Heute sollte ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen: die Besteigung des Tafelberges. Ok, das mag jetzt vielleicht den einen oder anderen überraschen, ist ja nicht wirklich die ganz grosse alpinistische Herausforderung ... Dennoch; die malerische Lage der Stadt und die Besteigung eines Berges am südlichsten Ende von Afrika hat mich seit vielen Jahren gereizt.
Vorab an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an den Kapstadt-Kenner
basodino, welcher mir vor meiner Abreise viele wertvolle Tipps gegeben hatte.
Es war von Anfang an klar, dass ich nicht über die „mainstream“-Route (Klatteklip Gorge) aufsteigen wollte, welche denn auch von vielen als „ziemlich langweilig“ beschrieben wird. Angeblich soll es ja insgesamt ca. 100 Routen auf den Tafelberg geben, was wohl leicht übertrieben ist …
Die „India Venster“-Route war mir auf Anhieb sympathisch; direkter Aufstieg mit diversen Kraxel-Einlagen, eher weniger frequentiert.
Eigentlich wollte ich den Aufstieg solo machen. Je mehr ich mich jedoch im Internet eingelesen hatte, desto unsicherer wurde ich. Mittlerweile bin ich jetzt doch in 70 Ländern unterwegs gewesen. Noch nie hatte ich mich jedoch derart mit dem Thema Sicherheit auseinandergesetzt wie vor meiner Reise nach Kapstadt.
"never hike alone", "gehe nicht mal alleine auf den Signal Hill oder Lions Head", "Wanderer, welche alleine unterwegs sind, werden auch am Tafelberg ausgeraubt", etc.
Je mehr ich mich im Netz informiert hatte, desto unsicherer wurde ich - wo ich mir doch eigentlich nie solche Gedanken mache … Tatsache war, dass die Vorfreude auf die Kapstadt-Reise arg gedämpft wurde.
Als auch noch ein mir bekannter Profi-Reiseberater und von Berufes wegen Vielreisender riet, "falls Du nicht die Massentouri-Route über die Platteklip Gorge nimmst, buche doch eine Tour", verliess mich vollends der Mut und ich buchte tatsächlich die Tour über einen lokalen Anbieter. Nicht das, was ich mir eigentlich vorgestellt hatte …
Letztlich war die Gruppen-Tour ein voller Erfolg; jedoch der Reihe nach:
„5.15 am – sharp!“; so hiess es zur Abholungszeit beim Hotel. Ich musste etwas schmunzeln; sollte kein Problem sein, ist ja jetzt auch nicht mitten in der Nacht, sondern bei Tagesanbruch.
Die Tourenleiterin (Hendre) war denn auch ziemlich überrascht, dass ich pünktlich vor dem Hoteleingang war. Sie sei sich gewohnt, dass sie teilweise die Gäste aus dem Bett klingeln muss oder mindestens 5-10 Min. warten müsste.
Sie fragte mich, woher ich denn komme und meinte danach, dass sei wohl „Swiss efficiency“ …. Na ja, ich musste ja schliesslich dem Klischee der Schweizer Pünktlichkeit gerecht werden ;-)).
Wir holten noch ein Paar aus Australien ab und trafen bei der Seilbahnstation ein weiteres Paar aus den U.S.A. Zu fünft starteten wir ca. 5.40 Uhr beim Parkplatz auf ca. 300m Höhe.
Der erste Streckenabschnitt war zum Warmlaufen gedacht; Felstreppenstufen (ähnlich wie bei der Platteklip Gorge).
Beim Contour Path trennten sich jedoch die Wege und es wurde nun sofort interessanter. Unsere Tourenleiterin wollte natürlich ihre Gäste etwas testen und beobachtete uns bei den ersten Kraxel-Einlagen aus ihren Augenwickeln … ;-).
Ihre Bemerkung „Wanderschuhe sieht man hier eher selten“ konnte sie sich nicht verkneifen. Ich fühlte mich jedoch äusserst wohl darin; Trailrunners tun es aber auch (habe ich jedoch keine). Normale Turnschuhe / Strassenschuhe würde ich nicht unbedingt empfehlen, da doch dann und wann etwas Grip gefragt ist (muss jedoch jeder selber wissen; wie üblich).
Nach dem ersten Steilaufschwung und Kraxeleien folgte eine Traverse, bevor die eigentlichen Schlüsselstellen auf uns zukamen: eine ca. 15m hohe Wand, wo es mehr oder weniger senkrecht hinaufging. Die Schwierigkeit hielt sich jedoch in Grenzen, da das Ganze durch Eisenbügel und Ketten entschärft wurde.
Der Tourguide half den einen jeweils die Füsse und Hände am richtigen Ort zu platzieren, während der Australier und ich uns darin versuchten, über eine Ausweichroute möglichst keine Eisenbügel oder Ketten zu benutzen („the classic way“, wie Hendre meinte …).
Es machte richtig Spass und alle hielten mit. Nach dieser Passage befanden wir uns unterhalb des Gipfelaufbau’s, wo sich die Bergstation der Seilbahn befindet. Noch waren wir jedoch noch eine gewisse Strecke vom Ziel entfernt. Es ging nun um’s Eck, wo wir nochmals eine Rast hielten und einen schönen Tiefblick auf Camps Bay hatten. Vor uns auch gut zu erkennen: die Kloof Corner Ridge, offensichtlich eine T6-Route.
