Kurzbericht 

Le Gardien vaut bien la Jumelle...


Publiziert von lorenzo , 17. August 2020 um 21:21.

Region: Welt » Frankreich » Chablais
Tour Datum: 8 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   F 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1360 m
Abstieg: 1360 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz La Planche (ca. 1210m)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hôtel Les Chemins du Léman
Kartennummer:LK 1264 Montreux, 1263 Evian-les-Bains, 1284 Monthey; R. Meier, Guide: Chaîne franco-suisse, CAS 2003; L. Terray, Vor den Toren des Himmels, München 1965

Hoch über dem Genfersee, versteckt hinter Le Grammont und überragt von Les Cornettes de Bise, erhebt sich rund um La Combe mit dem Lac de La Combe, und umgeben von den beiden Bergseen Lac de Lovenay und Lac de Taney, die dreigipflige Krone aus Mont Gardy, Mont Valeur und La Grande Jumelle. Von den drei Gipfeln und dem luftigen Verbindungsgrat wandert der faszinierte Blick abwechselnd in die Tiefe zu einem der genannten Seen und zu den verstreuten Alpen, von denen Kuhglocken heraufklingen, nach Südwesten zu den Savoyer Bergen, nach Süden zum Mont Blanc, nach Südosten ins unter Rhônetal und zu den westlichen Walliser Alpen, nach Osten zu den Waadtländer und Berner Voralpen und Alpen und nach Nordosten zu den Freiburger Voralpen, während die Füsse sich scheinbar mühelos von einem zum anderen Gipfel bewegen und die Zeit still zu stehen scheint.

Der Zustieg vom tief eingeschnittenen Vallon de la Morge aus wird dominiert von La Grande und La Petite Miette - beide für sich die lange Reise wert...Nach der Querung des weiten Kessels von Lovenex steht man am Beginn des Zustiegsgrats Sé Villemod, der am einfachsten von Süden über einen Grashang erreicht wird. Der abwechslungsreiche zerklüftete Grat aus Schrattenkalk gibt einen ersten Vorgeschmack auf die kommende Paradieskrone und führt direkt zum zunächst verschlossen wirkenden "Tor des Himmels", den Westgrat des Mont Gardy. Dieser leitet laut Führer in vier Seillängen bis zum vierten Grad  zum Gipfel und wird mit ZS bewertet. Die ersten Eindrücke ab dem Col de La Croix scheinen diese Schwierigkeit zu bestätigen, aber je näher man dem steil aufragenden Pièce de Résistance kommt, desto strukturierter und einladender präsentiert es sich, indem 
zwischen den senkrechten und überhängenden Kalkflühen eine fast durchgehende und gewundene Grasader einen natürlichen Weg  nach oben weist, wohl der "Variante plus facile" (ZS-, WS+?) im Führer entsprechend.

Tatsächlich, nach herzhafter Überwindung der Schlüsselstelle im oberen dritten Grad gleich zu Beginn bietet der "grün markierte Wanderweg" eine genussreiche Steilgraspartie in wahrhaftig schwindelerregendem Ambiente, die nur im oberen Drittel kurz von zwei gutgriffigen Felsstufen im zweiten und dritten Grad unterbrochen wird, und schon leuchtet einem beim Gipfelkreuz der tiefblaue Lac de Taney entgegen. Der ausgesetzte Abstieg über den Südostgrat und die Nordostflanke erfordert noch einmal volle Aufmerksamkeit, bevor man zuunterst beim vorgelagerten Pfeiler aufatmen kann (über den verführerisch direkten N-Grat sollte man nur absteigen, wenn man mindestens 25m Seil oder Reepschnur und Ersatzschlingen für den etwas in die Jahre gekommenen maroden Abseilstand über dem untersten überhängenden Abbruch dabei hat).

Nach der Überwindung der Hürden am Mont Gardy steht dem eingangs erwähnten Paradiesgang nun nichts mehr im Wege. Beim steten Auf und Ab erweist sich schon bald: auch der unscheinbare Mont Valeur vaut la peine - bietet er doch als nördlichster Punkt der Überschreitung den direktesten Tiefblick hinunter ins Vallon de la Morge, zum Grenzort St-Gingolph, zum Lac Léman und hinüber nach Vevey. Und bei der Annäherung an Les Jumelles bin ich froh, das Seil und die Kletterutensilien zuhause wieder ausgepackt zu haben, denn zu gross wäre sonst die Versuchung gewesen, noch einen Abstecher oder besser: Abtaucher von der Grande zur abweisenden Felsnadel der Petite Jumelle zu machen (wobei die Überschreitung "normalerweise" sowieso in umgekehrter Richtung von der Petite zur Grande Jumelle gemacht wird). So kann ich mir nach der Ankunft auf dem Gipfel weiteres Adrenalin sparen, und mich in aller Ruhe der schönen Aussicht u.a. hinüber zu Le Grammont und hinunter zum Lac de Taney widmen.

