Kurzbericht 

Punkt 2373 - Abzweig ins Niemandsland


Publiziert von georgb , 24. Juni 2019 um 09:18.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:23 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Pragser Tal-Brückele
Kartennummer:tabacco Pragser Dolomiten

Bald ist es wieder soweit, das Pragser Tal wird von Touristenmassen überrannt. Vor allem der Wildsee zieht soviel Besucher an, dass die Gemeinde Prags ihrer nicht mehr Herr wird. Im August kann der ansässige Bürger kaum noch das Haus verlassen, die Autokarawanen stauen sich kilometerweit. Man bastelt an verschiedenen, halbherzigen Verkehrsleitsystemen, aber selbst gewisse Pragser sind sich nicht einig, jammern über den katastrophalen Zustand und finden keinen gemeinsamen Nenner.
Die Einheimischen meiden inzwischen das Pragser Tal während der Hauptsaison, mein Vorschlag: Lasst die Touris mit dem Bus zum See und auf die Plätzwiese fahren und zweigt ins Niemandsland ab! Denn nur wenige Schritte neben den Herdenzügen finden sich im Pragser Tal Regionen, in die nicht einmal die Jäger mehr vordringen.
Schon auf dem Steig zur Postmeisteralm treffen wir nur noch eine Handvoll Wanderer und nachdem die zum Rosskopf abgezweigt sind stehen wir plötzlich allein in der Landschaft. Natürlich gibts hier auf dem einsamen Sattel keinen See und keine Hütte, dafür Pragser Bergeinsamkeit. Dahinter allerdings betrete ich absolutes Niemandsland, kein Steig, kaum eine Spur, nicht einmal Tiere scheinen sich hier zu bewegen.
Ich quere eine wilde abschüssige Schlucht, im Zickzack auf der Suche nach der leichtesten Variante steige ich ab. Alte Tierspuren helfen mir, aber immer wieder bremsen mich ausgespülte Runsen und Abbrüche. Mein Ziel ist ein Übergang unter dem Daumkofel, dort hoffe ich wieder zurück zum Brückele zu gelangen!? Bald stehe ich vor undurchdringlichem Latschenurwald und schleiche mich an den Felsen entlang durch das Dickicht. Ich krieche unter Ästen hindurch wie ein wildes Tier und finde eine Linie bis unter die Daumkofelsüdwand. Hier lasse ich mich nieder und frage mich, wieviele Menschen hier wohl im Jahr verkehren. Es gab einst sogar einen Jägersteig, die Reste davon geben mir Hoffnung. Doch er verliert sich umgehend wieder, die Latschen und der Regen haben ihn unkenntlich gemacht. Nur das ausgespülte Bachbett ist begehbar und ich schleiche mich mit besorgten Blicken abwärts, wo wartet der erste Abfaller? Ich habe natürlich recherchiert und alte Fotos studiert, der Graben zieht durchgängig ins Tal und bis auf ein paar Abbrüche (II) stellen sich keine unüberwindbare Hindernisse in den Weg.
Das enge Bachbett läuft aus in weite Geröllfelder, irgendwann stehe ich im Wald und weiches Gras trägt mich bis auf den Quellenweg. An der Straße wartet schon mein Taxi. "Zum Tuscherhof!" sind meine ersten Worte nach stundenlangem Schweigen im Pragser Niemandsland und bei der Erdbeertorte werde ich wieder zu einem geselligen, sozialen Wesen ;-)

Tourengänger: georgb


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