Nider, Höj, am Höchste...


Publiziert von lorenzo , 5. Juni 2021 um 08:18.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:26 Mai 2021
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 2045 m
Abstieg: 2045 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Rengggraben (1200m, ab dort Fahrverbot) ob Saxeten oder cff logo Saxeten, Schulhaus (ca. 15min länger)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Alpenrose
Kartennummer:LK 1228 Lauterbrunnen; D. Anker, R. Schnegg, Skitouren Berner Alpen Ost, SAC 2004

Der Höchste ist der Niedrigste und bällt am lautesten - so liesse sich meine vorletzte Skitoureneskapade kurz und prägnant zusammenfassen...aber schön der Reihe nach. In den letzten, vom Wetter nicht gerade gesegneten Wochen sah ich von zuhause aus gelegentlich die immer noch schön verfirnte NW-Flanke der Sulegg zwischen dem Därliggrat und der alles überragenden Jungfrau sowie dem Gletscherhorn durch die Wolken auftauchen. Der Plan war schnell gemacht: Aufstieg vom Saxettal zur Nideri Sulegg, 1. Abfahrt über die NW-Flanke zur Bällenalp, Wiederaufstieg zur Höji Sulegg, 2. Abfahrt über die NW-Flanke zur Bällenalp, Wiederaufstieg zum Bällehöchst  und 3. Abfahrt nach Schlipfwengen und zurück. Natürlich nicht ohne die Rechnung mit dem Wirt, sprich der Schneeschmelze, gemacht, und mich entsprechend auf längere Tragpassagen eingestellt zu haben...

Bei mildem Westwindwetter mit wechselnder Bewölkung zog ich los und war dann doch etwas überrascht, feststellen zu müssen, dass mir der Därliggrat nur die halbe Wahrheit gezeigt bzw. verschwiegen hatte, dass nicht nur das Saxettal bis Underberg, sondern die ganze unter Hälfte der NW-Flanke bereits weitgehend aper war. He nu so de, das Alpinwandern ist ja schliesslich des Türelers Lust...und so freute ich mich, die Ski zunächst durch duftende Wald- und blühende Wiesenflora, begleitet von anmutigem Vogelgezwitscher und dem inständigen Rauschen des Saxetbachs über Underberg und - von einem kurzen  Skiversuch in einer schneegefüllten Rinne abgesehen - weiter bis zu den Sulböde hinauf tragen zu dürfen. Nach einem weiteren Skiversuch über der folgenden kniffligen Felsstufe - 
diesmal mit Harscheisen - stellte ich wegen der Steilheit und Ausgesetztheit sowie der angefrorenen Schneeoberfläche wieder auf Steigeisen um. Sogleich fühlte ich mich sicherer und kam erst noch schneller vorwärts. Auf dem Grat angekommen, folgte ich diesem, das sich vor mir öffnende weitläufige Panorama geniessend, auf Ski zur Nideri Sulegg. Eine erste, vergleichsweise kurze Abfahrt führte mich auf zuerst hartem, aber griffigem, dann leicht angesulztem Firn quer über die steile NW-Flanke, zuletzt entlang dem mittleren Graben, hinunter nach Hinderbällen.

Schon stand die Sonne hoch über der Höji Sulegg, und unten hatte sich schon reifer Sulz gebildet, als ich die Felle wieder aufzog und mich direkt Richtung Gipfel aufmachte. Sobald es unter dem Felsgürtel steiler wurde, und mit Spitzkehren nicht mehr viel Höhe zu gewinnen war, zog ich wieder die Steigeisen an, mit denen ich glücklicherweise immer noch nicht einsank. Auch das Wetter hielt sich trotz prognostizierter zunehmender Bewölkung besser als erwartet, und der Westwind hielt sich in Grenzen, so dass ich auf dem Grat und dem Gipfel zum zweiten Mal das eindrückliche Rundumpanorama und die packenden Tiefblicke zu Thuner- und Brienzersee in mich aufsaugen konnte. Mit der zweiten, klassischen Abfahrt, die gestrichelt auch auf der Karte eingezeichnet ist, gelangte ich 
auf griffigem Hartschnee bis zum Felsgürtel, darunter ab den Salzweng, die sich als eigentliche "Sulzweng"  entpuppten, auf butterweichem Sulz direkt hinunter nach Bällen.

