Paracarro (2350 m) über Nordwand


Publiziert von SEalpin , 11. Oktober 2020 um 21:47.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:14 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 550 m
Strecke:4,8 km

Wenn ein Berg als "Prellstein" bzw. "Radabweiser" (ital. Paracarro) bezeichnet wird, klingt das nicht nach einem großen Ziel. Der Paracarro verschwindet vor den anderen Wänden der Cadinigruppe in der Tat auch ein wenig und der Name passt tatsächlich zur Optik des kleinen Gipfels. Der Zustieg und die, für Dolomitenverhältnisse gut abgesicherte, Kletterei machen die Nordwand aber zu einer spannenden, sehr schönen Unternehmung.

Zustieg (T3)
Der Zustieg ist verhältnismäßig kurz und führt durch eine sehr schöne Landschaft. Er erfolgt am besten vom Parkplatz der Fonda-Savio-Hütte in Richtung ebendieser. Erst durch einen lichten Wald aufsteigend gelangt man nach circa 200 hm auf eine Hochfläche. Dort biegt man vom Wanderweg nach rechts bzw. Südsüdosten ab und sieht bereits den Paracarro, auf welchen man direkt zugeht.

Der Paracarro in der Bildmitte am Ende des Nebentals der Hochfläche

Am besten hält man sich direkt am Talboden. Auf dem Weg dorthin hat es meistens auch Pfadspuren und mehrere Steinmännchen. Am Ende steigt man im groben Schutt zum Einstieg an der Rampe an der rechten Seite des Paracarro hoch, links ist eine Rinne zu sehen, durch welche später der zweite Teil des Abstiegs erfolgen kann. Das im folgenden erwähnte Topo ist das von Bergsteigen.com, welches wir sehr hilfreich und passend fanden.

Route
1. SL - 3 BH, 1 SU - II-III
Die erste Seillänge führt anfangs einfach über eine Rampe zu einem ersten Bohrhaken, welchen man nach etwas Suchen auch vom Einsteig aus schon sehen kann (I - II). Danach steilt der Fels etwas auf und es folgt ein zweiter Bohrhaken (II). Dort zweigte man links in die Wand ab. Es folgt eine optionale Sanduhrschlinge für eine weitere Sicherung (nicht im Topo eingezeichnet), welche aber die Seilreibung im weiteren Verlauf erhöht. Das Gelände wird dann etwas anspruchsvoller (III). Die Orientierung ist dabei nicht ganz trivial, wir mussten etwas suchen und etwas weiter steigen als vermutet um den Stand zu finden. Dieser liegt dann aber recht eindeutig bei der im Topo gekennzeichneten gelben Nische.

2. SL - 1 BH, 1 SU - II-III
Die zweite Seillänge führt erst vom Stand nach links eindeutig weiter über eine Rampe (II) bis zu einer Sanduhr mit Schlinge. Von dieser klettert man direkt gerade noch oben über eine Steilstufe (III). im Topo ist eingezeichnet, dass man nicht zu früh nach rechts oben wegklettern sollte. Ebenfalls zu beachten ist aber, dass man nach einem ersten kurzen Aufschwung von circa 2 m über der Sanduhrschlinge nicht in die verlockende Rinne nach links abzweigt, sonderen weitere 3 bis 4 m sehr gerade über einen zweiten, etwas längeren Aufschwung nach oben weiterklettert. Dort stößt man ziemlich genau in dieser Linie auf den gut sichtbaren Standplatz in wieder flacherem und einfachem Gelände

3. SL - 2 BH, 3 SU - II-III+
Zu Beginn der dritten Seillänge quert man erst kurz auf gleichbleibender Höhe nach rechts um dann bald etwas zu einer Sanduhrschlinge abzusteigen (II). Dort geht man in die Hocke um mit einem etwas unangenehmen Schritt nach unten um die Sanduhr zu kommen, was aber deutlich besser geht als zu versuchen auf gleicher Höhe oben drüber zu queren (III). Von dort führt die Route weiter nach rechts und wieder nahc oben zu einem weiteren Bohrhaken (II). In nun steilerem Gelände klettert man weiter zu einer ersten Sanduhrschlinge (III) und es folgt eine leicht überhängende Passage mit einer zweiten Sanduhrschlinge (III+). Die Passage ist steil und etwas luftig und wirkt abdrängend, wartet aber mit guten Griffen auf. Oberhalb der Sanduhrschlinge folgt dann auch leicht rechts gleich der nächste Standplatz. Im Topo steht dass hier ein "Zwischenstand möglich" ist. Der Vorteil ist, dass die Seilreibung durch den Zwischenstand hier deutlich reduziert wird und eine gute Kommunikation mit dem Seilschaftspartner möglich ist. Der Nachteil ist, dass an dem Standplatz sehr wenig Platz ist und es etwas unangenehm zu stehen ist. Der Nachsteiger sollte jedenfalls direkt überschlägig weiterklettern. Ich würde die Variante mit dem Zwischenstand aber empfehlen.

4. SL - 1 SU - III
Vom (Zwischen-)Stand bewegt man sich kurz nach rechts und dann um die Kante herum über Aufschwung einen Aufschwung mit zwei bis drei kurzen Zügen nach oben (III). Der Blick wird frei auf eine nächste, sehr eindeutige und überraschend breite Rampe. Auf dieser bewegt man sich an einer Sanduhrschlinge und einem Borhaken vorbei in einer Linie hoch (eher II als III). Der nächster, bequeme Stand ist ebenfalls nicht zu verfehlen (zwei Bohrhaken).

