansicht nach zahlreiche Kletterpassagen im II Grad. Auch der III Grad wird zumindest an der schwierigsten Stelle erreicht. Den Klettersteig sollte man nicht unbedingt als Nebensache abtun - er ist zwar nicht besonders lang, aber doch steil und Kräfte erfordernd, insbesondere, wenn man im Abstieg nicht mehr frisch ist. Wer der Sache mehr gewachsen ist als wir, kann bei guten Bedingungen eine tolle felslastige Tour auf einen der schönsten und prominentesten Berge der Alpen erleben. Die Aussicht vom Gipfel ist absolut einmalig! Der Anspruch ist aber meines Erachtens nach nicht zu unterschätzen - wäre der Weg bis zum Gipfel nicht so gut markiert, würde ich bei der Bewertung vielleicht sogar auf ein AD- , so auf ein PD+ plädieren.

Tourengänger: Simon_B


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Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

lampbarone hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2017 um 12:14
Gratuliere!

(Für mich wohl ein unerreichbarer Traum)

Würde nicht ein Start vom Bivacco die Anstrengung des Aufstiegstags entschärfen?

Simon_B hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2017 um 12:34
Daran haben wir auch gedacht - allerdings muss man dann das ganze Schlafzeugs und die Verpflegung bis dort hoch wuchten - und ein richtig gemütlicher Ort ist dieses Biwak auch nicht gerade

Stijn hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2017 um 21:39
Gratuliere und Danke für das aktuelle Bericht. Wir haben die
Tour für Montag geplant :).

Simon_B hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2017 um 12:35
dann viel Glück, Spass und vor Allem gutes Wetter!

Stijn hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. September 2017 um 21:52
Danke. Es hat geklappt, zwar auch nicht bei perfektem Wetter, aber immerhin eine tolle Tour: http://www.hikr.org/tour/post125403.html

Simon_B hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. September 2017 um 16:31
Glückwunsch! Schöner Bericht. War ja schon ein bisschen Winter nur drei Tage nach unserer Tour. Da haben wir Beide vielleicht die letzten guten Tage dieses Jahr für diesen Berg genutzt - jetzt sind die Hütten zu und wer weiß, ob der Schnee oben noch mal schmilzt.


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