Zaubergarten Gamchi


Publiziert von lorenzo , 16. März 2021 um 19:26.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum: 6 März 2021
Ski Schwierigkeit: S+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2065 m
Abstieg: 2065 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Tschingel (1060m), gebührenpflichtig (5.-)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Berggasthaus und Pension Golderli
Kartennummer:LK 1248 Mürren; D. Anker, R. Schnegg, Skitouren Berner Alpen Ost, SAC 2004

Im Sommer wandert man über blühende Alpweiden zur Sefinafurgga, zum Einstieg des Bütlassa W-Grats oder zur Gspaltenhornhütte, Ausgangspunkt etwa für das Gspaltenhorn über den Böse Tritt oder die Rote Zend, die Gamchilücke, den Morgehorn E-Grat oder die zünftige Morgehorn NE-Wand. Im Winter locken -etwas bescheidener - wiederum Sefinafurgga und Gamchilücke und dazwischen die Bütlassa NW-Flanke und der Bütlassasattel. Auf der Bütlassa war ich zum ersten und bisher letzten Mal vor bald 30 Jahren Anfang Januar 1992  gestanden. Damals sind wir zu dritt über den Dürreberg aufgestiegen und auch wieder abgefahren. Darüber waren die W- und NW-Flanke pickelhart gewesen und wir mussten im Couloir dazwischen die Steigeisen benutzen. In den letzten Jahren weckte die Abfahrt über die NW-Flanke ins Gamchi zunehmend mein Interesse. Als ich kürzlich den eindrücklichen Bericht von Kara Ben Nemsi las, der von guten Verhältnissen berichtete, und das Wetter und die Lawinensituation am Samstag darauf immer noch günstig waren, fühlte ich mich endlich bereit, einen Versuch zu wagen. Ich studierte zum x-ten mal Führer und Karte und plante, wieder über den Dürreberg aufzusteigen, vorher vom Bürgli einen Abstecher zur Gamchischlucht zu machen, um zu schauen, ob "der gute, aber sehr ausgesetzte Weg" überhaupt durchgängig ist, und über die NW-Flanke abzufahren.

Nach einem anregenden Zustieg von Tschingel bei vielversprechend wolkenlosem Himmel und märzwinterlichen minus vier Grad spurte ich vom Bürgli auf dem Gspaltenhornhüttenweg zur wilden Gamchischlucht, der Eintrittspforte zum versteckten und geheimnisvollen Gamchikessel, wo der Bergweg wie erwartet keilartig, mit der Spitze zum Abgrund, überschneit war, und auf der angefrorenen Unterlage, eine abrutschbereite Schicht Pulverschnee lag. Oben in den Felsen jagten zudem Gemsen vorbei, so dass ich auch Steinschlag befürchtete. Mit Harscheisen und angespannten Nerven kam ich zwar zunächst  leidlich vorwärts, eine Engstelle musste ich aber zu Fuss mit dem Pickel überwinden, den ich anschliessend, nun wieder auf Ski, bis zum Gamchi in der Hand behielt. Schon in der Schlucht hatte ich mich 
in Erinnerung an eine eingezeichnete Route im Führer kurzfristig umentschieden, statt auf dem soeben zurückgelegten, doch recht beschwerlichen Weg zur Aufstiegsroute über den Dürreberg zurückzukehren, direkt vom Gamchi über den Schafberg und entlang dem Bergweg Richtung Sefinafurgga zur Normalroute aufzusteigen. Vom zauberhaften Ambiente des Gamchikessels, um den sich die z.T. schon von der Sonne gekrönten Grate und Fluchten von Gspaltenhorn, Morgehorn und Wildi Frau rankten, wurde ich in meinem Entscheid noch bestärkt. Der "abschliessende Felsriegel"  E über der Alphütte, "bei wenig Schnee heikel", erwies sich zum Glück als harmloser Geröllrücken mit einer von einer Pulverschicht überzogenen Pfadspur. Nach zahlreichen Spitzkehren im anschliessenden Couloir gelangte ich über die offenen Hänge von Gamchi-Schafberg und Augstchummi zum Bergweg. Über die ausgesetzte Rampe durch den Felsriegel und den folgenden Hang, wo mich erste Sonnenstrahlen wärmten, erreichte ich schliesslich die Normalroute. Ein von der Sefinafurgga gekommener Skitourengänger hatte zum Glück schon bis zum Gipfel vorgespurt, was mir und einer nachfolgenden Zweiergruppe, die über den Dürreberg aufgestiegen war, den weiteren Aufstieg erheblich erleichterte. Vielen Dank!

Ich genoss das überwältigende Panorama auf die Berge des Kientals, des Frutiglands und der Jungfrauregion und die schwindelerregenden Tiefblicke hinunter nach Chilchbalm und zum Gamchi, und erhaschte geschenkte Ausblicke über die Gamchilücke und den Petersgrat hinüber zu den fernen Walliser Bergen im Süden, bevor ich die Ski wieder anschnallte. In einer federleichten Pulverschicht auf griffiger Unterlage schwang ich über die Gipfelflanke, umfuhr den diese unten säumenden Felsriegel ganz links und gelangte über die weniger steile Terrasse zum linken Couloir in der Gipfelfallinie. Durch dieses erreichte ich das Schneeband über dem Felsriegel, das mich nach rechts zur Mulde führte. In einem Riesenslalom zwischen labyrinthischen Felsbändern hindurch fand sch schliesslich wohlbehalten zurück zum Augstchummi. Auf schönstem Pulver und später Sulz schwebte ich durch dieses und über den Gamchi-Schafberg zum Geröllrücken, der inzwischen aper war, so dass ich ihn zu Fuss queren musste. Gerne wäre ich länger im Gamchi verweilt, um der Musse zu frönen, und die einzigartige Landschaft an diesem Kraftort in mich aufzusaugen, aber die Gamchischlucht liess mir keine Ruhe, so dass ich weiterging. Der Schnee war inzwischen zwar aufgeweicht, und der Rückweg durch die Schlucht erwies sich wider Erwarten als problemlos, die Myriaden von kleineren und grösseren Eiszapfen begannen aber aufzutauen und zu tropfen, so dass ich hier umso zügiger durchschritt. Erst beim Bürgli machte ich eine längere Pause, und liess mich von der Frühlingssonne und dem Rauschen der nahen Schmelzwasserbäche verwöhnen, bevor ich nach einer nordischen Einlage über Steineberg zum Gornerli  durch die schattige Griesschlucht wieder zum Tschingel abtauchte, wo sich die Sonne zwischen den Tannenwipfeln schon wieder langsam verabschiedete.