Nach meiner Rechnung sollte jetzt nur noch der gemütliche Teil folgen, und tatsächlich erwies sich der Aufstieg entlang dem Bergweg mit Ski zum Bällenhöchst - für mich eine Premiere - als dankbarer Chiller, und der Gipfel zudem als Aussichtsbalkon erster Güte. Auch die Abfahrt über die WNW-Flanke zur Grimselegg ungefähr entlang der Skiroute war zunächst übersichtlich und leicht, obwohl der Schnee langsam weich wurde und an Einsinktiefe gewann. Dummerweise liess ich mich dann vom folgenden Steilabschnitt entlang dem Weg durch den Wald, wo wenig oder kein Schnee mehr zu liegen schien, abschrecken und folgte dem verführerischen Schnee bis zum westlichen Rand des tiefen Grabens nördlich von Usser Bällen, wo meine lockeren Schwünge über steilen Flühen aber ein jähes Ende fanden. Ich stieg etwas zurück, querte nach Osten in den Graben und wurstelte mich mit Ski und zu Fuss über Felsstufen, Grasbänder und steilen Bergwald hinab, bis ich in der Mulde unter der abschliessenden Felswand nochmals die Ski anschnallen und bis Schlipfwengen hinunter gleiten konnte, wo mich schon wieder die lange vermissten Wanderfreuden erwarteten. Wie im Führer die ausgesetzte Traverse auf dem Sommerweg zwischen Usser Bällen und Schlipfwengen als Schlüsselstelle der Suleggabfahrt bezeichnet wird, hatte auch ich auf meiner Abfahrtsvariante vom harmlos scheinenden Bällehöchst - dank meinem Verhauer - erst zuletzt mit ungemütlichen Schlüsselstellen zu kämpfen. Aber wie heisst es doch so "schön": abgerechnet wird immer am Schluss...


Nideri Sulegg - Höji Sulegg - Bällehöchst
Vom Parkplatz Rengggraben (1200m) auf der Alpstrasse bzw. dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) folgend nach Underberg (1457m). Wr über den Saxetbach und weiter nach E auf Weide, durch Rinnen und über Rippen nach Sulböde (ca. 1850m). Die folgende felsige Stufe kann N umgangen oder ca. in der Mitte über eine Schrofenrampe von links nach rechts (II) überwunden werden. Anschliessend über die obere NW-Flanke (bis 40 Grad) zum Grat bei P. 2315 und über diesen einfach auf die Nideri Sulegg (2345m), 3h, ZS+ oder T4. Abfahrt über die NW-Flanke nach NNW, einige Gräben querend (bis 40 Grad) hinunter nach Hinderbällen (1768m), 15-30min, ZS+. Wiederaufstieg über die NW-Flanke nach SE, den Felsgürtel bei ca. 2100m überwindend (bis 40 Grad), auf die Höji Sulegg (2413m), 1h 15min-1h 30min, ZS+. Abfahrt über die NW-Flanke nach NNW, den Felsgürtel bei ca. 2275m passierend (kurz 45 Grad) und über Salzweng (bis 40 Grad) hinunter nach Bällen (1843m), 15-30min, ZS+. Wiederaufstieg entlang dem Bergweg (wr) über die Bällefurgge (1999m) zum Bällehöchst (2095m), 30min. Abfahrt über die WNW-Flanke, die Grimselegg und entlang dem eingezeichneten Weg (bis 40 Grad) nach Schlipfwengen (1520m) und auf der Alpstrasse oder dem Bergweg (wr) über P.1238 zurück, 1h-1h 30min, ZS+.

Variante durch den Graben N von Usser Bällen: Einfahrt von SE und Abfahrt zwischen Bändern hindurch hinunter. Abklettern über 2 niedrige Felsstufen (I) und auf Gras- und Schrofenbändern ausgesetzt nach NW zu einer bewaldeten Rippe. Über diese steil hinab, nach SE zurück in die Mulde unter der abschliessenden Felswand und Abfahrt durch diese und über Weide hinunter nach Schlipfwengen (1520m), 30min, S, T5 (Verhauer, nicht lohnend).

Insgesamt 6h 15min bis 7h 30min.

Verhältnisse: bei kammnah böigem W-Wind und milden Temperaturen bewölkt mit Aufhellungen. Beim Aufstieg zusammenhängende Schneedecke ab ca. 2000m, bei der Abfahrt bis  ca. 1600m. Angefrorene durchfeuchtete Unterlage mit Trittkonsistenz bei den Aufstiegen, und oben harter und griffiger Oberfläche sowie unten Sulz oder zuletzt Nasschnee bei den Abfahrten. Aufstieg Nideri Sulegg grösstenteils zu Fuss, z.T. mit Pickel und Steigeisen, zweimal kurz mit Ski (zu steil). Aufstieg Höji Sulegg mit Ski bis ca. 2000m, dann mit Steigeisen. Aufstieg Bällehöchst mit Ski.

Material: Helm, Pickel und Steigeisen zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6.30 Start, 9.30 Nideri Sulegg, 11.15 Höji Sulegg, 12.15 Bällehöchst, 14 Uhr retour.

Tourengänger: lorenzo


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