Kurzbericht 

Niesen verboten - Durchatmen über dem Corona-Nebel...


Publiziert von lorenzo , 12. Dezember 2020 um 21:23.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum:29 November 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Niesenkette   CH-BE 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 2155 m
Abstieg: 2195 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Oey-Diemtigen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wimmis, Bahnhof
Kartennummer:LK 1227 Niesen; M. Brandt, Clubführer Berner Voralpen, SAC 1981

Niesen verboten? Ab auf den Niesen...! Und zur Einstimmung "from Berg to Berg" das Fromberghore. Frühmorgens war der Zug fast leer, trotzdem insistierte die Kondukteurin auf die Maske, die meine Brille anlaufen liess und den Blick in die Zeitung vernebelte - als ob draussen der Nebel nicht schon dicht genug gehangen wäre -, und vergass darüber, im Bahnhof Spiez zwei "ordentlich vermummte" Frauen, die von Mülenen mit der Bahn auf den Niesen wollten, zum Wechsel in die andere Zughälfte Richtung Brig aufzufordern. So fragten sie - plötzlich verunsichert - mich und sputeten auf meine Antwort sofort los, obwohl die Zeit kaum mehr reichte. Hoffentlich schafften sie es trotzdem noch...

In Oey-Diemtigen troff es aus der klammen, jedoch endlich frischen Luft, und bis Zäunegg waren Strassen und Wege z.T. glitschig. Die Nebelobergrenze entsprach zuerst etwa der Scheeuntergrenze, so dass ich auf Bruchgeere bei ca. 1300m zwar nicht vom Regen in die Traufe, aber vom Nebel in den Schnee kam, was die WNW-Flanke und den NW-Grat, beide im Schatten und kalt, und ohnehin schon schwierig genug, nicht gerade leichter machte. Durch das z.T. bereits vereiste Couloir neben der Rippe in der WNW-Flanke hatte zu meiner Überraschung schon jemand mit Steigeisen eine schöne Spur gelegt.

Auf dem Fromberghore begegnete ich einem freundlichen Bergretter mit seiner klugen Lawinen- und Rettungshündin, einer Border Collie, die er am Aufschwung der Wysse Zend geschultert und dann an einer Reepschnur gesichert über den ENE-Grat hinaufgeführt hatte. Er erzählte mir denkwürdige Begebenheiten aus seiner langjährigen Rettungstätigkeit, die mich zum geplanten Abstieg über den ausgesetzten ENE-Grat nicht gerade ermutigten...So war ich froh, beim Abstieg über besagten Grat, auf
 dem trotz langer Sonnenexposition noch stellenweise Schnee lag, und der entsprechende Vorsicht erforderte, die beiden und damit die Bergrettung auf Sicht- und Rufweite hinter mir zu wissen. Eine unbefangene junge Engländerin, die uns etwa in Gratmitte entgegenkam, schien den Aufstieg dagegen recht locker zu nehmen.

Ab Cheesbödi waren wieder mehr Leute unterwegs, die am letzten Sonntag vor Saisonschluss der Niesenbahn vermutlich von der Mittelstation Schwandegg aufgestiegen waren. Friedliche und vergnügliche Fiesta ohne Maskenball dann auf der Gipfelplattform des Niesen, wo "allergattig Lüt", Alte, Junge, Paare, Familien mit Kindern, wie ich das milde Herbstwetter, den Tiefblick auf das unendliche Nebelmeer und die sagenhafte Aussicht auf die umliegenden Berge genossen. Nach einer ausgiebigen Gipfelrast stieg ich so unbemerkt wie möglich über das Geländer und hinunter zum NW-Grat und peilte über diesen das scheinbar unerreichbar weit unten liegende Im Vordere Ahorni an.

