Offroad am Pizzo Centrale


Publiziert von raphiontherocks , 15. September 2019 um 17:12.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:25 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   CH-UR   Gruppo Pizzo Centrale   Gruppo Pizzo Lucendro 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 750 m
Strecke:Gotthardpass - Lago della Sella - P. 2465m - Pizzo Centrale (und dann mit Gottes Hilfe wieder zurück zum See)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:via Gotthardpassstrasse
Zufahrt zum Ankunftspunkt:via Gotthardpassstrasse

Der Pizzo Centrale stand als Alpinwandergipfel wegen seiner Höhe, seiner guten Erreichbarkeit und schönen Aussicht schon seit einiger Zeit auf meiner To-Do-List; schliesslich kann man immerhin "eigentlich" Dreitausenderluft (die genaue Marke liegt wohl irgendwo zwischen Knie und Bauchnabel) schnuppern. Da noch zwei "Gspänli" von Airolo her mitkommen wollten und es gerade super Wetter war, stand der Besteigung nichts mehr im Weg.

Ich kam so um ca. 10 Uhr auf dem Gotthardpass an, nachdem ich einen Urner (!) mit 40km/h die Schöllenenschlucht hinaufstossen musste. Während sich meine Locals aus Airolo nicht um das sehr ausdrückliche Fahrverbot für das Strässchen zum Lago della Sella scherten, liess ich das Auto auf dem Parkplatz bei der Passhöhe stehen, was zugegebenermassen auch etwas daran lag, dass sich TCS und Kantonspolizei TI 30m weiter um irgendein Wohnmobil kümmerten ;) Um die anderen nicht zu lange warten zu lassen müssen, versuchte ich dann halb rennend, halb mich mit Sonnencreme einreibend die doch ca. 2km lange Teerstrasse zur Staumauer hinter mich zu bringen und traf dort auf meine Kollegen, die in der Sonne lümmelten und sich einen Schaden lachten. Immerhin war ich dafür warm gelaufen (bzw. pflotschnass). 

Wir liefen gleich los, zuerst ein paar hundert Meter auf einer breiten Kiesstrasse/Feldweg dem linken Seeufer (Nordseite) entlang. Bald bog links eine schmälere Kiesstrasse den Hang hoch ab, auf der irgendein Bergbauer seinen Quad entlang hochwürgte, was aber niemanden störte, weil der Wanderweg wiederum nach wenigen Dutzend Metern rechts (nach Nordosten) wegging. Er stieg ansprechend schnell zur Verzweigung bei P. 2465m an. 

Danach verloren wir - ebenso wie ein älterer Herr vor uns - mangels Markierungen den Weg in der folgenden, ziemlich steilen Geröllrinne völlig, nur eine einzige Markierung zeigte uns oben den Ausstieg aus der Rinne bzw. wo der Weg weiter ging. War ziemlich mühsam, nicht weil's per se schwierig war, aber durch den ganzen Schotter z.T. auf allen Vieren rauf zu kraxeln und vom Vorgänger ständig Steine nachgeschaufelt zu bekommen war nicht wirklich spassig, v.a. wenn man weiss dass es hier irgendeinen offiziellen Wanderweg gibt. Deswegen machten wir dann auf dem Sasso di Paisgion auf ca. 2600m Höhe eine kurze Verschnaufpause. 

Als wir weitergingen verloren wir den Weg erneut, weil eine Markierung alle 300m wirklich nicht ausreicht. Hier war uns das Ganze aber herzlich egal, weil man in diesem Gelände ohne Weiteres "offroad" gehen konnte, da es ausgesprochen anspruchslos war. Mit uns waren eine Handvoll andere Wanderer älteren Semesters (plus ein Labrador Retriever) zum Pizzo Centrale unterwegs, welche mal 300m links oder rechts voraus waren und offensichtlich auch Spass am karger oder wilder werdenden Gelände hatten. Wir erreichten dann den "Südostgrat" des Tritthorns auf ca. 2800m recht schnell, ein paar Fotostops mit eingerechnet.

Danach kam eine weitere grosse und leicht abschüssige Geröllhalde verziert mit einem Schneefeld und wieder waren nirgendwo Markierungen zu sehen. Immerhin sahen wir ab hier wenigstens unser Tagesziel (und erst ab hier). Schliesslich fanden wir irgendwie einen Weg durch durch diese Fersenhölle und holten einen der Wanderer ein, dessen beide Schuhsohlen (Bergschuhe!) den Geist aufgegeben und sich abgelöst hatten. Er liess sich davon auf Nachfrage aber nicht gross beunruhigen und wir hatten ehrlich gesagt auch nichts dabei um ihm betreffend Sohlen irgendwie zu helfen; er hat es dann nach uns auf den Gipfel geschafft und wurde dort von wiederum einem anderen Wander mit Kabelklebeband notdürftig zusammengeflickt (während wir dessen Labrador mit Streicheleinheiten überhäuften). 

