Kurzbericht 

Glück im Unglück an der Rossflue 2081m


Publiziert von Bergamotte , 24. Februar 2021 um 16:21.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:14 Februar 2021
Ski Schwierigkeit: S-
Wegpunkte:
Geo-Tags: Hagleren und Giswilerstöcke   CH-OW   CH-LU 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Sörenberg, Rothornbahn
Unterkunftmöglichkeiten:n/a
Kartennummer:245S (R. 394b)

Seit gut zehn Jahren gehe ich intensiv und leidenschaftlich z'Berg, sommers wie winters. Zahlreiche Blessuren wie Prellungen und Schürfungen habe ich dabei nachhause gebracht. Manche Narbe ist bis heute geblieben. Aber von richtigen Verletzungen oder gar Lawinenabgängen blieb ich die ganze Zeit verschont, manchmal vermutlich nur knapp zwar. Leider hat diese Glückssträhne heute an der Rossflue ihr Ende gefunden. Dabei hätte dieser Sonntag nicht schöner beginnen können und ich war gut gelaunt und erholt wie lange nicht mehr. Vielleicht war's die Freude, es bei so perfekten Verhältnissen endlich mit Ski auf die Rossflue zu schaffen, welche mich unvorsichtig werden liess. Oder schlichtweg Pech oder statistische Logik nach über 700 Bergtouren. Wie auch immer, schlussendlich bin ich mit einem blauen Auge in Form eines Armbruchs davon gekommen.

Um halb zehn geht's los von der Talstation der Rothornbahn. Trotz Eiseskälte ist der Parkplatz pumpenvoll an diesem prächtigen Sonntag, der geradezu perfekt scheint für alle Arten von Wintersport. Die eingeschneite Panoramastrasse erlaubt ein gemütliches Einlaufen. Erst im kurzen Aufstieg Richtung Jänzimatt komme ich erstmals richtig ins Schnaufen. Dort öffnet sich der Blick in die steile, schattige und abweisende Westflanke der Rossflue. Ich quere zunächst weiter nach Fontanen, um bei passender Gelegenheit den Aufstieg zur Furgge in Angriff zu nehmen. Bald treffe ich etwas erstaunt auf eine verwehte Spur des Vortages. Auch ich wollte die Rundtour eigentlich am Samstag angehen, hatte das Projekt dann angesichts einer Nebelobergrenze von über 2000m aber um einen Tag verschoben. Knapp 100Hm vor der Furgge (1909m) steilt das Gelände weiter auf (knapp 40°), so dass ich die Ski wie auch die Vorgänger trage. Das geht gerade noch ohne Pickel und Steigeisen, welche an diesem Berg aber dabei sein sollten.

Im Übergang lacht mir wieder die Sonne ins Gesicht und meine Laune erreicht Höchstwerte. Eine Vierergruppe spurt mühselig Richtung Schafnase hoch, bricht das Unterfangen aber - soweit ich das sehen kann - später ab; sicherlich kein typischer Skiberg. Auf den Fellen rutsche ich nun gut 50Hm nach Süden ab in den Kessel zwischen den Rossflue-Gipfeln. Eigentlich hatte ich an diesem recht exotischen Winterziel mit der grossen Einsamkeit gerechnet. Doch weit gefehlt, mehrere Gruppen sind gleichzeitig unterwegs. Das kommt mir gelegen, denn der Wind hat eine anspruchsvolle Unterlage geschaffen, die nur äusserst kräfteraubend zu spuren war (1. Alarmzeichen). Am Gipfel der Rossflue erkenne ich eindrückliche Schneefahnen (Bise, 2. Alarmzeichen). Vor der Querung auf die NE-Rippe kehren einzelne Gruppen um. Ich selber erachte diese Stelle und auch den Schlussaufstieg als unproblematisch (und tue es auch heute noch). So kann ich das Gipfelgefühl auf der Rossflue (2081m) schlussendlich trotzdem in Einsamkeit geniessen. 

Lange pausiert wird nicht, denn der herrliche Bergtag will richtig ausgenutzt sein. Also auf in die Abfahrt zur Fluonalp. Unten im Kessel, dort wo einzelne Gruppen umgekehrt sind, löse ich in einer Rinne einen kleinen Rutsch aus (3. Alarmzeichen). Obacht, denke ich und folge bewusst den Spuren einer Dreiergruppe vor mir. Ich schliesse zu ihr auf und auch sie berichten von einem kleinen Brett. Ja, in den Rinnen hat die Bise unübersehbar Triebschnee angehäuft. Und peile ich eine besonders enge, steile und jungfräuliche Rinne an. Sie ist ja nur kurz, höre ich mich noch sagen. Kaum reingefahren beginnt sich der Hang zu bewegen. Ich glaube noch, das Brett ziehe an mir vorbei, doch wenige Sekunden später reissen mich die Massen von oben mit. Das Ganze läuft zunächst unwirklich langsam ab. So kann ich Anstrengungen unternehmen, an der Oberfläche zu bleiben, was mir recht gut gelingt. Und schlussendlich war es glücklicherweise eine eher kleine Lawine, die Ausmasse einfach zu gering für eine komplette Verschüttung. Nach ca. 100m, in etwas flacherem Gelände, hat der Spuk ein Ende. 

Vollkommen unter Adrenalin realisiere ich den Ernst der Lage bzw. mein Glück zunächst nicht. Ich winke der Dreiergruppe, welche den Vorfall beobachtet hat, zu und gebe Entwarnung. Leider fehlt ein Ski - was nun? Wegen meiner Dummheit einen Helikopter bemühen? Runterlaufen wäre die gerechte Strafe. Naja, die Frage erledigt sich nach wenigen Minuten, als die Wirkung der Stresshormone nachlässt. Der rechte Unterarm schmerzt und mir ist sofort klar: gebrochen. Kurzes Telefon an meine Frau, die mich ultimativ auffordert, umgehend die Rettung zu alarmieren, was ich mittels REGA-App dann tue. Gerademal zwanzig Minuten später (!) kreist bereits die Air Glacier über mir, fliegt an den Hang ran und die Retter ziehen mich in den Helikopter. Eine Gruppe von vier Jungs hatte übrigens mit mir gewartet, nochmals danke an dieser Stelle. So komme ich unerwartet zu einem Panoramaflug über den Brienzersee direkt ins Spital Interlaken... Dort wird der (unkomplizierte) Armbruch bestätigt und mit Gips konservativ behandelt. Sechs Wochen Pause und genug Zeit, das Erlebnis zu verarbeiten.

slf mässig (ab 2000m)

Tourengänger: Bergamotte


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