Dieses lag zwar knapp über der inzwischen gestiegenen Nebelobergrenze, wollte und wollte aber nicht näher kommen. Schliesslich gelangte ich doch noch dorthin und gewahrte wie durch eine Bifokalbrille oben die klaren Umrisse der gegenüberliegenden Berge und den tiefblauen Himmel, und unten, Wasserpflanzen ähnlich, die unscharfen Konturen der Tannen, die sich im Nebel verloren. Auch ich tauchte wieder ein und gab mich der mystischen Stimmung am Gatafelgrabe hin, war aber nicht unglücklich, als unter dem Nebel das Schloss Wimmis auftauchte. Als ich, langsam fröstelnd und immer noch im Dauerlauf, ins Dorf einbog, erfuhr ich von einer spazierenden Frau, dass der nächste Zug erst in einer guten halben Stunde abfahren würde. Ich bedankte mich und lief weiter. "Müesst nid jufle!" rief sie mir nach, "es längt no sauft". "I ha drum chaut!" gab ich zurück, lief noch ein bisschen schneller und war froh, nach wenigen Minuten endlich den Bahnhof zu erreichen. Ich zog mich um, und bereitete mich nach dem erfrischend klaren Tag an der frischen Niesenluft wieder auf die Augen und Gehirn vernebelnde Rückatmung von CO2 vor...

Zustieg nach Geeri

Vom Bahnhof Oey-Diemtigen (669m) gelben Markierungen folgend nach Zäunegg (862m), auf dem weiss-rot markierten Bergweg über Bruchgeere (1315m) zu P. 1687, und auf dem eingezeichneten Pfad nach Obrist Geeri (ca. 1755m), 2h 15min, T3.

Fromberghore
Aufstieg NW-Grat: von Obriste Geeri (1755m) auf dem eingezeichneten Pfad weiter zum unteren NW-Grat und diesem entlang unter die WNW-Flanke bis ca. 1875m. Weglos weiter nach S bis ca. 1900m. dann nach ESE über eine schwach ausgeprägte Schrofenrippe steil hinauf bis ca. 2200m zum oberen NW-Grat bzw. Gipfelaufbau. Nach SSE über gut gestufte Felsen (II) zum W-Gipfel (2390m) und über den ausgesetzten W-Grat (I, z.T. brüchig) auf den Hauptgipfel (2394m), 1h 45min, T6.

Abstieg ENE-Grat: vom Hauptgipfel (2394m) auf der ausgesetzten grasig-felsigen Gratschneide (Pfadspuren), mehrere Stufen ab- und Grattürme überkletternd oder rechts bzw. links umgehend bis vor die Wysse Zend (1957m). Auch diese werden überquert oder links umgangen (Pfadspuren), bevor über einen ca. 7m hohen senkrechten Abbruch abgeklettert werden kann (II+ oder Fixseil). Wieder einfacher (Pfadspuren) weiter zum Sattel 1955, 1h, T6.

Niesen
Aufstieg WSW-Flanke und -grat: vom Sattel 1955 auf dem SSW-Grat hinauf nach Cheesbödi (1988m) und auf dem weiss-rot markierten Bergweg über den Klein Niesen (2296m) auf den Niesen (2362m), 45min, T2.

Abstieg NW-Grat: von der Niesen-Gipfelplattform (2362m) an geeigneter Stelle über das Geländer nach N und zum Beginn des NW-Grats. Über diesen (Pfadspuren, Steinmänner) auf Geröll und Gras, ab ca. 1960m rechts dem Wald entlang, und ab ca. 1875m auf dem eingezeichneten Pfad bis ca. 1805m und weiter nach SSE bis ca. 1790m, dann weglos (der untere Teil des Pfads ist von Fallholz verlegt und kaum zu finden) Richtung W auf Geröll und Gras hinunter zu Im Hindere Ahorni (ca. 1700m). Zuletzt wieder auf dem bequemen weiss-rot markierten Bergweg hinab zu Im Vordere Ahorni (1525m), 1h, T4.

Abstieg nach Wimmis
Von Im Vordere Ahorni (1525m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg über Gatafel hinunter zum Bruchwald (686m) und gelben Markierungen folgend zum Bahnhof Wimmis, 1h, T3.

Insgesamt 7h 45min-8h 45min.

Verhältnisse: Nebel morgens bis 1300m, nachmittags bis 1500m, darüber bei leichter Bise am Schatten kalt, sonst sonnig und mild. Schnee schattseitig ab 1300m bis 10cm, sonnseitig aper bis zuoberst. Die beiden Grate am Fromberghore und der Niesen NW-Grat waren gespurt.

Ausrüstung: Leichtpickel und -steigeisen (nicht gebraucht) zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung.

Fahrplan: 7.30 Oey, 11.30 Fromberghore, 13.45 Niesen, 16.15 Wimmis.

Tourengänger: lorenzo


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