Bütlassa

Aufstieg Gamchi-Augstchummi: vom Parkplatz Tschingel (1060m) gelben Markierungen folgend auf der Alpstrasse über Griesalp (1408m) zum Golderli (1440m) und bis nach Steineberg (1467m), und auf dem Fahr- und Wanderweg zum Bürgli (1616m). Auf dem weiss-rot markierten Gspaltenhornhüttenweg dem Gamchibach entlang, die Schlucht passierend (ausgesetzt, ev. zu Fuss), zur Alphütte Gamchi (1670m). Nach E zum Geröllrücken, der auf ca. 1820m nach SE zu einem Couloir gequert wird (Pfadspur, ev. zu Fuss). Durch dieses (ca. 35 Grad) nach E zum Gamchi-Schafberg und nach SE über die weiten Hänge von Augstchummi zum weiss-rot markierten Bergweg Richtung Sefinafurgga. Der Felsriegel bei ca. 2450m kann entweder zu Fuss über die eingerichtete Rampe (Sommerroute, Kabel) überwunden oder bei genügend Schnee mit Ski E umgangen werden (Winterroute). Nach NNE ungefähr dem Bergweg entlang (bis 35 Grad) zum Sattel 2626 und nach E über den Rücken bis ca. 2800m. Fast horizontale Querung in der W-Flanke der Vorderi Bütlassa (ca. 35 Grad) bis zum markanten W-Couloir SW von deren Gipfel (3062). Zu Fuss durch dieses hinauf (bis 45 Grad), wieder mit Ski über die obere NW-Flanke (30 Grad) und nach einem Felsriegel mit Ski und zuletzt zu Fuss über die Gipfelflanke (bis 40 Grad) auf die Bütlassa (3194m), 5h 30min-7h, ZS.

Abfahrt NW-Flanke-Gamchi: abhängig von der Schneelage direkt vom Gipfel oder von der Scharte zwischen diesem und dem SW-Gipfel über die Gipfelflanke (bis 40 Grad) und an geeigneter Stelle SW oder NE durch den Felsriegel. Über die obere NW-Flanke ("Terrasse", 30 Grad) bis ca. 2900m und in Gipfelfallinie durch das linke oder rechte Couloir (beide gut 40 Grad) hinab und oberhalb eines Felsriegels nach rechts in die Mulde unter dem Felsriegel. Durch diese (bis 40 Grad), mehrere Felsbänder umfahrend oder an geeigneter Stelle durch Rinnen querend hinunter zum Augstchummi und entlang der Aufstiegsroute zurück (nach Gamchi und Steineberg geringfügige Gegenanstiege), 2h-2h 30min, S+.

Insgesamt 7h 30min-9h 30min.

Verhältnisse: bei leichter Bise und SW-Wind fast wolkenlos, zuerst kalt, dann mild. Alpstrasse bis Griesalp z.T. aper und vereist. Sonst ca. 5-10cm frischer Pulver auf angefrorener griffiger Unterlage (1m-1m 30cm), nachmittags ab Gamchi-Schafberg Sulz. Geröllrücken fast aper, in den Tragpassagen (Schlucht, Rampe Augstchummi, Couloir zur Gipfelflanke und Felsriegel unter dem Gipfel) Trittschnee. Aufstiegsspur in der Normalroute, alte Abfahrstspuren am Gamchi-Schafberg.

Material: Helm, Pickel und Steigeisen (nicht gebraucht) zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6.45 Start, 8.30 Gamchi, 12.15 Bütlassa, 14 Uhr retour Bürgli, 14.45 zurück.

Bemerkung: nur bei sicheren Lawinenverhältnisse. Vorsicht in der Gamchischlucht wegen Eis- und Steinschlag.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (2)


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amphibol hat gesagt: das schöne Kiental...
Gesendet am 17. März 2021 um 13:35
Tschou Lorenzo,
einmal mehr eine super Tour mit wie immer sehr spannendem Bericht! Die Saison dürfte sich nun noch um ein paar Wochen verlängern, sofern nicht dann doch wieder der Regen bis 3000m kommt. :-)
Gruss, Raphael

lorenzo hat gesagt: RE:das schöne Kiental...
Gesendet am 17. März 2021 um 20:15
Hallo Raphael

Vielen Dank! Ja, jetzt kann man sogar im Jura wieder Skitouren machen, in den Voralpen und Alpen ist es sicher noch längere Zeit möglich. Bis Ende März soll es ja voraussichtlich kühl bleiben, und bis jetzt ist auch kaum Regen angekündigt. Hoffen wir, dass es noch die eine oder andere Gelegenheit geben wird...

Gute Touren und beste Grüsse

lorenzo


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