Hüpfen über Grenzen

 
Über welche Grenzen hüpft rojosuize denn da, wo er doch wegen Corona zu Hause bleiben soll? – Er verlässt die Stadt Amsterdam, und damit das heimische Noord-Holland, um über die Autobahnbrücke ins benachbarte Utrecht zu gelangen. Ganz, ganz nahe schleicht sie sich hier heran, die Provinz Utrecht, ganz bis an die Pforten der niederländischen Hauptstadt.
 
Wusste das rojosuiza am Morgen schon, als er sich die Wanderung ausdachte? – Nein, er musste nur seinen Taxifahrer zur Motorprüfung abgeben, in einem Nebengebäude des UMC/AMC, dem Grosskrankenhaus der Stadt. Ab da ging’s durch Regenschauer und Aufhellungen weiter, über die Grosspielplätze der Automenschen, durch die Vergnügungsweiden der Golfmenschen, bis man das ganze Spielgelände,  alles, alles hinter sich lassen konnte, in der Provinz Utrecht.
 
Neben der genannten Autobahn, die hier zig-spurig übers Wasser karrt, gibt es an den Anfängen der Provinz Utrecht jetzt aber nichts… nur tiefliegende, leicht abgesoffene Wiesen und Felder neben dem Damm, auf dem rojosuiza läuft. Der Wind weht, der Regen prasselt. Dieses Utrecht, es ist auch nicht schöner als Amsterdam, man kann es besser gleich wieder verlassen.
 
Da kommt die handbetriebene Fähre gerade recht. Man ruft sie heran,  man prüft sie,  man nimmt sie schliesslich, um auf ihr wieder heimzukehren, ins gottesgeschenkähnliche Noord-Holland, wo das Wetter sich allsbald aufhellt und wärmende Winde rojosuizas Gestalt umschmeicheln. Ist das alles wahr? – Das ist natürlich alles nicht wahr. Hüben wie drüben, es pfeift der Wind, kalt, und es rauscht der Autoverkehr von den Autobahnen, laut. Die Autobahnen umlagern dieses ländliche Stück Erde wie ein Krebsgeschwür von allen Seiten her, und würgen es langsam aber sicher ab.
 
Der Wetterbericht hat allerhand versprochen für den Nachmittag. Nicht davon hat das Wetter gehalten. Innen ist der Mensch ganz warm vom Gehen, aussen aber ist er kalt. Vor Jahren ist rojosuiza übrigens auch hier unterwegs gewesen. War es damals auch so laut? – War die Stadt auch so aufdringlich herangerückt, zu sehen und zu hören? – Erst im Zentrum von Ouderkerk ist man vom Lärm befreit, aber nachher, beim Rückmarsch nach Amsterdam der Amstel entlang, wird der Lärm wieder lauter. Auch das Gefühl wird stärker, dass die Stadt überhand nimmt. Ja, gewiss, auch früher schon gab es hier ab und zu ein Lustschlösschen und dergleichen, aber jetzt, jetzt ist das Ufer auf der Westseite doch fast ohne Unterbrechung zugebaut, nicht wahr? – Und nicht alles ist gut gelungen…
 
Noch befindet der Wanderheld sich in der Gemeinde Nieuwer-Amstel – heute Amstelveen genannt – da steht vor einem schon die Banngemarkung der Gemeinde Amsterdam. Seit 1625 steht sie da, und kündet vom Rechtsbereich der grossen Stadt. Eine Deutsche Meile ist sie entfernt von der Stadtmauer von Amsterdam, wo die 1625 stand. Heute liegt dort die Stadhouderskade, wo er ganz zufällig wohnt, der Autor des vorliegenden Berichtes. Wenn die Deutsche Meile also 7407 Meter misst, wie lange muss der Meister noch gehen, bis er sich zu Hause in die Wärme setzen kann?
 
Es dunkelt jetzt kräftig. Aus der Dämmerung heraus schälen sich ein paar Neubauten. Zum Schluss stehen noch die Holländischen Schneeberge am Horizont, Schneeberge, wie sie der Flachlandwanderer immer wieder gerne am Horizont bestaunt…