Zum Quell der weiten Wasser...


Publiziert von lorenzo , 20. Juni 2019 um 11:22.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:20 Februar 2019
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   CH-VS   Gruppo Pizzo Rotondo   CH-TI 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1545 m
Abstieg: 1720 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Realp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Oberwald
Unterkunftmöglichkeiten:Rotondohütte SAC
Kartennummer:LK 255 S Sustenpass, 265 S Nufenenpass, 1231 Urseren, 1251 Bedretto, 1250 Ulrichen; G. Brenna, Clubführer Tessineralpen 1, SAC 1992; M. Gabbuzzi, G. Cavallero, Skitouren Tessin/Misox, Calanca, SAC 2011

Wie der Kailash den indischen Subkontinent mit heiligen, versorgt der Witenwasserenstock Europa mit weiten Wassern. So entspringen am Kailash die vier grossen Flüsse des südasiatischen Raumes: im Norden der Indus, der im Arabischen Meer mündet, im Osten der Brahmaputra, der in den Ganges fliesst, im Süden der Karnali, ein Zufluss des Ganges, der im Golf von Bengalen mündet, und im Westen der Satluj, ein Zufluss wiederum des Indus. Am Witenwasserenstock sind es - etwas bescheidener - im Norden die Witenwasserenreuss, die mit der Furkareuss, der Reuss - nach dem Zusammenfluss mit der Gotthardreuss - und der Aare schliesslich in den Rhein und in die Nordsee fliesst, im Südosten der Ri di Bedrette, der mit dem Ticino und dem Po in die Adria fliesst, und im Westen das Gerewasser, das mit der Goneri und dem Rotten, zuletzt als Le Rhône, ins westliche Mittelmeer fliesst.

Einer Legende zufolge soll Milarepa um 1100 n. Chr. den  Gipfel des 6638m hohen Kailash als Erster auf einem Sonnenstrahl reitend erreicht haben, offiziell gilt der Berg aber als unbestiegen, und es werden aus Rücksicht auf seine religiöse Bedeutung auch keine Bewilligungen für eine Besteigung mehr erteilt. Etwas handfester und profaner dürfte es bei der Erstbesteigung des Witenwasserenstocks fast 800 Jahre später durch W.A.B. Coolidge und Christian Almer junior am 25.Juli 1892 zugegangen sein, mussten die beiden doch nach einem langen und steinigen Aufstieg von Bedretto im Schweisse ihres Angesichts und der Überschreitung eines ausgesetzten Grats zuletzt noch die spitze Gipfelpyramide im III. Grat erklettern.

Obwohl der Witenwasserenstock nicht einmal halb so hoch und nicht annähernd so imposant ist wie der Kailash, und man auch heute noch nicht auf Sonnenstrahlen zu ihm reiten, sondern sich von diesen höchstens ziemlich ins Schwitzen bringen lassen kann, zog mich dieser Gipfel aufgrund seiner geografischen Lage und Bedeutung und wegen den eindrücklichen Fotos auf Hikr immer wieder und je länger je mehr an, ganz abgesehen davon, dass man ihn besteigen darf und dafür nicht einmal eine Bewilligung braucht. Nach eingehendem Karten- und Führerstudium entschied ich mich für die unten beschriebene Routenkombination, die sich im Winter mit öV gut als Tagestour bewerkstelligen lassen sollte. Und als Meteo, SLF und ein informativer Tourenbericht auf Gipfelbuch grünes Licht gaben, zog ich am nächsten Tag los.

Sobald ich in Realp ausgestiegen war und zunächst den Kolonnen zum Stotzigen Firsten folgte, zweifelte ich noch ein wenig an meinem Vorhaben. Dank guten Spuren erreichte ich aber schon bald die legendäre Rotondohütte - für mich eine Premiere - und den Ostgipfel, die eigentliche Wasserscheide. Hier warf ich meine Blicke andächtig in die drei Himmelsrichtungen, wohin der Schnee nach der Schmelze in die Weite fliessen würde. Nach dem Skidepot stand ich, wiederum einer guten Spur sei Dank, wenig später am Fuss der Gipfelpyramide, wo ich angesichts des von unten trockenen und festen Rotondogranits die Steigeisen abzog. Diesen Moment hatte ich mit Spannung erwartet, denn erst jetzt würde sich weisen, ob ich der bevorstehenden, zwar nur kurzen
, dafür aber kniffligen Kletterei mit Skischuhen gewachsen sein würde oder nicht...Aber wie so oft geht probieren über studieren: an der rechten Kante kleintrittig hinauf, vergeben nach einem bequemen Sitzplatz suchen, trotzdem das prächtige Gipfelpanorama geniessen, an der linken Kante minim grössertrittig wieder hinunter und beim Herunterhangeln von der grossen, z.T. doch vereisten Platte noch schnell eine Sicherungsschlinge um einen Felszacken legen. Zurück bei den Steigeisen fiel die Spannung endlich ab: puh, kein leichter Brocken, umso grösser die Freude!

