Kurzbericht 

"Susch gang doch nach Lavin..."


Publiziert von lorenzo , 23. Juni 2019 um 08:22.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:24 Februar 2019
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: SS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: Piz Linard-Gruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Lavin
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Piz Linard
Kartennummer:LK 249 S Tarasp, 1198 Silvretta

"...und stig uf de Piz Linard, dert kasch Dim Lawinetrauma besser der Garaus macha, mir tüend hie numa Usbrennti wider azündta", meinte die Verantwortliche für Patientenanmeldungen in der auf Burnoutbehandlungen spezialisierten Clinica Holistica Engadina in Susch.

Das klang überzeugend und kam meinem lange gehegten Wunsch, diesen Traumgipfel des Unterengadins auch einmal im Winter mit Ski zu besteigen, mehr als nur entgegen. Von Aufstiegen und Abfahrten über die S-Flanke hatte ich schon vor Jahren gelesen, dafür müsste ich aber vor Ort übernachten und früh aufbrechen. Später stiess ich auf Berichte von einer Route durch das W-Wand-Couloir, die inzwischen sogar auf der Skitourenkarte eingetragen ist. Wegen der späteren Sonneneinsstrahlung kam diese Route als Tagestour eher in Frage, ich bezweifelte nur, ob ich nach einer Überschreitung im Herbst 2007 die respektable Höhendifferenz noch einmal würde stemmen können, dieses Mal zudem noch mit Ski. Aber warum nicht einfach versuchen? Umkehren konnte ich ja jederzeit. Die nötigsten Informationen holte ich mir auf Gipfelbuch sowie bei dolmar und danski, und als ich Ende Februar an einem Samstagabend für den Sonntag alles vorbereitet und gepackt hatte, wurde ich in meinem Vorhaben von einem Bericht auf Gipfelbuch bestärkt, der mich zuversichtlich stimmte, indem die Lawinensituation vertretbar schien, und zudem bereits vorhandene Spuren den Aufstieg v.a. durch das W-Wand-Couloir deutlich erleichtern würden.

Die meisten jüngeren PistenfahrerInnen waren spätestens in Kloster ausgestiegen, und während der Weiterfahrt durch den Vereina-Tunnel sassen fasst nur noch ältere Semester wie ich, die im Unterengadin auf die einte oder andere Art ihre Ruhe suchten, im Zug. Als ich um 9 Uhr in Lavin ausstieg, begann bereits die Sonne aufzuheizen, entsprechend schauten mich zwei Einheimische auf Sur Punt ungläubig an, als ich mich bei ihnen wegen dem weiteren Weg zum Vereinapass erkundigte. Als ich nach etlichen Tragpassagen endlich im unteren Val Sagliains angelangt war, stellte ich dann aber beruhigt fest, dass die grossen Nassschneelawinen von der Piz Glims SW-Flanke wie erhofft bereits früher herunter gekommen waren. Nach der Stufe bei P. 2163 holte ich eine 4er-Gruppe BündnerInnen ein, die anerkennend meinten, einen so schnellen Berner hätten sie noch nie gesehen...Das freute mich natürlich, davon wurden aber die noch verbleibenden 1200Hm nicht weniger, so dass ich auf der guten Skispur konzentriert weiter Richtung Rücken bei P. 2639 und Einstieg zum W-Wand-Couloir stieg, wo bereits 2 Paar Ski deponiert waren. Auf einer guten Trittspur stieg ich durch das Couloir und die linke Begrenzungsflanke hinauf. Kurz unter dem N-Grat kam mir ein absteigendes Paar entgegen, das bezüglich Schwierigkeiten am N-Grat zwar Entwarnung gab, aber auf den dort stark wehenden NE-Wind hinwies und angesichts des immer noch harten Schnees von einer Abfahrt von zuoberst abriet. Ich versprach, nichts zu riskieren, wünschte einen guten Abstieg, setzte meinen Weg fort und erreichte schon bald den tatsächlich sehr windigen N-Grat, wo ich die Ski deponierte, und über diesen ohne grössere Probleme den Gipfel. Meine Freude war gross, indem ich es allen Zweifeln zum Trotz doch geschafft hatte bzw. mit dem wieder erstarkten Vertrauen in Hänge über 30 Grad mein Lawinentrauma zu einem guten Teil in einen erfüllten Tourentraum hatte umwandeln können.