Spätestens das letzte Stück vom Grat zw. Tritthorn und Pizzo Centrale auf den Gipfel des Pizzo Centrale - ca. 100 Höhenmeter - waren dann wirklich als alpin zu bezeichnen, da der Weg z.T. keine zwei Schuhsohlen breit ist, das Gelände stellenweise gefährlich abschüssig ist und man unbedingt schwindelfrei und trittsicher sein musste. Technisch ist es aber einfach, das Lehm-Stein-Gemisch war leicht feucht und dadurch perfekt griffig; bei Nässe hätte ich das Ganze aber allerspätestens hier abgebrochen, Ausrutschen möchte man hier nicht. Der Weg ist auch nicht durchgehend vorhanden, es gibt wohl zig Varianten, wie man auf den Gipfel kommt. Wir gingen in ein paar Schleifen zum Joch zw. Pizzo Centrale und P. 2991m und dann nach links relativ direkt auf den Gipfel.

Auf dem Gipfel angekommen war Essenszeit angebracht, danach ein paar Fotos, Eintrag ins Gipfelbuch, besagte Streicheleinheiten usw. Insgesamt waren wir zw. 20-30min oben. Ironischerweise konnte man vom Gipfel den Weg bis zurück zum Grat des Tritthorns gut erkennen, wir waren jeweils ca. 50m unterhalb davon im Hang hinauf gekommen...

Diesem Weg entlang stiegen wir dann bis zu diesem Grat wieder ab. Da die beiden Ticinesi keine Lust auf den Abstieg in die Geröllrinne weiter unten hatten, liess ich mich davon überzeugen, ab dort weglos 
über den Südostgrat (eigentlich Rücken, da flach und nicht abschüssig) via P. 2720m, P. 2694m und P. 2560m zum hinteren Ende des Lago della Sella abzusteigen. Ich war davon überhaupt nicht begeistert, aber ich wusste von der Karte her, dass es Gehgelände war und keine Selbstmordaktion; trotzdem war mir nicht 100% wohl dabei und nervte mich die ganze Zeit etwas über mich selbst. Der Abstieg war dann relativ flach, stetig und schön, ich merkte aber spätestens ab hier die geleisteten Höhenmeter und meine Blasen an den Fersen vom Aufstieg. Ab P. 2560m bogen wir dann etwas nach rechts (Südwesten) in einen steileren Grashang (Hausdachsteilheit) ab. Da man im hohen Gras nie wusste in was man tritt (Munggenbaueingang, bewegliche Steine usw., fand ich an dieser Stelle am mühsamsten), folgte ich dann einer auf der Karte eingezeichneten Geröllrinne und wagte mich erst als es wieder etwas abflachte in das Gras. Schlussendlich erreichten wir die Kiesstrasse, die der Nordseite des Sees entlang führt, so gegen 5 Uhr und liefen noch 15min zu ihrem Auto.

Danach fuhren sie mich zur Passhöhe, wir tranken noch kurz einen Cafe & Eistee im Restaurant und dann gings wieder zurück ins Flachland in den Stau bei Stansstad... Als ich dann die Wandersocken von meinen zerstörten Fersen pulte, war es ca. 20 Uhr. Puh!

Alles in allem bereue ich nicht, den Pizzo Centale abgehakt zu haben, weil die Aussicht und das Gelände usw. wirklich sehr schön sind. Ich möchte mich auch nicht über die Anstrengung o.Ä. beklagen, weil das meiner Meinung nach ein gewollter Nebeneffekt einer Wanderung ist und sein soll. Aber die Markierungen sind wirklich sehr spärlich von der Abzweigung bei P.2465m bis zum Gipfel, selbst für eine Alpinwanderung. Ich schätze Weglosigkeit und anspruchsvolles Gelände sehr, aber ich hatte das Gefühl, dass es hier nicht schaden würde, alle 50m ein paar Pinselstriche an irgendeinen Stein zu klatschen (v.a. wenn man die Markierungen mit jenen am Druesberg, Wissigstock oder Oberbauenstock vergleicht). Es gab zwar ein paar Steinmännchen, die aber im Aufstieg nicht viel nützen, weil man sie vor dem Hintergrundgeröll nicht sieht. Schlussendlich wussten wir im Voraus auch nicht ganz genau, wie schwierig das Ganze technisch sein würde, weil man auf hikr.org und anderen Foren usw. zwischen T3 und T5 alles findet. Von mir gibt's ein T4, aber nur für das oberste Stück. Der Rest stellt keine besonderen Anforderungen, die man nicht auch auf dem Normalweg auf den Grossen Mythen benötigen würde. Den Offroad-Abstieg kann ich niemandem empfehlen, obwohl im flachen Stück etwas Herr der Ringe-Stimmung aufkam... ;)

Cheers,
raphiontherocks

P.S.: Meine Wegpunkte im Bericht habe ich von www.maps.geo.admin.ch, sie stimmen nicht 100%ig mit den Wegpunkten von hikr.org überein, aber auf der Karte findet man sie. Unseren Abstieg habe ich im letzten Foto rot markiert :)

Tourengänger: raphiontherocks


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