Nach erholsamer Rast mahnt die Zeit zur Rückkehr in die niedrigeren Gefilde dieses Gartens Eden. Den unvermeidlichen Abstieg erleichtert zum Glück zunächst einer auf der Karte 1:25'000 nicht und nur auf der Onlinevergrösserung eingezeichneter bequemer Pfad durch die Südflanke hinab nach La Combe. Der kleine See im Herzen der Combe ist leider bei der aktuellen Hitzewelle fast ausgetrocknet - oder haben ihn etwa die dort weidenden und wiederkäuenden Gusti vor lauter Durst leer getrunken? Durch bewaldete Karrenfelder geht der von Myriaden Bergblumen gesäumte Weg zur Ebene der Alp von Loz hinunter, an deren anderem Ende der Pas de Lovenex wartet. Auf dem Rückweg dorthin vergegenwärtige ich mir die Überschreitung noch einmal aus der Süd-, wie nachher bei der Querung zurück zum Col de la Croix aus der ebenso unvergleichlichen Westperspektive über dem seine Farbe wie ein Chamäleon ständig wechselnden Lac de Lovenay. Und schon tauche ich im immer flacher einfallenden Licht der Abendsonne wieder in das steile und wilde, nach La Planche hinunter führende Tal ein.

Zustieg von La Planche

Vom Parkplatz La Planche (ca. 1210m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg über P. 1379 zum Col de la Croix (1756m) und weiter zum Pas de Lovenex (1850m), 640 Hm Auf- und 10Hm Abstieg, 1h 30min, T2.

Traversierung Sé Villemod-Mont Gardy
Aufstieg: vom Pas de Lovenex (1850m) auf dem weiss-rot markierten Bergweg ca. 200m nach SE, dann weglos auf Weide nach E zum Grashang hinter der ersten markanten Felsbastion, der hinauf zum Grat des Sé Villemod führt. Über diesen auf Pfadspuren, leichten Felsen und Karrenfeldern in wiederholtem Auf und Ab zum Kulminationspunkt 2058 und weiter zum Collet Villemod (2030m), 240Hm Auf- und 60Hm Abstieg, 45min, L oder T4.

Mont Gardy
Aufstieg W-Grat
: vom Collet Villemod (2030m) über den folgenden Grashang (Pfadspuren) nach NE hinauf zum Einstieg des W-Grats bei ca. 2100m. Querung auf einem Band nach rechts zu einer Felsrinne und durch diese hinauf (ca. 5m, III+). Querung auf Gras nach rechts, einen Grashang hinauf und ab- und ansteigende Querung weiter nach rechts sowie gerade hoch in ein 1. Grascouloir (das linke von 2 Couloirs). Durch dieses nach links ansteigend zu einem Sattel hinter dem markanten Pfeiler. Über 2 Felsstufen (5m, II und 3m, III) wieder nach rechts empor zu einem 2. Grascouloir, das nach links hinauf zum Gipfelgrat führt. Über diesen auf leichten Felsen (I-II) auf den Mont Gardy (2201m), 170Hm Aufstieg, 30min, WS.

Abstieg SE-Grat: vom Gipfel des Mont Gardy (2201m) entlang dem SE-Grat zu einem Einschnitt vor einem Gendarm. Nach links durch ein enges Couloir hinunter zum Beginn eines Fixseils. Mit dessen Hilfe oder frei abkletternd durch eine Schrofenrinne ca. 20Hm an den Fuss der NE-Flanke bei einem vorgelagerten Pfeiler bei ca. 2120m, 80Hm Abstieg, 15min, T4.

Mont Valeur-La Grande Jumelle
Aufstieg: vom Fuss der NE-Flanke (ca. 2120m) nach NW hinauf unter den felsigen Abbruch des NE-Grats (ca. 2155m), wo der Verbindungsgrat beginnt. Auf diesem (Pfadspuren) über einen Aufschwung in eine Scharte hinunter und über einen weiteren Aufschwung zum Mont Valeur (2147m). Leicht absteigend in eine Gratsenke und schwach wiederaufsteigend zum Gipfelaufbau der Grande Jumelle. Über eine niedrige Felsstufe (2m, I) und den folgenden grasig-felsigen Grat zur Meteostation und über den Felsgrat (I) auf den Gipfel (2215m), 205Hm Auf- und 110Hm Abstieg, 45min, T3.

Abstieg: vom Gipfel der Gande Jumelle (2215m) zurück zur Meteostation, auf dem eingezeichneten Pfad durch die S-Flanke hinunter nach La Combe (1916m) und auf dem weiss-rot markierten Bergweg bis zur Abzweigung ca. 1845m, 370Hm Abstieg, 30min, T3.

Abstieg nach La Planche
Von der Abzweigung ca. 1845m weiter auf dem weiss-rot markierten Bergweg hinunter zu den Anciens Chalets de Loz (1757m) und kurzer Wiederaufstieg auf dem gelb markierten Wanderweg nach Montagne de Loz (1829m). Schliesslich auf dem weiss-rot markierten Bergweg über den Pas de Lovenex (1850m) und den Col de la Croix (1757m) zurück zum Parkplatz La Planche (ca. 1210m), 95Hm Auf- und 730Hm Abstieg, 1h 45min, T2.

Insgesamt 1360Hm Auf- und Abstieg, 6h.

Verhältnisse: bei leichter Bise sonnig und heiss mit Schleierwolken. Wege, Gras und Fels trocken.

Material: Leichthelm, altes Eisgerät und 20m Reepschnur für alle Fälle zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung. 

Tourengänger: lorenzo


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