Leicht gezuckert: Über Zopetscharte und Türmljoch


Publiziert von HeHaWaBau , 28. August 2021 um 22:09.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum: 2 August 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K3 (ZS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:14,2 km

Wenn schon mageres Wetter, dann wenigstens ein bisschen Schnee Anfang August: Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit ging am Vorabend der Wanderung auf der Eisseehütte der Regen in Schnee über. Am nächsten Vormittag präsentierten sich daher die oberhalb von ca. 2700m gelegenenen Gebiete leicht gezuckert. Und das harmonierte bestens mit der Sonne, die sich für ein knappes Stündchen zeigte.

 

Der Weg Richtung Zopetscharte, den ich am Vortag herabgestiegen war, ließ sich problemlos begehen. Lediglich im obersten Bereich waren gelegentlich ein paar Markierungen zugeschneit. Zudem war auf der dünnen Schneedecke natürlich erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Doch der Anblick des makellosen Schnees (Ich war anscheinend an diesem Tag der erste Wanderer) entschädigte großzügig. 

Im oberen Teil des Abstiegs hinunter ins Dorfertal erwies sich das Fahnden nach Markierungen schon als etwas schwieriger. Denoch ging es ohne größere Komplikationen abwärts. Schon in Sichtweite der Johannishütte begegnete mir eine ältere Dame, deren Aussehen sich auffällig vom üblichen Funktionsfaserlook der Wanderer und Bergsteiger abhob: Kopftuch, klassische lederne Bergschuhe, die anscheinend schon manche Saison erlebt hatten, ein knorriger Stock, auf den sie sich stützte. Begleitet wurde sie von drei Personen in der üblichen Touristentracht. Wir grüßten, sie erkundigte sich, ob ich von der Eisseehütte komme, und bedachte mich, als ich bejaht hatte, mit einem Kompliment für mein flottes Marschtempo unter eher widrigen Umständen. Dann fragte sie mich, ob ihre Kühe noch alle da seien. Es seien acht an der Zahl. Ich bestätigte, dass ich einige Exemplare gesehen hatte und dass diese zumindest für einen laienhaften Beobachter wohlauf und guter Dinge waren. Aber dass es acht waren, konnte ich beim besten Willen nicht beschwören. Die Herden-Inspektion musste also fortgesetzt werden, wir verabschiedeten uns voneinander und ich stieg auch noch die letzten Meter zur Johannishütte ab. Diese hatte, vielleicht auch aufgrund ihrer faktischen Straßenanbindung, ein wenig den Charakter eines Gasthauses. An die Gemütlichkeit der Eisseehütte heranreichen konnte sie in meinen Augen nicht. Doch das Bergsteigeressen war schmackhaft und großzügig portioniert und das „Bergsteigergetränk“ (Ich hoffe, es hieß so.) löschte den Durst. Als ich beim Bestellen den Wunsch äußerte, es mit Soda und nicht mit stillem Wasser genießen zu wollen, hieß es, das koste aber extra. Doch die dreißig oder vierzig Cent Differenz gab mein Budget glücklicherweise noch her.

 

Den Aufstieg zum Türmljoch empfand ich als wenig spektakulär. Erst überquerte ich direkt hinter der Hütte den Dorferbach, der sich schluchtähnlich eingegraben hat und durchaus etwas hermacht. Dann ging es hoch. Für Abwechslung sorgten — schon wieder — Kühe, die uns beharrlich den Weg versperrten und einen nicht allzu friedlichen Eindruck machten. Mir fielen unwillkürlich die reißerischen Schlagzeilen der Boulevardpresse ein, die gelegentlich auftauchen: „Wanderer von Kuh totgetrampelt“. Und ich dachte: „Wenn es doch wenigstens ein Bär wäre oder ein Wolf, dann hätte es immerhin etwas Heroisches.“ Diese Assoziation führte, wie ich wenig später verstand, wahrscheinlich sogar in die richtige Richtung, warnten Schilder in der Gegend doch vor „unruhigen Weidetieren“, die aus Angst vor Wölfen in erhöhter Alarmbereitschaft waren. Letztlich konnten wir die Wiederkäuer aber langsam und vorsichtig umwandern. Doch aus den Augen ließen sie uns nicht.

 

Auf dem Türmljoch, über welches man vom Dorfer- ins Maurertal gelangt, wartet mit dem Türml ein kleiner aber feiner Klettersteig. Ebenso wie die Rote Säule zwei Tage zuvor passte er prima zu meinen Fähigkeiten. Ein wenig mehr Panorama auf die Eisriesen des Maurertals wäre zwar schön gewesen. Aber immerhin zeigte sich neben dem Simonysee auch die Aufstiegsroute Richtung Östliche Simonyspitze, die ich am nächsten Tag in Angriff nehmen wollte.

 

Auf dem Talboden angekommen führte der Weg erst in einer großzügigen Linksschleife Richtung Norden und schlängelte sich dann der Essener-Rostocker Hütte entgegen. Auch hier zeigten sich die Auswirkungen der ergiebigen Regenfälle der vergangenen Tage: Bäche allerorten, große, kleine, reißende und auch solche, die eigentlich Wege sein sollten. Kurz vor der Hütte tat sich dann ein ungewohnter Anblick auf: Der Maurerbach strömte an rötlichen, glatt geschliffenen Felsen vorbei, hier und dort reckten sich leidgeprüfte Latschen in den Himmel. Später auf der Hütte erfuhr ich dann, dass dies Überbleibsel einer früheren Moorlandschaft waren.

 

Auf der Essener-Rostocker-Hütte hatten wir zwei Übernachtungen gebucht, um am darauffolgenden Tag das Maurertal etwas ausführlicher erkunden zu können. Die Hütte hat wahrlich ihren Reiz: Sie ist toll gelegen und bietet (höchstwahrscheinlich) großartige Ausblicke auf die Maurerkette (Ganz beurteilen kann ich dies aber eigentlich nicht, weil die Gipfel samt Gletscherzier selten von den Wolken freigegeben wurden). Zudem wird auf der Hütte klasse gekocht und gebacken (Das Kuchenbüffet ist schon allein eine Reise wert.), der Cappuccino ist vom Feinsten. Zum Frühstück gibt es viel Auswahl und selbstgebackenes Brot: gehaltvoll und lecker. Nicht überzeugend erschien mir jedoch die Tatsache, dass das Abendessen, mit Ausnahme der frisch gebackenen Waffeln zum Dessert, in Büffetform angeboten wurde. Denn dies führte zur sprichwörtlichen lautstarken Schlacht am Büffet, von der schon vor einer halben Ewigkeit Reinhard Mey sang — eben jener Barde, der meinte, über den Wolken müsse die Freiheit doch grenzenlos sein. Wenn das nicht ein verheißungsvolles Motto für einen zünftigen Bergurlaub ist!


Tourengänger: HeHaWaBau


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