Ab jetzt wieder auf offenem Gelände durch Buschlandschaft hinauf zum grossen Plateau. Der Tafelberg ist tatsächlich ziemlich flach … An der Südkante genossen wir die herrliche Aussicht, beobachteten die Dassie’s und wanderten schliesslich noch bis zur Seilbahn-Bergstation (1067m).
Hier verabschiedeten wir uns, die Gruppe fuhr plangemäss mit der Seilbahn hinunter. Da es erst ca. 9 Uhr war, wäre es jammerschade gewesen, an diesem herrlichen Tag den Berg bereits wieder zu verlassen. Zunächst zügigen Schrittes ging ich in Richtung höchster Punkt; Maclear’s Beacon (1087m). Unterwegs traf ich dann allerdings eine ältere Australierin, welche schon seit einigen Jahren in Kapstadt wohnt. Wir unterhielten uns und spazierten zusammen ziemlich gemütlich zum Maclear’s Beacon.
Hier trafen wir lediglich zwei weitere Zweier-Grüppchen, ansonsten niemand zu sehen. Die bereits anwesenden Personen standen auf dem Steinhaufen, schossen minutenlang Selfies und konnten es anschliessend nicht verstehen, dass ich selber kein Selfie bzw. Foto von mir wollte … Na ja, ich finde mich halt nicht so wichtig; schiesse viel lieber Fotos von der Landschaft – bin wohl etwas altmodisch veranlagt in der heutigen Selfie-Generation …
Flott ging’s nach einer kurzen Verpflegungspause zurück, da wo sich der Eingang zur Platteklip Gorge befindet. Ab diesem Zeitpunkt ist man garantiert nicht mehr alleine … Auf dem Abstieg war es brütend heiss; im Aufstieg natürlich auch entsprechend spürbar. Selbst im untersten Abschnitt (also am Beginn für Aufsteigende) waren schwer keuchende, schweissüberströmte Menschen zu sehen; ob diese Leute wohl den „Gipfel“ erreicht haben?
Es gab auch noch eine unschöne Szene: als eine ziemlich übergewichtige, wie eine Dampflok schnaufende Dame einfach eine andere, vor mir laufende Frau vom Weg buxierte; „aus dem Weg!“. Und zu ihrem Mann gewandt „hast Du gesehen, dass sie mir nicht Platz gemacht hat?“. Dabei wollte die absteigende Frau lediglich ausweichen, wusste jedoch nicht auf welche Seite, da die schwergewichtige Dame die ganze Wegbreite für sich beanspruchte ...
Ich war derart perplex, dass ich (leider) nicht sofort reagiert habe. Auch die Belgierin, welche weggeschubst wurde, hat erst Minuten später ein paar Fluchwörter hinterhergeschickt … - Sachen gibt’s …
Nach ca. 1 Std. hatte ich den Parkplatz erreicht und genehmigte mir nochmals einen Schluck Wasser, als ich die beiden Belgier beobachtete, wie sie in ein wartendes Taxi einstiegen. Spontan fragte ich sie, ob ich mitfahren dürfe. Wie sich herausstellte, hatten sie das Taxi bestellt und wollten in das Hotel, welches sich genau gegenüber von meinem Hotel befand; was für ein Zufall!
Am Nachmittag fuhr ich nach Kirstenbosch, wo sich der wunderschön angelegte Botanische Gartenbefindet. Den Abend verbrachte ich wiederum an der Waterfront…
Fazit:
Die Route via India Venster ist eine überaus lohnende Aufstiegsvariante. Bei schönem Wetter eine traumhafte Tour; nicht allzu lang und nicht wirklich schwierig; so richtig zum Geniessen. Den Abstieg via Platteklip Gorge war insofern lohnenswert, als dass mir hier nochmals ein anderes Landschaftsbild vermittelt wurde. Ein zweites Mal würde ich jedoch nicht mehr unbedingt absteigen; es ist ein eher mühsames (Fels-) Treppensteigen – egal ob im Auf- oder Abstieg. Ich hatte sogar noch zwei Tage lang Muskelkater vom Treppensteigen …
Bemerkung I:
Ich hatte das Thema Kriminalität am Berg bereits hier kurz thematisiert; ebenso eingangs dieses Berichtes.
An dieser Stelle möchte ich noch ergänzen, dass es gemäss Tourguide auf dieser Bergseite „relativ sicher“ sei. Mehr Probleme gäbe es auf der Seite des Devil Peak.
Deutlich höher gefährdet seien jedoch Mountain-Biker; insbesondere diejenigen, welche alleine unterwegs seien - mit einem EUR 5‘000.-- -Bike, dem neuesten iPhone und anderen Gadgets obendrauf sei man ein ziemlich begehrtes Ziel …
Bemerkung II:
Die meisten Hikrs werden eine Tour wie oben beschrieben auf eigene Faust machen wollen.
Falls es trotzdem jemand interessiert, diese oder andere Routen mit einem Guide zu machen, dann sei dieses Unternehmen empfohlen: https://hiketablemountain.co.za/
Zeiten:
Seilbahn Talstation via India Venster zum „Gipfel“ bzw. Südkante: ca. 3 Std. (mit vielen Pausen)
Seilbahn Bergstation – Maclear’s Beacon – Eingang Platteklip Gorge: ca. 50 Min.
Platteklip Gorge – Parkplatz Platteklip Gorge: ca. 1 Std.
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