5. SL - 1 SU, 6 BH - II+-III+
Vom Stand aus sind in relativ gerader Linie mit etwas genauerem Hinschauen bereits mehrere Bohrhaken in der nächsten Seillänge sichtbar. Die Linie führt ziemlich gerade nach oben und unterhalb eines kleinen Überhangs dann etwas nach links um diesen herum. Die Sanduhr sowie die sechs Bohrhaken geben die Linie hier recht klar vor und machen die Orientierung einfach. Gut abgesichert geht es so mit erst leicht steigenden Schwierigkeiten und dann wieder einfacher in sehr schöner, gleichmäßiger Kletterei nach oben (erst III-, dann III+, am Ende II+).

6. SL - 2 BH - II-II+
Vom letzten Stand in der Wand aus ist der restliche Aufstieg klar und führt durch eine breite Rinne nach oben, bis recht bald ein Bohrhaken auf der linken Seite folgt (II+). Es folgen dann nur noch ein weiterer Bohrhaken; die Rinne ist aber wenig exponiert und wird nach oben hin immer einfacher (II und abnehmenend). Im Gipfelbereich folgt dann Gehgelände, erst T5, dann bald eher schon T4 und kaum exponiert. Neben dem Gipfelsteinmann befindet sich eine Sanduhrschlinge an einem kleinen Block, an welcher der letzte Stand zur Sicherung des Nachsteigers eingerichtet werden kann.

Gipfel
Auf dem geräumigen Gipfelkopf hat man einen sehr schönen, eindrücklichen Ausblick nach Norden auf die nahen Dolomitenmassive sowie weiter entfernte Gipfel wie Hochgall und Hochfeiler. Hinter einem trohnen derweil die mächtigen Wände der Cadini-Gruppe.

Abseilen & Abstieg (T4)
Um vom Gipfelaufbau herunterzukommen, muss man sich einmal 25 m abseilen. Die Abseilstelle befindet sich hinter dem Gipfel etwas unterhalb in südöstlicher Richtung und ist über Wegspuren einfach zu erreichen und schnell zu finden. Wichtig ist dann jedoch, dass man sich in Richtung der Nordwand des Torre del Diavolo hinter dem Paracarro (Süden/Südosten) abseilt und zwar genau in die Richtung, in die der Abseil-Muniring zeigt. Auf keinen Fall sollte man zu weit östlich abseilen, da die Abseilhöhe dort deutlich weiter ist, das Seil nicht zum Boden reicht und man im Zweifel im Überhang hägend endet.
Nach dem Abseilen kann man entweder zum Wanderweg auf und in einem weiten Bogen wieder absteigen oder schneller um den Parcarro herum zum Einstieg gelangen. Dieser kurze Weg ist zwar etwas schottrig und rutschig, aber nicht exponiert. Man sollte nur auf jeden Fall den Helm aufbehalten und beim Abstieg durch die letzte Rinne zurück zum Einsteig am Schluss etwas aufpassen (rutschig und schottrig, kurze Stellen I). Anschließend kann man auf dem Aufstiegsweg zurück absteigen.

Fazit
Für Dolomitenverhältnisse ist die Route gut abgesichert, es handelt sich aber dennoch keine um keine Plaisierabsicherung. Die Orientierung ist vor allem in den ersten zwei Seillängen teilweise etwas anspruchsvoller. Das Dolomitgestein lässt aufgrund seiner Färbung die Bohrhaken zudem teils schwerer erkennen. Ebenfalls zu beachten ist die Seilreibung, welche bei den Querungen schnell stark ansteigen kann. Bei unserer Begehung (September 2019) waren in allen Sanduhren bereits dicke Schlingen in gutem Zustand vorhanden, in welche man direkt die eigenen Expressschlingen einhängen konnte. Eine eigene Absicherung ist mit kleinen bis mittleren Klemmgeräten sowie Köpfelschlingen teilweise möglich, der Fels bietet aber nicht übermäßig viele zusätzliche Absicherungsmöglichkeiten. Bewegt man sich im oberen dritten Grad sicher ist eine zusätzliche Absicherung aber auch nicht notwendig. Die Route bietet tollen Dolomitfels, welcher größtenteils bombenfest ist und viele Griff- und Trittmöglichkeite bietet. Da die Route nordseitig und dauerhaft im Schatten liegt, ist sie sehr geeignet für heiße Sommertage, an kalten Tagen oder zu Randzeiten kann es aber schnell etwas kühler werden. Obwohl wir an einem recht warmen Tag unterwegs waren wurde es am Einstieg richtig kalt.

Anmerkungen
Wir waren an dem Tag vor allem in der Kletterei etwas langsamer unterwegs und haben daher insgesamt 6 Stunden gebraucht (1:15 Std. Zustieg, 3:15 Std. Klettern (inklusive Pause und Ausrüsten am Einstieg sowie Gipfelpause; Kletterei netto circa 2:30 Std), 1:15 Std. Abseilen und Abstieg). Insofern ist die Zeitangabe von insgesamt 4:30 Std. bei Bergsteigen.com bei etwas zügigerer Kletterei auch realistisch.

Tour mit Y.

Tourengänger: SEalpin


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