Die Aussicht vom Gipfel war zum Glück durch den inzwischen bedeckten Himmel nur leicht verdunkelt, sonst jedoch nicht beeinträchtigt gewesen, zurück beim Depot und nach ersten zaghaften Schwüngen stellte ich aber fest, dass die reduzierte Sonneneinstrahlung den harten und verblasenen Schnee zu wenig aufgeweicht hatte, so dass mir eine weitere Abfahrt zunächst zu riskant erschien. Mit Steigeisen und Pickel stieg ich bis ca. 3300m ab, rutschte dann mit Ski und Pickel vorsichtig bis ca. 3200m ab und ab dort noch kurz ohne Pickel, bis ich mich für die erneute Abfahrt wieder sicher genug fühlte. Ein Genuss wurde es bis zum Couloirausgang aber trotzdem nicht, erst auf den weiten Hängen der unteren W-Flanke und durch das Val Sagliains konnte ich es so richtig ziehen lassen. Ab Nusch Dadaint musste ich die Ski dann wieder mehrmals ab- und anschnallen, erreichte den Bahnhof schliesslich aber doch noch rechtzeitig für ein stärkendes Cola und den früheren Zug zurück in jenen Kanton, wo die Langsamkeit täglich neu entdeckt, der Schnelligkeit aber immer wieder vergeblich hinterher gerannt wird... 

Val Sagliains-W-Wand-Couloir-Piz Linard
Aufstieg: vom Bahnhof Lavin (1431m) weiss-roten Markierungen (wr) Richtung Vereinapass folgend durch das Dorf und unter dem Bahngeleis und der Strasse hindurch hinauf nach Sur Punt. Auf dem unteren Fahrweg über Crusch bis P. 1478 und auf der Alpstrasse zur Brücke nach Nusch Dadaint (1558m). Ungefähr dem Bergweg (wr) folgend bis Fop Tiamarsch (1710m), dann zuerst SW, weiter oben abwechselnd SW oder NE der Aua da Sagliains hinauf bis P. 2351. Weiter zuerst Richtung P. 2639, dann nach E abdrehend zum Beginn des W-Wand-Couloirs auf ca. 2800m und mit Ski so weit wie möglich durch dieses hinauf. Weiter zu Fuss (auf ca. 2900m nicht in das rechts abzweigende kleinere Couloir einsteigen) durch das Couloir (ca. 35-40 Grad) hinauf und ab ca. 3000m über dessen linke, nach SW gerichtete Begrenzungsflanke (40-45 Grad) links der Felsen zum N-Grat bei ca. 3390m, Skidepot. Auf diesem einfach (I) aber ausgesetzt zum Gipfel, 4h 45min-6h, WS (Ski- und Hochtourenskala). Abfahrt: bei günstigen Verhältnissen vom Skidepot, sonst von weiter unten und entlang der Aufstiegsroute zurück, 1h 45min-2h, SS- (Skitourenskala).

Bemerkungen: nur bei sicheren Lawinenverhältnissen unternehmen!

Verhältnisse: zuerst sonnig und mild, dann mit NE-Wind zunehmend bewölkt. Unterhalb Nusch Dadaint z.T. Portage, darüber ca. 50cm bis 2m Schnee auf guter Unterlage: unten hart oder aufgeweicht, oben und im Couloir Pulver, hart, verblasen oder Kruste. Zu- und Aufstieg (Trittschnee) waren gespurt. Da der Schnee wegen den aufziehenden Wolken nicht aufsulzte, konnte ich erst ab ca. 3200m abfahren.

Material: zusätzlich Helm, Steigeisen und Pickel.

Fahrplan: 9 Uhr Start, 12 Uhr Einstieg W-Wand-Couloir, 13.45 Gipfel, 15.45 retour.

Tourengänger: lorenzo


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