Nachdem ich vom Skidepot zum Gerengletscher abgeseilt hatte,  begann eine der schönsten und längsten Skiabfahrten, die ich je erlebt habe: mühelos gleitete ich Spuren entlang über den Gerengletscher und durch das Geretal, in dem die grossen Nassschneelawinen von den vorgelagerten Gipfeln der Muttenhörner zum Glück schon unten waren, hinunter zur Geisshitte und weiter nach Unterwassern, wo ich wie aus einem langen und schönen Traum erwachte. Und in Oberwald angekommen, kam ich zuletzt noch in den Genuss, auf der berühmten Loipe des Obergoms zum Bahnhof zu skaten, bevor dort beim vergnüglichen Warten auf den nächsten Zug die Sonne langsam über dem Aargrat unterging...


Realp-Rotondohütte
Vom Bahnhof Realp (1538m) zuerst gelben Markierungen folgend ins Dorf (1540m), kurz auf der Furkapassstrasse bis zur nächsten Abzweigung nach links und auf der Alpstrasse entlang dem Bahntrasse  - Wechsel der Markierung auf weiss-rot (wr) bei Biel - zur Brücke 1603 über die Furkareuss. Über die Brücke und weiter auf der Alpstrasse bis ca. 1700m. Hier verlässt man diese nach links und folgt Richtung S der markierten Winterroute entlang der Witenwasserenreuss über Schweig (1739m), die Brücke bei P. 1727, E an Höhenbiel (1986m) vorbei und über Oberchäseren (2003m) und Sunnsbiel (2079m) bis Witenwasserenstafel (2185m, bei sicheren Verhältnissen bis hier alternativ auch auf dem wr markierten Sommerweg). Nun nach SE über den Rücken von P. 2300, der S passiert wird, und ab ca. 2400m ungefähr dem eingezeichneten Sommerweg entlang zur Rotondohütte (2570m), 2h 30min-3h, L.

Witenwasserenstock
Von der Rotondohütte (2570m) in einem weiten Linksbogen nach SW auf den Witenwasserengletscher bei ca. 2600m, auf diesem flach ansteigend nach S bis ca. 2700m, dann nach SE hinauf zum NE-Grat bei ca. 2900m. Über diesen zu Fuss auf Firn und leichten Felsen auf den Ostgipfel (3025m) und nach WNW in wenigen Schritten hinunter zum Sattel ca. 3020m, Skidepot. Nun rechts entlang dem ESE-Grat auf Firn,  einige Felsen umgehend, hinauf zum Gipfelfirst und über diesem auf Firn und leichten Felsen vor den felsigen Gipfelturm (ev. Steigesendepot). Über einige Tafeln auf eine grössere nach links geneigte Platte (III) und an der rechten oder linken Kante der obersten Pyramide (III) auf den W-Gipfel (3085m, Gipfelbuch, aber kaum genügend Platz zum Sitzen), 2h-2h 30min, WS. Abklettern über die linke (bzw. von oben rechte) Kante (III) zurück zur Platte und (ev. Sicherungsschlinge an Felszacken) zum Fuss des Gipfelturms (III), oder vom Gipfel ca. 10m Abseilen an Bh-Stand bis hierher, dann entlang der Aufstiegroute zurück zum Skidepot. Von hier 15m Abseilen an Bh-Stand nach S auf den obersten Gerengletscher W des Pso. dei Sabbioni (2966m), 45min, WS.

Geretal-Oberwald
Abfahrt am N Rand des Gerengletschers (Spaltenzonen bei 2800m und 2650m) und weiter Richtung SW bis zum Talknick bei Im Cher (2109m). Richtungswechsel nach NW und weiter durch das Tal entlang dem Gerewasser über Im Wyssen Gufer (1880m) nach Schweif und links vorbei an Gros Stafel (1728m) zur Brücke 1628 bei Schärlichwang. Ab hier auf dem Fahrweg zur Geisshitte und hinunter zur Brücke 1496. Nach dieser kurzer Wiederaufsteig zu P. 1512, auf der Alpstrasse bis Unterwassern und hinunter zur Goneribrücke 1385, die hinüber nach Oberwald (1377m) führt. Nun entweder direkt nach W oder der Langlaufloipe folgend über Matte Lusse zur Rottenbrücke und hinüber zum Bahnhof Oberwald (1366m), 1h30-2h, WS.

Verhältnisse: sonnig und mild, am Grat z.T. NW-Wind. Ca. 1-2m Schnee auf guter Unterlage, schattseitig Pulver (z.T. verblasen) oder hart, sonnseitig Kruste oder weich, Witenwasseren- und Gerengletscher sicher eingeschneit. Gute Aufstiegs- und Abfahrtspuren, an den Graten Trittschnee. Im Geretal v.a. an SW-Hängen zahlreiche z.T. grosse alte Nassschneelawinen.

Material: Helm, Steigeisen, Pickel, Klettergurt, 30m Seil oder Reepschnur, 2-3 Express und 2-3 Schlingen zusätzlich zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 9.15 Realp, 11.45 Rotondohütte, 14 Uhr Witenwasserenstock W-Gipfel, 16.15 Oberwald.

Tourengänger: lorenzo


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